
Jeden Tag vollbringen Service-Unternehmen eine gute Tat. Daran hat sich wohl nichts geändert. Jedenfalls nicht in der Hochglanz-Kommunikation der Service-Branche. Ich beschäftige mich nun schon seit Ewigkeiten mit diesem Thema und immer noch bekommt man die immer gleichen Plattitüden in der Werbung und in der PR an den Kopf geworfen. Es sind die Helden unseres Alltagslebens: Champions, Dienstleistungsakrobaten, weltweit führende Glücksbringer und Kundenversteher. Abgesichert und bewiesen durch Umfragen, Ranglisten, Awards, Studien und sonstigen Selbstbeweihräucherungen. Je länger man an diese selbstreferentiellen Jubelarien glaubt, desto mehr hält man diese Zahlenspiele für die Realität: „Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt, er ist der König, der Umworbene, der wahre Boss und wir sind seine Untertanen“. Klar. Solche Kalenderweisheiten passen in jedes Unternehmensleitbild. Es wäre ja auch eine gewaltige Überraschung, wenn Firmen das Gegenteil anstreben würden. Dumm nur, dass es die Kundschaft manchmal gar nicht merkt, welche Exzellenz sich in der Servicewelt tummelt.
Was soll man denn auch sagen, wenn ein Meinungsforschungsinstitut folgende Frage formuliert: „Denken Sie doch bitte jetzt an die Mülltrennung in Deutschland. Sind Sie der Auffassung, dass die Mülltrennung in Deutschland im Prinzip eine gute Sache ist oder eher nicht?“ Da kommt man direkt zu fantastischen Ergebnissen, um in irgendwelchen Kundenbarometern auf Platz 1 der Serivce-Hitliste zu landen. Dass rund zwei Drittel der fein säuberlich getrennten und „restentleerten“ Kunststoffverpackungen in der Hitze des Hochofens enden oder via Sortierrest im Müllofen landen, könnte als Akt der Volksverdummung gewertet werden. „Grundsätzlich“ ist das aber kein Einwand gegen das Müll-Monopoly zur ökologischen Gewissensberuhigung.
Warum fragen mich die Marktforscher nicht, ob ich prinzipiell an jedem Wochenende sechs Richtige im Lotto gewinnen will? Das Antwortverhalten dürfte auf einem noch höheren Niveau rangieren.
Ähnliches wird uns von Anbietern des Hotline-Irrsinns suggeriert: FRAU MÜLLER FREUTE SICH SCHON BEIM INS-BETT-GEHEN DARAUF, AM NÄCHSTEN MORGEN IHREN NETZBETREIBER ANZURUFEN!
So könnte man die These auf die Spitze treiben, wenn Experten der Call Center-Branche immer noch behaupten, Kunden würden den persönlichen Kontakt mit Agenten an der Hotline bevorzugen. Danach ist aber bei einer häufig zitierten Umfrage gar nicht gefragt worden. Gefragt wurde lediglich, mit welchem Medium man in der Vergangenheit mit einem Unternehmen kommuniziert habe. Als Verbraucher bleibt mir häufig gar nichts anderes übrig, als die Hotline anzurufen und in der Warteschleife zu schmoren. Automatisierter Kundenservice via Chat im Messenger? Fehlanzeige. Da ist noch nichts sinnvolles auf dem Markt.
Den meisten Kunden sind übrigens die auswechselbaren Hotline-Agenten völlig wurscht. Die Telefonate verlaufen in der Regel nach dem Alzheimer-Prinzip. Egal, wie häufig ich bereits zu einem Servicefall angerufen habe – nehmen wir mal an, meine DSL-Leitung ist platt – kann ich das jedem „persönlichen Telefonpartner“ immer wieder neu schildern. Die erinnern sich an gar nichts – auf der Call Center World (die nennt sich ja nur noch CCW – man will aus der Call Center-Ecke raus) laufen diese Dienstleistungen dann hochtrabend unter dem Schlagwort „Multi-Channel-oder-Touchpoint-Management”.
Generell scheint man heutzutage der Erforschung von geeigneten Umfragemethoden nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken wie früher. Viele Umfragen sind überfrachtet und drangsalieren den Interviewten mit monotonen Fragebatterien.
Was für Kundenstrategien sind denn nun erfolgreich? Wir diskutieren das im #NextTalk am Dienstag, um 15 Uhr.
Wäre schön wenn die Agenturen ihr Alzheimer Prinzip mal ablegen würden. Nervt als Kunde einfach nur noch!