
Was bewirken die strengeren Call Center-Regeln?
Die Kenntnis der Telefonnummer des Anrufers werde die Verfolgung unerlaubter Telefonwerbung wesentlich erleichtern. Der Verbraucher könne sich entweder an eine Verbraucherzentrale oder an die Bundesnetzagentur wenden. „Natürlich wird es sowohl zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit als auch zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen weiterhin notwendig sein, dass sich der Verbraucher die Umstände und den Inhalt des Telefongesprächs notiert und der zuständigen Stelle schildert. Dafür ist es durchaus sinnvoll, als Verbraucher mit dem Anrufer ins Gespräch zu kommen und Fragen zu stellen: Für wen rufen Sie an? Was ist Ihr Anliegen? Das gilt natürlich in besonderer Weise, wenn die Rufnummer unterdrückt wird”, sagt Bauer. An diesem Punkt kristallisiert sich wahrscheinlich die Schwachstelle des Gesetzesvorhabens heraus. „Die Vorstellungen des Justizministerium sind naiv. Der Verbraucher hat keinerlei Anhaltspunkte, wenn er mit unterdrückter Rufnummer angerufen wird. Und wie aus dem Vorgehen vieler Call Center bekannt ist, unterbrechen viele Agenten das Gespräch, wenn der Angerufene den Namen einfordert. Zwischen theoretischen Trockenübungen und Praxis liegen eben erhebliche Unterschiede: Ist der Verbraucher verpflichtet zu recherchieren, wer ihn angerufen hat? Schließlich wird diese Information benötigt, um den Verstoß auch ahnden zu können. Hier hat die Politik wieder mal einen Gedanken nicht zu Ende gedacht”, kritisiert Bernhard Steimel, Sprecher der Nürnberger Voice Days und Customer Contact Days.
Die Branchengauner zwinge man mit der Gesetzesnovelle nicht in die Knie, prognostiziert Strateco-Chef Jens Klemann: „Die werden ihr ‚Geschäftsmodell’ so abändern, dass sie entweder Abmahnungen und Strafen einkalkulieren oder ihren Geschäftssitz und Firmenstruktur so aufsetzen, das man ihnen nicht an die Wäsche kann”, befürchtet Klemann. Die härtere Gangart bei der Rufnummernunterdrückung werde den Firmenchefs mit krimineller Energie nur ein müdes Lächeln entlocken. „Es ist aus technischer Sicht ein leichtes – und obendrein schon jetzt gängige Praxis unseriöser Firmen – eine andere Rufnummer als die eigene zu übermitteln. Läge die Beweislast im Falle einer Anzeige durch den Verbraucher beispielsweise beim Call Center selbst, würden alle seriösen Anbieter von sich aus gerne eine umfassende Qualitätssicherung und Dokumentation mit Anrufaufzeichnung einführen”, sagt Klemann.
Es könne nicht Aufgabe der Bürger sein, semi-professionelle Recherchen in der Call Center-Landschaft zu betreiben. Gerade ältere Menschen seien damit hoffnungslos überfordert. „Außerdem ist es gängige Praxis, dass aufgelegt wird, sobald der Angerufene detaillierte Angaben zum Unternehmen und zum Agenten haben möchte. Ist dann noch die Rufnummer unterdrückt – wovon in diesem Fall ausgegangen werden kann – ist die Handlungsanweisung des Justizministeriums schlicht und ergreifend absurd”, bemängelt Steimel. Ins Leere gehe auch das Verbot unerlaubter Telefonwerbung für Anrufe, die aus dem Ausland kommen. Im Wettbewerbsrecht gelte zwar das Marktortprinzip. Es besagt, dass immer das Recht des Landes Anwendung findet, an dessen Markt die Leistung bestimmungsgemäß angeboten wird. „Da bekommt der Geschäftsführer einer verschachtelten Konstruktion von verschiedenen Limited-Gesellschaften, die über mehrere Länder verteilt ist, schon heute einen Lachanfall”, resümiert Klemann.