Also morgen ist definitiv Spitzer-Gegenteil-Tag – zumindest bei mir und wohl bei Christoph Deeg, den ich für meine The European-Mittwochskolumne interviewt habe.
Hier nur ein kleiner Auszug des Beitrages, der wohl so ab 8 Uhr abrufbar sein dürfte.
Der Gaming-Experte Deeg ruft zu einer Anti-Spitzer-Bewegung auf. Es reiche nicht aus, dass demente Büchlein zu zerlegen und die Fakten-Melange auf Richtigkeit zu prüfen. Alte Männer wie Spitzer präsentieren keine Lösungen für den Trend zur Vernetzung, sie sind das Problem, warum wir in Deutschland immer mehr in digitaler Mediokrität versumpfen. Der Erfolg des Spitzer-Werkes zeigt doch, wo wir stehen. Wir können lange erzählen, dass wir eine moderne Technologienation sind“, kritisiert Deeg.
Die Welt bestehe nicht nur aus Suchtkranken, die Spitzer in seiner täglichen Arbeit erlebt. Was passiert aber jetzt mit den Allgemeinplätzen, die der Professor in seiner „Digitalen Demenz“ ausbreitet?
„Eltern lesen dieses Buch oder hören davon und bekommen eine tiefgreifende Panikattacke. Im schlimmsten Fall sagen sie zu ihren Kindern: ‚Das sollst du nicht mehr machen‘. Die Kinder sagen ‚wunderbar‘ und reagieren wie bei allen anderen Verboten. Sie werden sich dann eben woanders ins Internet begeben. Sie beginnen sich dann irgendwo anders im Internet zu begeben. Der nächste Schritt ist, dass die Eltern zu den Pädagogen gehen und ihnen auch sagen, dass sie nicht mehr mit digitalen Medien arbeiten sollen. Als Endergebnis entfernen wir komplett eine wichtige Lebensrealität der Jugendlichen. Als Resultat wissen Eltern und Lehrer nicht mehr, was in der digitalen Welt wirklich passiert“, sagt Deeg.
Krieg der Generationen
Spitzer beschädigt damit das Vertrauensverhältnis zwischen den Generationen.
„Es geht doch nicht darum, dass Menschen nur noch vor dem Rechner sitzen. Warum kommen Eltern und Pädagogen nicht auf die Idee, mit Jugendlichen und den Kindern das Internet und die digitalen Welten zu erschließen. Diese Möglichkeit macht Spitzer kaputt“, betont Deeg.
Der Demenz-Autor habe von der Digitalisierung so viel Ahnung wie eine Kuh vom Sonntag:
„Wir alle, die im digitalen Raum arbeiten, müssen das ernst nehmen und uns auch selber hinterfragen. Wir haben es wohl nicht geschafft, in der Bevölkerung ein Vertrauen aufzubauen gegenüber den Chancen der digitalen Technologien. Wir brauchen als Gegenkonzept zu Spitzer einen klar strukturierten Fünf-Jahresplan. Wir dürfen nicht nur dagegen argumentieren und ein paar Studien mit auf den Weg geben“, fordert der Gaming-Enthusiast.
Ansonsten verspielen wir die Möglichkeiten zur Gestaltung der digitalen Gesellschaft. Soweit der Ausblick auf morgen. Was Ärzte und Apotheker als Spitzer-Gegenmittel empfehlen, ist mir nicht bekannt. Christoph Deeg empfiehlt die Lektüre des Buches von Steven Johnson: Neue Intelligenz. Zudem schreiben Christoph und ich vielleicht selbst ein Anti-Spitzer-Buch – mal gucken. Lust hätte ich.
Lesenswert ist übrigens auch die Kolumne von Sascha Lobo: Eure Internetsucht ist unser Leben.
Update:
Hier nun die The European-Kolumne: Der digitale Kaputtmacher.
Könnte Einiges aus 30 Jahren Parteiarbeit beitragen …
@opalkatze Nur zu. Keine Hemmungen.
“Warum kommen Eltern und Pädagogen nicht auf die Idee, mit Jugendlichen und den Kindern das Internet und die digitalen Welten zu erschließen.”
Eltern und Pädagogen kommen nicht auf diese Idee zum Beispiel aus dem Grund, weil sie oft selber keine Ahnung haben! Viele, ganz viele wissen nicht, dass man mit dem Computer nicht nur spielen und “facebooken”, sondern auch lernen kann! Wie, was und wo – das sollte gelernt und auch gelehrt sein! Aber solange die bildungstechnologische Ausbildung der Lehramtstudierenden eher geringfügig bleibt, kann man von der Schule nicht viel erwarten.
Meine Tochter wird dieses Jahr anfangen im Gymnasium Informatik zu lernen. Ich bin mal gespannt, ob mindestens im Informatikunterricht über die Lernmöglichkeiten gesprochen wird, die Computer bieten. (Ich würde jetzt aus meinen Erfahrungen heraus blind sagen: es wird darüber kein Wort gesagt … aber mal schauen)