Zwangsbefragung namens Mikrozensus und die Zwangsmaßnahmen gegen auskunftsunwillige Bürger: Widerspruch nicht möglich #NRW

Mikrozensus

Ein Prozent der Bevölkerung wird angeblich nach einer Zufallsstichprobe ausgewählt, um recht umfangreiche Angaben zur Lebenssituation zu machen. Einkommen, Arbeitslosigkeit, Höhe der Einkünfte und, und, und. Schlappe 186 Fragen muss man nach einem recht umständlich konzipierten Antwortschlüssel ausfüllen.

Das Fragebogen-Design macht der staatlichen Bürokratie alle Ehre. Aus jeder Zeile springt einem umständlicher Verwaltungsjargon entgegen. Redundanzen findet man auf fast jeder Seite. Ich weiß nicht, wie viele Amtsräte, Justiziare und Statistiker an diesem Fragebogen gebastelt haben – von Demoskopie haben diese Verwaltungsleute wohl keine Ahnung.

Mirkozensus-Verwaltungsmonster
Mirkozensus-Verwaltungsmonster

Wie ich in das Raster für die Befragung gekommen bin und ob das Auswahlverfahren wirklich auf einer Zufallsstichprobe beruht, kann von mir nicht nachgeprüft werden. Alles wird über den Verweis auf irgendwelche Paragrafen des Mikrozensus-Gesetzes, des Bundesstatistik-Gesetzes und der EG-Verordnung des Rates zur Durchführung einer Stichprobenerhebung im schönsten Juristen-Deutsch „erläutert“. Angeblich werde auch der Datenschutz sicher gestellt – „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“. Auch da müsste man sich durch einen Wust von Paragrafen arbeiten, um nur ansatzweise zu verstehen, wie die sehr persönlichen Angaben anonymisiert verarbeitet werden – und die gehen sehr weit über das hinaus, was man in sozialen Netzwerken über sich preisgibt – wo die staatlichen Datenschützer sich doch in schöner Regelmäßigkeit über Facebook & Co. echauffieren.

Ob meine Angaben nicht doch personalisiert ausgewertet werden können über die Ordnungsnummer, die in den mehrjährigen Befragungswellen gleich bleibt, kann von mir ebenfalls nicht geprüft werden. Das ist schlichtweg eine Glaubensfrage.

Und jetzt kommt der schönste Teil der Massen-Abfrage. Wer den Fragebogen nicht ausfüllt, bekommt ein Zwangsgeldverfahren an den Hals.

Im Anhang des Fragebogens steht allerdings: „Nach § 15 Absatz 6 BStatG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung keine aufschiebende Wirkung.“

OK. Keine aufschiebende Wirkung. Aber was ist mit der Widerspruchsmöglichkeit, frage ich heute telefonisch meine zuständige Sachbearbeiterin von IT.NRW. Das könne sie nicht sagen. Sie müsse mich mit der Rechtsabteilung verbinden. Der Verwaltungsjurist belehrte mich dann abermals, dass es keine aufschiebende Wirkung gebe. Das sei mir bekannt, erwiderte ich und wurde mir nun schon mehrfach mitgeteilt. Aber welche generelle Widerspruchsmöglichkeit habe ich denn?

In NRW gebe es das Widerspruchsrecht nicht, sagte mir der Verwaltungsjurist. Aber wie könne ich denn meinen Unwillen bekunden gegen die Ausforschung des Bürgers und der unzureichenden Bereitschaft des Staates, meine Daten gegenüber inländischen und ausländischen Geheimdiensten zu schützen?

Antwort: Sie müssen erst das Zwangsgeldverfahren abwarten und können dann vor dem Verwaltungsgericht klagen.

Dann fallen bei mir aber Kosten an und die Verfahren bei Verwaltungsgerichten laufen erfahrungsgemäß nicht so fix ab. Eine Widerspruchsmöglichkeit fällt also für Bürgerinnen und Bürger in NRW weg?

Der Verwaltungsjurist legte dann wieder seine Schallplatte über den Klageweg auf.

Faktisch handelt es sich um eine undurchsichtige Zwangsbefragung. Wer keine Auskünfte erteilt, wird bestraft und könnte sich nur mit einem kostspieligen Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht wehren. Wer könnte sich das denn leisten? Man ist wehrlos.

Die Propaganda der Sicherheitsgichtlinge

Sicherheitsgichtlinge

Die Rabulistik der Vertreter eines sicheren und starken Staates ist immer gleich. Und es sind die üblichen Verdächtigen, die jedes Ereignis nutzen, um für mehr Kontrollen und Überwachung zu plädieren. In der Regel kommen sie aus der CSU und meistens heißen sie Uhl, Herrmann und Friedrich. Terroranschläge wie in Boston sind widerlich und für die betroffenen Menschen grausam. Offene Gesellschaften sind angreifbar und verletzlich. Aber es sind singuläre Ereignisse, die nicht für eine Demontage von Freiheitsrechten instrumentalisiert werden sollten.

Politisch funktioniert das in Deutschland leider wie ein Uhrwerk – demoskopisch ist das sehr gut erforscht. Je dramatischer die Sicherheitslage dargestellt wird, desto einfacher ist es möglich, unter Berufung auf die Sicherheit einen großen Teil der Bevölkerung von der Notwendigkeit massiver Eingriffe in die Freiheitsrechte des Einzelnen zu überzeugen. Allensbach hat folgende Frage gestellt: „Einmal unabhängig davon, ob das tatsächlich verboten ist oder nicht: Was meinen Sie, was sollte der Staat in jedem Fall verbieten, wo muss der Staat die Menschen vor sich selbst schützen?“

Rund 60 bis 80 Prozent nennen eine ganze Latte an Verboten, die weiter gehen als derzeit vom Gesetzgeber gewünscht. Selbst vom Grundgesetz garantierte elementare Grundrechte werden dann infrage gestellt, sobald der Eindruck entsteht, dass ihre Einschränkung der Verwirklichung größerer Sicherheit dienen könnte. Genau diese Instinkte bedienen die politischen Sicherheitsgichtlinge.

Die Adepten des Schnüffelstaates, des Schutzes und der totalen Fürsorge bedienen sich aus der semantischen Trickkiste von Thomas Hobbes: Der Mensch ist per se böse und gefährlich. Und Gefährlichkeit impliziert Herrschaftsbedürftigkeit. Freiheit kann es nicht ohne Risiko geben, stellte hingegen Max Weber fest.

Wer Freiheit vom Risiko verspricht, betreibt einen Kult der Sicherheit. Doch wer frei von Risiko leben will, gewinnt keine Sicherheit, sondern opfert seine Freiheit.

Siehe auch:

Die Widerwärtigkeit des Hans-Peter Uhl.

Bestandsdatenauskunft: Bundesrat-Innenausschuss empfiehlt Zustimmung zu Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür.

Anschlag in Boston: FBI hatte Tamerlan Zarnajew schon 2011 im Visier.

Innenminister Friedrich für mehr Videoüberwachung in Deutschland.

Street View-Einspruchsfrist läuft ab – Wie steht es mit den Einspruchsmöglichkeiten bei staatlichen Geodaten?

Um Mitternacht läuft die Einspruchsfrist gegen die Erfassung in Googles Street-View-Dienst für die Bewohner der 20 größten Städte Deutschlands ab. Nach einem Bericht von Spiegel Online sieht die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner großzügiger Weise keine Notwendigkeit mehr für Gesetze gegen solche Dienste: Die Wirtschaft solle das selbst regeln. Etwas anders sieht es der Hardliner Johannes Caspar, Datenschutzbeauftragter von Hamburg. Er hält die Pläne der Bundesregierung zum Datenschutz bei Geodiensten für nicht ausreichend. Der „Berliner Zeitung“ sagte er: „Eine freiwillige Selbstverpflichtung reicht nicht aus. Der Staat darf nicht nur Eckpunkte vorgeben, er muss klare Regeln aufstellen und durchsetzen.“ Gut gebrüll, Caspar. Gelten diese Regeln dann auch für den Staat?

Welche Einspruchsmöglichkeiten sind beispielsweise den Bürgern in NRW eingeräumt worden beim Geodaten-Projekt des Instituts für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn? Hier wurden flächendeckend dreidimensionale Geodaten über Geländebeschaffenheit, Gebäude, Straßen und Schienen aufgenommen. Auftraggeber des Projekts war das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Informiert wurde ich über diese Geschichte nicht.

Was ist denn beispielsweise hier für die Stadt Bonn geplant? Ist irgendwie noch im Aufbau, sieht aber auch für eine 3-D-Darstellung der Stadt aus?

Was leistet der Geoserver?

Der Pressestelle des NRW-Umweltministeriums habe ich jetzt jedenfalls auch ein paar Fragen gestellt.

….nach Informationen der Uni Bonn, ist das Bundesland NRW komplett in 3D erfasst worden. Siehe: http://ichsagmal.com/2010/10/06/staatliches-google-street-view-projekt-hoch-drei-nrw-in-3d/. Auftraggeber war das Umweltministerium.
Hatten die Bürger Einspruchsmöglichkeiten bei diesem Projekt? Und wenn nein, welche Möglichkeiten haben NRW-Bürger, sich gegen die Darstellung ihrer Gebäude oder Grundstück zu wehren? Gibt es eine Möglichkeit zur Verpixelung wie bei Google Street View?

Über eine kurzfristige Beantwortung meiner Fragen würde ich mich freuen.

Mal schauen, ob die Antworten ähnlich ausweichend ausfallen wie beim Bundesinnenminister und der Stadt Bonn.

Staatliches Google Street View-Projekt hoch drei: NRW in 3D

Dirk Schumacher vom Bonner Presseblog hat mich gerade auf eine Pressemitteilung der Uni Bonn aufmerksam gemacht, die bereits im April veröffentlicht wurde.

Hier der vollständige Text: Nordrhein-Westfalen gibt es im Internet jetzt auch in „3D“: Erstmals stellt das Land flächendeckende dreidimensionale Geodaten über Geländebeschaffenheit, Gebäude, Straßen und Schienen im Internet bereit. Die Webdienste für das neue Angebot wurden unter Leitung des Instituts für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn aufgebaut. Auftraggeber des Projekts war das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, das diese Dienste erstmals eingesetzt hat, um Daten verschiedener Landesbehörden für die Lärmkartierung gemäß EG-Umgebungslärmrichtlinie in einem einheitlichen Modell zusammenzuführen und zu nutzen.

Die für die Umgebungslärmkartierung aufgebaute Service-Architektur ist laut Projektleiterin Angela Czerwinski der erste großflächige Anwendungsfall für eine komplexe 3D-Geodateninfrastruktur in Europa. Professor Dr. Lutz Plümer ergänzt: „Die bedeutendste Neuerung ist, dass erstmals landesweite 3D-Geodaten über einheitliche Standards bereitgestellt werden.“ Alle Daten der Web-Services seien in einem einheitlichen Datenformat verfügbar, das auf dem Geodatenstandard CityGML beruht, der am Institut für Geodäsie und Geoinformation entwickelt wurde. Daten können so leicht in andere Systeme übertragen werden. Die bereitgestellten 3D-Geodaten sind außerdem langfristig einsetzbar und aktualisierbar.

Erstes Einsatzgebiet der dreidimensionalen NRW-Geodaten ist die Kartierung von Umgebungslärm gemäß der neuen EG-Umgebungslärmrichtlinie. Diese EG-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten die Lärmbelastung in Ballungsräumen und für besonders laute Straßen, Schienen und Flughäfen zu ermitteln und in Lärmkarten darzustellen. Auf dieser Grundlage sind anschließend Aktionspläne zu erarbeiten. In Nordrhein-Westfalen erstellt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW die Lärmkarten außerhalb der Ballungsräume. Das Landesamt führt hierzu komplexe Lärmausbreitungsrechnungen durch auf der Grundlage von Geometrie und Sachdaten, die das Landesvermessungsamt NRW und der Landesbetrieb Straßenbau NRW beim Landesamt für Daten und Statistik NRW bereitstellen.

Die Lärmkartierung ist die Pilotanwendung, um Datenströme verschiedener Stellen über Dateninfrastrukturen abzuwickeln. Dies spart Kosten bei der Datenbeschaffung und -integration und führt gleichzeitig zu einer flexiblen und zukünftig erweiterbaren Lösung. Hierfür haben die Bonner Geowissenschaftler nun die Grundlage geschaffen.

Die nun verfügbaren Lärmdaten liefern nicht nur Behörden wichtige Informationen über die Lärmbelastung. So können auch Häuslebauer und Immobilienkäufer bequem über das Internet auf Lärmdaten zugreifen; die Datendienste liefern ihnen wertvolle Informationen und Entscheidungshilfen.

Die dreidimensionalen Geodaten können in Zukunft auch für andere Bereiche genutzt werden: So könnten sie schon bald zur Hochwasser-Simulation dienen und den Kommunen bei der Aufstellung von Katastrophenschutz-Plänen helfen. Auch Stadt- und Straßenplaner werden künftig auf die zentralen Daten zugreifen können, wenn es um die Verringerung der Belastung mit Abgasen und Feinstaub geht, die Führung von Verkehrsströmen und die Planung neuer Wohn- und Gewerbegebiete. Für das Ruhrgebiet wurden die Daten bereits für die Erstellung einer Übersicht Luft belastender Stoffe an Straßen genutzt. In der Telekommunikation werden 3D-Geodaten schon heute zur Optimierung der Mobilfunknetze eingesetzt. Ende der Pressemitteilung.

Es stehen dem Staat also Geodaten über Geländebeschaffenheit, Gebäude, Straßen und Schienen im Internet zur Verfügung. Wo bitte ist der Unterschied zum Google Street View-Projekt? Der einzige Unterschied ist wohl die mangelhafte Transparenz des NRW-Projektes. Da wurde doch überhaupt nicht groß in der Öffentlichkeit diskutiert, geschweige denn Musterbriefe zum Widerspruch an Hausbesitzer in NRW geschickt, wie es der Bonner Oberbürgermeister praktiziert hat.

Ich frage, der Bundesinnenminister antwortet….nicht ganz auf meine Fragen

Das Frageportal zum Thema „Digitalisierung von Stadt und Land – Chancen und Grenzen von öffentlichen und privaten Geodatendiensten“ des Bundesinnenministeriums ist abgeschlossen. Zahlreiche Fragen haben das Ministerium erreicht. Die Bürgerinnen und Bürger hatten anschließend die Möglichkeit für die Frage zu stimmen, die der Minister am dringlichsten beantworten soll.

Drei Fragen haben das Rennen gemacht – meine Frage landete wohl auf dem ersten Platz: Der Minister hat diese Fragen in einer Videobotschaft beantwortet. Und ich habe das natürlich direkt wieder aufgegriffen und antworte dem Innenminister auf seine Antworten:

Da gibt es also noch Klärungsbedarf, Herr Minister. Oder wie es Bertolt Brecht formulierte: “Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.” Die Stadt Bonn hat mir übrigens noch nicht geantwortet auf die konkreten Anwendungsfelder der Behörden.