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Paradoxe Interventionen gegen staatliche und private Datenkraken @digitalnaiv @winfriedfelser

Wenn Big Data-Algorithmen ohne meine Zustimmung anfangen, mich zu klassifizieren und zu stigmatisieren, automatisch meine Bonität herabstufen, einen Wechsel der Krankenversicherung wegen meines vermeintlich exakt berechneten Gesundheitszustandes verhindern oder Personalberatern die Abweisung meiner Stellenbewerbung empfehlen, dürfte es zu heftigen Gegenreaktionen der Netzgesellschaft kommen. Das schrieb ich vor einigen Jahren für ein längeres Big Data-Stück: „Das wird noch eine Weile beobachtet und irgendwann reagiert die Gesellschaft“, meint der Systemtheoretiker Gerhard Wohland. Es folgen Störungen des Systems, die bis zu Boykott und Ausstieg reichen können. 

Trotzdem versuchen die Datenkraken, unser Handeln zu beeinflussen oder sogar zu steuern. Wenn Menschen das durchschauen, passiert allerdings genau das Gegenteil. Solche Dinge bleiben eben nicht geheim. Instrumente zur Verhaltenskontrolle oder Verhaltensmanipulation werden über kurz oder lang bemerkt. Man erkennt die Absichten und verhält sich absichtsvoll anders. Eine Haltung wie Ich-hab-nichts-zu-verbergen-Denkhaltung einzunehmen wie Dieter Bohlen, ist dabei die schlechteste Variante im Umgang mit den Datensystemen – egal, ob sie privat oder staatlich organisiert sind.

Aber hilft der Ausstieg aus den Systemen weiter?

Da finde ich paradoxe Interventionen besser. Mit Winfried Felser habe ich das mal ausführlich erörtert:

Wer aussteigt, kann keine parasitären Stinkbomben in den Systemen mehr zünden. Ordnungssysteme wie Google oder Facebook hassen Störenfriede und Parasiten. Sie wollen Ruhe in ihren Systemen haben.

„Die Macht suchte und sucht das Zentrum einzunehmen. Wenn sie von diesem Zentrum aus wirken, ihre Wirksamkeit bis an die Grenzen des Raumes entfalten, wenn sie bis an die Peripherie reichen soll, so ist es notwendig, dass es kein Hindernis gibt, dass der Raum um ihre Aktion homogen ist. Kurz, der Raum muss frei von Rauschen, von Parasiten sein. Um Gehorsam zu finden, muss man gehört, muss man verstanden werden, muss die Ordnungsbotschaft Stille vorfinden“, schreibt der Philosoph Michel Serres in seiner Abhandlung „Der Parasit“.

Deshalb ist es wichtig, als parasitärer Störenfried auf Facebook zu bleiben. Der Parasit kann seinen Wirt veredeln, aber auch töten. Diese Option sollte man nutzen.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

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