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Wenn Führungskräfte zu Gartenzwergen schrumpfen #SocialCEO #NEO17x

spiesser

Im Autorengespräch mit Kerstin Hoffmann erörterte ich die Gründe für die Schwierigkeiten von Führungskräften, im Social Web aktiv zu werden. Bei Konzernen gibt es ja bekanntlich fast einen Totalausfall – mit ganz wenigen Ausnahmen. Kontrollverlust-Ängste spielen dabei eine Rolle, Unerfahrenheit beim Einsatz von digitalen Werkzeugen und die nicht totzukriegende Antwort, Social Media sei ein Zeitfresser.

Vielleicht liegen die Ursachen für die digitale Diätkost in den Vorstandsetagen tiefer. Wolf Lotter beleuchtet sie in seinem Prolog in der März-Ausgabe von brandeins:

„Alles bleibt, wie es ist, nur mit Internetanschluss.“

Dafür steht auch das elende Kürzel 4.0. Leerformel-Geschwätz zur Systemerhaltung – „ein Spießercode“, so Lotter:

„Der Wissensarbeiter wacht in einem Unternehmen und in einem Staat auf, der für die Fabrikgesellschaft entwickelt wurde, und Parteien und Institutionen, die im Schatten des Schornsteins erdacht wurden, erklären ihm die Welt.“

Fast überall trifft man auf „Vorgesetzte“, die eigentlich viel weniger wissen als ihre Mitarbeiter, ihnen aber qua Amt ständig sagen, wo es langgeht. So zitiert Lotter den IG-Metall-Berater und Informatiker Ulrich Klotz. Was von oben kommt, sind häufig hohle Befehle einer Positionselite, die ohne Positionen zu kleinbürgerlichen Gestalten schrumpfen. Zu bewundern an gescheiterten Heroen des Managements wie Martin Winterkorn oder Thomas Middelhoff. Als Symbol dieser aalglatten Ikonen rhetorischer Nichtigkeit sehe ich Johann Holtrop, die Hauptfigur im gleichnamigen Roman von Rainald Goetz. Das Werk ist ein erschreckendes Panoptikum der Wirtschaftselite. Holtrop ist auswechselbar. Ein Schnösel und Wichtigtuer, der sich mit abgedroschenen Plattitüden durchs Leben boxt. Er erzählt überall zusammengelesenes, letztlich nur nachgeplappertes Zeug. „Holtrop selbst merkte nicht, wem er was nachplapperte, wo er sich bediente und von wem er was übernommen oder gestohlen hatte“ , so Goetz.

Jämmerliche Söldner meiden die Nahbarkeit

Durch diese Defizite entstand die besondere mimetische Energie, „die Holtrop das von außen anverwandelte, was ihm fehlte.“ Er implantierte der Außenwelt seine Ideen, indem er sie kopierte und zugleich so manipulierte, dass sie seine Ideen für ihre eigenen hielten – ein begnadeter Blender. Und diese Blender haben es schwer, sich offen und nahbar im Social Web zu bewegen. Es sind jämmerliche Söldner, die der Schweizer Publizist Frank A. Meyer so herrlich aufs Korn nimmt.

„Sie verfügen nicht über Produktionsmittel, sie stehen nicht mit eigenem Kapital in der Verantwortung, ihre gesellschaftliche Position entspricht der von Kleinbürgern: nicht unten, aber auch nicht wirklich oben.“

Unkultivierte Typen und neureiche VIPs, die ohne Positionen wieder zu Gartenzwergen schrumpfen. So eine neofeudal gestimmte Luxusclique, die ihre Kinder in der Potsdamer Luxus-Kita „Villa Ritz“ für eine Monatspauschale von mindestens 1.000 Euro (ein Schnäppchen) unterbringt, muss sich abschotten.

„Wer sich global wie lokal so behütet, so getrennt vor der wirklichen Wirklichkeit durch den eigenen Lebensfilm bewegt, dem fehlt die Lust am Engagement für die ferngerückte Gemeinschaft“, schreibt Meyer.

Deshalb ist die Suche nach den Social-CEOs in der Deutschland AG auch sinnlos. Das passt nicht zum Mindset der Teleprompter-Topmanager. Ausführlich in meiner Netzpiloten-Kolumne nachzulesen.

Die neureichen Vulgärkapitalisten wollen wir bei unserem nächsten netzökonomischen Käsekuchen-Diskurs thematisieren. Am Freitag, 24. März, um 16 Uhr in Bonn-Duisdorf. Open Space-Prinzip – jeder kann mitmachen. Anmeldungen über die Facebook-Eventseite.

Über die Vermögenden in Deutschland sollten wir uns wirklich keine Sorgen machen.

Tröstlich: “Wir verstehen soziale Medien immer noch nicht wirklich”

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

1 Kommentar zu "Wenn Führungskräfte zu Gartenzwergen schrumpfen #SocialCEO #NEO17x"

  1. Hat dies auf http://www.ne-na.me rebloggt.

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