fbpx

Humane Arbeitsplätze und die Versäumnisse der Architekten: Meinung gefragt

Mein Kollege hat sich mal die Mühe gemacht, eine Transkription meines Interviews mit der Wohlfühlinitiative zu erstellen.

Vor allem das letzte Drittel finde ich spannend: Die Rolle der Architekten bei der Arbeitsplatzgestaltung. Wer da noch fachlich etwas beisteuern kann, ist herzlich eingeladen. Bis Montag benötig ich Statements. Wie immer hier als Kommentar posten (mit Vor- und Nachnamen, Funktion) oder per Mail an: gunnareriksohn@googlemail.com

GS: Wir sind auf der Call Center World in Berlin. Es gibt sehr viele technische Themen, auf der anderen Seite gibt es aber auch das Thema der Qualität der Arbeitsplätze. Sie sind Mitglieder der Initiative „Wohlfühlarbeit“. Herr Giesel, Herr Harrer, auf was kommt es an um sich bei der Arbeit wirklich wohl zu fühlen?

Giesel: Der Bogen ist natürlich relativ weit gespannt. Es geht im Grunde los mit den ganz normalen Wohlfühlfaktoren ,die jeder kennt, aus dem ganz normalen Arbeitsleben. Ich muss mich gut fühlen, das Klima muss gut sein, es darf nicht zu laut sein, das Licht muss passen. Wenn man diese drei Faktoren schon mal abgedeckt hat, dann hat man 80% der Leistung abgelegt.

GS: Nun genießen Call Center nicht gerade den besten Ruf was die Arbeitsplatzbedingungen angeht. Man spricht von Legehennenbatterien und von Massenarbeitsplätzen, wo 300 Leute in einem Großraumbüro sitzen. Was kann man da arbeitstechnisch oder bürotechnisch ändern?

Harrer: Ich gebe Ihnen Recht, das ist so. Die Botschaft die wir mit der Initiative Wohlfühlarbeit geben möchten ist, die Erkenntnis zu akzeptieren und auf die Bedürfnisse der Menschen im Büro oder Call Center und die ergonomischen Bedürfnisse auch einzuhalten um den Arbeitsplatz so zu schaffen, dass er auch wirtschaftlich interessant ist für das Unternehmen. Effektiv in der Leistung. Und durch das Wohlfühlen die Gesundheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhalten bleibt.

GS: Wo sind denn die meisten Defizite? Sie werden auch die Branche analysiert haben. Wo sehen Sie die meisten Defizite?

Giesel: In der Tat ist es so wie ich eben sagte. Die drei Top-Faktoren sind 1. Akustik, 2. Klima, 3. Licht. Das sind die Dinge die im Büro stören. Wenn es zu laut ist, das Klima oder das Licht nicht stimmen, dann fühlen sich die Mitarbeiter gestört. Jeder weiß, wenn man sich gestört fühlt, kann man nicht gut arbeiten.
GS: Großraum gibt es nicht nur im Call Center, sondern überall in der Büroarbeitswelt. Wie kann man Dinge umgestalten, was kann man tun? Welche Technik wendet man an um die Belichtung, die Luft und den Büroarbeitsplatz zu verbessern? Herr Harrer?

Harrer: Der Büroarbeitsplatz sollte immer so geschaffen sein, dass er im Einzelbüro den Arbeitsplatzbedürfnissen des Menschen entspricht und die Bedürfnisergonomie als erste Priorität gesetzt wird. Auch in Gruppenbüros ist es so, dass die Privatheit, die Territorialen der Mitarbeiter beachtet werden müssen. Nicht der Neuzeitliche Mensch ist neu, sondern der Mensch ist Mensch geblieben. Er hat das Bedürfnis, dass er in seiner Arbeitswelt so arbeiten kann, dass er die Konzentration hat die er benötigt für seinen Job und seine Arbeit und er die Kommunikation nach innen und nach außen hat. Und dass er auch das Gefühl hat eine Art Zuhause zu haben, seinen Arbeitsplatz im Büro auch zu finden. Sich nicht erst eindocken und einbuchen muss, wo er heute gerade arbeiten soll.

GS: Ich kann mir vorstellen, bei den Arbeitgebern, den Personalchefs, die für die Arbeitsplatzausstattung zuständig sind, dass bestimmte Faktoren gar nicht ernst genommen werden, wie die Luftqualität. Ist das eine Erfahrung die sie auch in Ihrer täglichen Arbeit kennenlernen?

Giesel: Leider, es ist unsere Grundaufgabe dieses Bewusstsein zu schaffen, bei den Entscheidern, die letztendlich auch das Geld dafür ausgeben müssen. Auf dieser Messe, der Call Center World ist es immer wieder ein Argument, dass es sich die Mitarbeiter wünschen. Dass das Klima besser ist, die Akustik besser ist, dass auch schon große Probleme da sind, aber auch oft gehört wird, „unsere Chefs geben das Geld dafür nicht aus, die sehen nicht den Nutzen.“. Es ist eine prinzipielle Frage, dass man auch weiter thematisiert und sensibilisiert. Dass derjenige der es entscheidet davon überzeugt ist, dass er etwas Gutes für seine Mitarbeiter tut.

GS: Bleiben wir mal bei der Luftqualität, welche Stellschrauben kann man da bewegen? Was kann man da machen? Und was machen Sie in der Status Quo Analyse?

Giesel: Wenn man das Thema Raumklima analysiert, sollte man immer bei dem 1×1 anfangen. Das Thema Temperatur ist immer ganz entscheidend. Temperatur, Luftwechsel, also der Frischluftanteil, und die Luftfeuchtigkeit. Das sind die drei wichtigen Faktoren. Wir gehen so vor, dass wir direkt vor Ort, im Unternehmen schauen: Wo sind die Engpässe? Wie ist die Temperatur gestaltet? Um dann Lösungen vorzuschlagen.

GS: Wir sehen es auch hier am Stand, hier sprüht etwas heraus. Was genau kommt da raus?

Giesel: Dort kommt jetzt reines Wasser raus, reines, speziell aufgearbeitet Wasser. Was hier im Dauereinsatz gezeigt wird, wird dann im Betrieb weniger sichtbar sein, aber genau diese Wirkung hat. Den Organismus, die Gesundheit und die Schleimhäute schützt und dem Menschen wohlbefinden schafft. Ein ganz wichtiger Aspekt, und da ist der große Stellhebel, dass die Gesundheit dazu führt, dass die Mitarbeiter weniger krank sind und seltener Zuhause bleiben und dadurch der Wirtschaftliche Faktor erhöht wird.

GS: Trockene Luft kann ja sogar bis zur Nierenkolik führen. Was ist noch zu berücksichtigen? Beispielsweise in der Ausstattung?

Harrer: Unsere Philosophie des Hauses „Preform“, das ich seit 20 Jahren als Vertriebsleiter vertreten darf, hat in der Philosophie den Leitfaden „Humanisierung“ am Arbeitsplatz, Büro, die Prävention in den Vordergrund gestellt. Der Mensch soll sich nicht den Möbel anpassen, sondern die Möbel an den Menschen. Dass Wirbelsäulenprobleme dadurch reduziert werden, dass die Reizflut wesentlich geringen wird. Menschen haben ja nicht in der Häufigkeit Stress durch den Arbeitsablauf oder die Aufgabe, sondern durch die Reizflut, die im Kopf erstmal gefiltert werden muss. – Was will ich wissen, was will ich sehen, was will ich nicht wissen – Das diese Überinformation erstmal so gestaltet wird, dass sie reduziert wird, dass der visuelle Schutz gewährleistet wird, sowie auch der akustische Störbereich wesentlich reduziert wird. Dann sind die Menschen auch am Arbeitsplatz in dem Bereich Wohlfühlarbeit.

GS: Wie viel müssen Sie sich dann mit den Architekten anlegen? Es gibt viele die sind da sehr empfindlich. Die Architekten haben bestimmte Konzepte und denken vielleicht am Ende des Tages gar nicht an den einzelnen Menschen, der da arbeiten muss. Es gibt in Bonn ein berühmtes Beispiel, das ich hier aber nicht anführen will. Dort gibt es dann Lichtkonzepte, Glaskonzepte, da gibt es sogar ein Ordentlichkeitskonzept, dass ein bestimmter Glastisch immer von irgendwelchen Unterlagen befreit werden muss, wenn man den Raum verlässt. Daran würde ich Beispielsweise scheitern, weil ich ein unordentlicher Mensch bin, bei dem in der Unordnung aber noch eine gewisse Ordnung besteht. Meine Individuelle Note könnte ich da schon mal nicht durchsetzten.

Harrer: Bei Glas wäre ich sehr vorsichtig. Das hat nicht nur etwas mit der Transparenz des Lichtes, der Durchsichtigkeit und Offenheit, sondern auch mit Hygiene zu tun. Glas und Hygiene, beides verträgt sich überhaupt nicht. Ich habe solche Fälle schon im Hochsommer gesehen. Jeder Mensch hat irgendwann mal Schweisshände und gerade das hat hygienische Gründe, Gesundheitserhaltung und Krankheitserreger zu erhalten.

GS: Was sind denn Trends, die auch in der Architektenszene spielen, damit müssen Sie sich ja auch auseinandersetzten.

Giesel: Natürlich, das ist auch oftmals das große Problem. Die Architekten legen sehr viel Wert auf Ästhetik und Design. Man muss ihnen aber entgegenrufen, „Liebe Architekten, achtet auf die Menschen. Schaut auf die Menschen die im Büro arbeiten, macht es funktional. Das ist das kleine 1×1, Akustik, Licht, Klima. Darauf müsst ihr achten. Alles andere herum ist zwar nett, sieht auch gut aus, wenn es die Funktion erfüllt ist es perfekt. Ansonsten lieber darauf verzichten, und den Menschen im Fokus sehen.“

GS: Eigentlich müssten Sie dann in der Frühphase mit eingebunden werden. Das wäre doch die Perfektion, oder?

Harrer: Wenn wir in der Frühphase eingebunden sind, wäre es für alle Seiten vorteilhaft. Für den Investor, den Architekten, sowie unsere Unternehmen, die als Hersteller gelten. Wir werden leider Gottes erst zu spät eingebunden. Dann müssen wir mit sehr viel Engagement und Überzeugungskraft auch den Architekten überzeugen, dass unsere Philosophie gedacht ist für den Menschen und die Leistungsfähigkeit seiner Arbeitsprozesse sowie die Wirtschaftlichkeit für das Unternehmen. Mit Schönheit, das erleben wir im Wohnen – schöner Wohnen – und Büroleben sind zweierlei.

GS: Frühzeitige Einbindung bedeutet aber auch Geld zu sparen, oder?

Giesel: Ja natürlich. Das möchte auch jeder Architekt gerne. Sollte er zumindest, außer er hat Bauherren die viel Geld ausgeben wollen. Das ist genau der Punkt. An diesem Punkt setzten wir auch mit der Initiative Wohlfühlarbeit an. Das wir einfach sagen, wir müssen frühzeitig sensibilisieren. Wir müssen es kommunizieren, dass die Architekten, die die Arbeit machen müssen das auch frühzeitig wissen. Aber auch, dass die Bauherren, die mitentscheiden was passiert, sensibel sind für die wichtigen Themen heute sind.

GS: Kann man das auch prozentual ausdrücken? In wie vielen Fällen werden Sie im Vorfeld zumindest schon einmal gefragt?

Giesel: Die gute Nachricht ist, dass es steigend ist. Tendenz steigend. Aber es ist noch zu wenig. Wir haben nun den Vorteil, die Firma „Preform“ und die Firma „Draabe“, dass wir sehr viel Endkundengeschäft machen und wir den direkten Kontakt zu dem Endkunden sehr frühzeitig haben, da kann man viel mehr bewegen als über Planer die etwas schwerfälliger sind.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

4 Kommentare zu "Humane Arbeitsplätze und die Versäumnisse der Architekten: Meinung gefragt"

  1. Hallo,

    mein Kommentar dazu ist, dass in erster Linie das Problem der Akustik in den Köpfen der Architekten gelöst werden muss. Dass man Akustik und Licht einfach miteinander verknüpfen kann, ist vielen nicht bewußt, da Sie beratungsresitent sind und sich von Fachleuten wie mir nichts erklären lassen. Hygiene war ein Stichwort! Sämtliche Beteiligte, ob Architekten oder Betreiber sollen sich mal mit einem Fachmann zusammen setzen, dann zeige ich ganz kurz und knackig auf, wie man heute eine gute Arbeitsatmosphäre schafft. Sogar gestalterisch lässt sich sehr viel einbringen, Akustik und Licht werden optimiert, Hygiene ist kein Problem und ein Großteil des Materials ist sogar nicht brennbar.

    Wenn ich ständig die Hand vor Augen halte, muss ich mich nicht wundern, dass es dunkel ist!!!

    Grüße

    Ulrich Hausdorf
    -Akustikberater-

  2. 🙂

  3. robert schneider | 30. April 2012 um 16:35 Uhr |

    was bringt die zukunft ich hab nun auch ein angebot bekommen, meine arbeit von zuhause zu erledigen. hab gerade ein bisschen im internet nach erfahrungsberichten recherchiert und bin auf diesen podcast gestoßen:

    http://bene.com/bueromoebel/bene-office-podcast-25-non-territoriales-buero/

    also wenn ich schon in ein büro fahren muss, um zu arbeite, dann möchte ich auf jedenfall meinen eigenen fixen arbeitsplatz!

  4. Ich bin froh, dass ich seit 14 Jahren nicht mehr in irgendein externes Büro fahren muss. Home Office. Kein Stress im Berufsverkehr, kann mich mehr um private Dinge kümmern und arbeite dann, wenn ich am besten bin.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: