
Vorbereitungen auf das Autorengespräch am Mittwoch.

Die Herausforderungen, denen sich die öffentliche Verwaltung stellen muss, sind immens. So hat z. B. die Corona-Pandemie starke Digitalisierungsdefizite aufgezeigt, die sich nicht nur auf die Kontaktnachverfolgung und die Meldungen der Neuinfektionen beziehen, sondern auch die Notwendigkeit betreffen, Verwaltungsabläufe mithilfe von modernen IT-Systemen neu zu definieren und sie für Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Beschäftigten gebrauchstauglicher zu gestalten.
Der technische Modernisierungsrückstand ist groß und es zeichnet sich in den nächsten Jahren keine durchgreifende Veränderung ab. Der Erneuerungsprozess droht zwischen Zuständigkeiten, Planungsräten und dem Datenschutz unter die Räder zu kommen oder sich doch erheblich zu verlangsamen. Es werden zwar immer wieder Fortschrittserfolge kommuniziert, die sich aber beim näheren Hinsehen als brüchig erweisen.
So gibt das Bundesministerium des Innern zwar im sogenannten OZG-Dashboard unter http://www.onlinezugangsgesetz.de an, es seien schon 315 der 575 Leistungen nach Onlinezugangsgesetz (OZG) online verfügbar. Schaut man aber genauer hin, so bedeutet dies, dass sie mit dem Reifegrad 2 verfügbar sind. Dies heißt: „Eine OZG-Leistung gilt als online, wenn mindestens eine zugehörige Verwaltungsleistung den Reifegrad 2 erreicht hat (und im Digitalisierungsprogramm Föderal in mindestens einer Kommune verfügbar ist).“ Eine Online-Beantragung ist dann zwar grundsätzlich möglich. Aber: „Nachweise können regelmäßig noch nicht online übermittelt werden“.
Zudem soll es wohl zu einer Gesetzesänderung kommen: Das Bundesinnenministerium zieht nach einem Handelsblatt-Bericht Konsequenzen aus der bisher schleppenden Behörden-Digitalisierung in Deutschland: „Nachdem Bund und Länder ihr selbst gestecktes Ziel verfehlt haben, bis Ende 2022 Hunderte Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren, soll es nun keinen Zeitplan mehr für die Bereitstellung eines digitalen Angebots für Bürger und Unternehmen geben.“
Ein noch tieferer Grund besteht im traditionellen Verwaltungsmodell, das Max Weber (1864–1920) in seiner Bürokratietheorie beschrieben hat und dem heute alle öffentlichen Verwaltungen folgen. Verkürzt wird es als „Webersches Modell“ bezeichnet.
Es begründet und beschreibt die Idee der Rechtsförmigkeit, Verlässlichkeit und Stabilität öffentlichen Verwaltungshandelns und -entscheidens.
Modernes Managementhandeln folgt der Idee der Veränderungsfähigkeit, ständigen Anpassung und Innovation.
Das Ziel von Agilität ist, durch Vernetzung (Teams), Offenheit (Austausch) und Nutzung von Partizipation (Einbeziehung der Beteiligten) in der Lage zu sein, schnell die Richtung des Organisationshandelns ändern zu können. Dabei wird von den tatsächlichen Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden, der Bürgerinnen und Bürger ausgegangen. Die praktizierte Vorgehenslogik lautet: Develop, try, fail, retry, fail again, retry, succeed. Man spricht auch vom „klugen Scheitern“ oder vom „gescheiten Scheitern“. Ein Kernelement agilen Handelns ist also Fehlerfreundlichkeit, Scheitern wird zugelassen, um daraus lernen zu können. Strebt man unbedingt an, direkt die Lösung zu erreichen, so beraubt man sich der Möglichkeit, klüger zu werden.
Agil orientierte Beschäftigte glauben an die Fähigkeit, sich über Leistungen und Anstrengungen weiter entwickeln zu können. Sie gehen davon aus, permanent zu lernen.
Das ist doch schlichtweg in Behörden nicht der Fall. Schon allein die leistungsorientierte Bezahlung ist ein Witz – mal abgesehen von der Abkürzung LOB. Klingt wie eine Prämie fürs Schleimen: Zunächst wird man vom direkten Vorgesetzten an Hand eines ein Jahr vorher verabredeten Kriterienkatalogs, der z.B. auch abrechenbare Zielvereinbarungen enthalten kann, bewertet. Dabei kommt eine Bewertungszahl zwischen 0 (ganz schlecht) und 4 (Nobelpreisträger) heraus. Eine durchschnittliche Bewertung hat – warum im Detail auch immer – den Wert 2,5. Dafür bekommt man dann am Jahresende genau die Durchschnitts-LoB-Prämie, derzeit 1,25% vom Jahresbrutto, Tendenz steigend. Es gibt mehrere Ausgleichsmechanismen, um die durchschnittlichen Kennziffern von Abteilungen oder Gruppen eines Instituts und unter den Instituten auszugleichen. Ersteres liegt in der Verantwortung der Institutsleiters, letzteres wird nach einem vorgegebenen Algorithmus von PMA berechnet. Ausserdem wird je nach Entgeltgruppe zwischen drei Beschäftigungsgruppen unterschieden, die jeweils separat geLoBt werden.
Nun wieder zum Buch:
Treiber der Veränderung und Anlass für Agilität: Gesetzliche Anforderungen an die Praxis und Stand der Entwicklungen am Beispiel des Treibers „Digitalisierung“ führen zu steigender Komplexität. Kurz beschrieben sollen hier drei Beispiele angeführt werden, womit sich die öffentliche Hand an konkreten Umsetzungsprojekten zum derzeitigen Stand beschäftigt.
Zum Ersten soll die Umsetzung der Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG) angeführt werden. Auf Bundesebene sollen hier 575 sogenannte „Leistungsbündel“ als Online-Dienstleistungen bis zum Ende des Jahres 2022 umgesetzt werden. Unter diesen „Bündeln“ verbergen sich, in Themenfelder (z. B. Bildung, Umwelt, Recht und Ordnung) gestaffelt, über 6000 Verwaltungsdienstleistungen, die es neben dem persönlichen Kontakt auch online bereitzustellen gilt. Hinsichtlich der Handhabbarkeit der Dienste ist hier besonderes Augenmerk darauf zu richten, welche entsprechend vom Nutzer her gedacht werden sollen. Hierzu kann die Ausrichtung am Service Design und den darunter gefassten Denkansätzen, Handlungsanstößen und konkreten Methoden zielführend vor allem für Kommunen sein. Großprojekte wie Verkehrsinfrastruktur, Kultureinrichtungen oder Städteentwicklung können durch Kommunikationsplattformen sowohl in der Koordination mit allen Beteiligten als auch über Dashboards auf mobilen Endgeräten für den Bürger für Transparenz sorgen.
Seit mehreren Jahrzehnten wird an sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) geforscht. Um maschinelles Lernen entwickeln zu können, benötigt es neben einer optimierten Mustererkennung nach heutiger Auffassung einer „Deep Learning“-Implementierung, um Schlussfolgerungen aus Datenanalysen ziehen zu können. Diese aus den menschlichen neuronalen Netzen abgeleitete Optimierung von Prüfmechanismen schafft durch Fallabgleiche die Reduzierung von Fehlerquoten in der maschinellen Informationsverarbeitung. So werden etwa Chatbots, Notfallsysteme oder auch Entscheidungsvorlagen für Gremien im öffentlichen Dienst mit individueller Situationsanalyse durch die KI unterstützt bzw. komplett eigenständig geleistet.
Schmeißt übrigens die Osborne-Frey-Studie in die Tonne in der Hochschullehre.
Die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger stehen also vor der Herausforderung einer disruptiven Modernisierung von Staat und Verwaltung, indem auch ethische Fragen zum Einsatz smarter Objekte und künstlicher Intelligenz in sinnvollen Einsatzfeldern beantwortet werden müssen.
Zudem sollte endlich mal angefangen werden mit sinnvollen Lösungen. Siehe auch: „Wir haben die Werkzeuge, aber nicht genügend Daten“: Gerichtsurteile müssen nicht veröffentlicht werden.
HR-Leadership-Panels von Rochus Mummert, welches 180 Unternehmen zur Zufriedenheit mit Leadership per Online-Fragebogen befragt hat, aktuell auf einem dürftigen Stand an Zuversicht (explorativ-qualitatives Forschungsdesign). Es wird von über der Hälfte der Befragten (57 %) eine mangelnde Fähigkeit von Führungskräften zur kurzfristigen und schnellen Anpassung an Veränderungen konstatiert. Es fehle generell über alle Berufsbranchen hinweg außerdem an visionären Persönlichkeiten zur Bildung einer strategischen Doppelspitze aus Leadership und Management. Allein mit den aktuell vorwiegend in der Rolle als analytischer Managerinnen und Manager auftretenden Regulierern in Behörden kann eine aktive Gestaltung der Zukunft nicht angegangen werden. Das Führungsleitbild kann damit nicht mehr vorwiegend als Umsetzer von Vorgaben definiert werden.
Modernes HR-Management:
Das Zukunftspanel Staat und Verwaltung basiert auf einer weitgehenden Vollerhebung der allgemeinen öffentlichen Verwaltung in Deutschland und umfasst sowohl die Bundes-, Landes- als auch die kommunale Ebene. Die vier Herausforderungsbereiche mit dem größten Handlungsbedarf innerhalb der nächsten fünf Jahre sind demnach (vgl. Wegweiser Research & Strategy & Hertie School of Governance, 2019): Weiterentwicklung E-Government und Digitalisierung, Demografie-orientierte Personalpolitik, Attraktivität als Arbeitgeber, Stärkung der IT-Sicherheit.
Skill-Framework:
Technologische Fähigkeiten sind Fähigkeiten, die für die Gestaltung von transformativen Technologien notwendig sind. Dazu gehören etwa der Umgang mit neuen Technologien wie z. B. Blockchain oder die Fähigkeit zur Analyse komplexer Daten.
Digitale Schlüsselqualifikationen sind Kompetenzen, die erforderlich sind, um sich in einer digitalisierten Umwelt grundsätzlich zurechtzufinden und daran aktiv teilzunehmen. Beispiele dafür sind etwa die digitale Wissenserschließung (digital gestütztes Lernen), der informierte Umgang mit Daten im Netz (Digital Literacy) sowie die Fähigkeit zum kollaborativen Arbeiten.
Nichtdigitale Schlüsselqualifikationen sind Fähigkeiten wie Adaptionsfähigkeit, Kreativität oder Durchhaltevermögen, die laut der Studie in Unternehmen in den kommenden Jahren im Arbeitsleben an Bedeutung zunehmen werden
Folgende Aspekte heben die Experten dabei für Kommunalverwaltungen hervor: Aufgrund von Digitalisierungsprozessen wird es bis 2030 den Publikumsverkehr in der heutigen Form nicht mehr geben. Verwaltungsstudium und die Weiterbildung sollten mehr Informatikkompetenzen in Verbindung mit Verwaltungswissen vermitteln. Die Arbeitsaufgaben werden flexibler werden, während das Personal insgesamt abnimmt. Dieses erfordert eine zunehmende Flexibilität der Beschäftigten. Sie müssen systematisch auf Aufgaben- und Arbeitsplatzwechsel vorbereitet werden. Komplexere Aufgaben und eine veränderte Personalstruktur wird die Bedeutung von Kooperationen mit privaten Dienstleistern erhöhen. Kooperationsmanagement als Kompetenz wird wichtiger. Datenschutz als Querschnittsaufgabe muss alle Digitalisierungsmaßnahmen flankieren und auch dringend in der Breite der Mitarbeiterschaft geschult werden.
Bei den Bürgerinnen und Bürgern entsteht die Erwartung, dass die Verwaltung nach dem One-Stop-Government-Prinzip arbeitet. Die Ansprüche an die Leistungen der Verwaltung steigen. Durch die Digitalisierung ergibt sich die Erfordernis zu mehr interkommunaler Zusammenarbeit und stärkerer Zentralisierung von Verwaltungsleistungen (Normierung der digitalen Angebote). Auf der anderen Seite entsteht Wettbewerb zwischen Kommunen. Die Künstliche Intelligenz kann einfache Fälle bearbeiten und nimmt Sachbearbeiterinnen und -bearbeitern Entscheidungen ab. Den Beschäftigten bietet sich die Chance, ortsunabhängig zu arbeiten. Bei der Arbeit müssen zunehmend IT-Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen flexibler hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeit sowie in Bezug auf den Aufgabeninhalt arbeiten. Die Fähigkeit, sich schnell in neue Aufgaben einzuarbeiten, gewinnt an Bedeutung. Beschäftigte sind häufiger damit konfrontiert, Prozesse zu gestalten, das bedarf der Fähigkeit zur Prozessgestaltung. Routinetätigkeiten werden automatisiert, die Beschäftigten sind mit den anspruchsvolleren Tätigkeiten konfrontiert. Dadurch steigt der psychische Druck. Vertiefte Beratungskompetenz aufgrund der Bearbeitung schwieriger Fälle ist vermehrt erforderlich. Ein grundlegendes Verständnis von digitalen Tools, deren Anwendung und Modifikation wird zwingend erforderlich.
Kompetenzen, die für die technischen Veränderungen der Digitalisierung wichtiger werden, sind die sogenannten Digitalkompetenzen. Damit sind laut der Expertinnen und Experten Kompetenzen von zwei Typen gemeint, a) die Digitalspezialisten, die technische Geräte entwickeln, Software programmieren und Systeme pflegen und b) die Digitalgeneralisten, die Kompetenzen für die Anwendung von Programmen und Applikationen benötigen, die Nutzungsanpassungen an Anwendungen vornehmen und die grundlegende Arbeitsweise von Algorithmen begreifen können müssen. Weiter besteht Bedarf für erweiterte Datenkompetenz, das heißt der Umgang mit großen Datenmengen, die Auswertung anhand statistischer Prozeduren und darüber hinaus die qualitative Interpretation von Bedeutungszusammenhängen von Datensätzen. Auch der Datenschutz erfordert generalistische Grundkompetenzen, die zuvor nur Rechtsexperten vorbehalten waren.
Im Hinblick auf die Kompetenzen einer digitalen Verwaltung verzeichnet man zur Zeit eine doppelte Kompetenzlücke.
Zum einen fokussieren aktuelle Kompetenzmodelle für E-Government auf IT-Rollen als die für eine IT-gestützte Verwaltungsmodernisierung zuständigen Spezialisten. Unter der Bezeichnung E-Kompetenzen werden hierbei primär spezielle technikzentrierte Kenntnisse und Fähigkeiten betrachtet, wobei Methoden- und Sozialkompetenzen zur Entwicklung und Einführung technischer Lösungen inkludiert werden. Wenig Berücksichtigung finden allerdings digitale Kompetenzen, die auf Fachseite von Verwaltungsbehörden dringend benötigt werden, um unter Betonung von Innovations-, Kollaborations- und Agilitätsaspekten aktiv am fortwährenden digitalen Wandel teilzuhaben und die Digitalisierung der Verwaltung über alle Ebenen und in der gesamten Breite voranzutreiben.
Zur Schließung dieser Lücke schlagen die Autoren dieses Kapitels ein erweitertes Kompetenzmodell für die digitale Verwaltung vor, welches sich als Weiterentwicklung bisheriger E-Government-Kompetenzmodelle unter Integration spezifischer Digitalisierungsaspekte versteht.
Zum anderen lässt sich in den Ergebnissen der Stellenanzeigenanalyse erkennen, dass diese digitalen Kompetenzen in aktuellen Stellenanzeigen für fachliches Verwaltungspersonal mit einer relativen Häufigkeit von unter einem Prozent so gut wie gar nicht nachgefragt werden.
Dies könnte im besten Fall mit der Verwendung ungeeigneter Fachbegriffe bei der Datenanalyse begründet sein, nach anderer Lesart aber auch darauf hindeuten, dass bei der Personalgewinnung für die öffentliche Verwaltung digitalen Kompetenzen wenig oder keine Relevanz für die Durchführung fachlicher Verwaltungsaufgaben beigemessen werden.
Wie schaut es denn mit dem Open-Source-Ansatz aus, um an digitale Expertisen zu gelangen? Oder via Open Government?
Anwendungsfeld von KI bei Gerichtsurteilen:
Wie bekommt man es hin, ohne Data Science-Fachexpertise mit großen Datenbeständen zu arbeiten? Diese Frage stellte Stefan Mück (IBM) bei einem Interview im Cebit-Livestudio in Hannover.
Für den juristischen Sektor geht es um nichts geringeres als um die Demokratisierung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz. Man könnte auch von Waffengleichheit in Rechtskonflikten sprechen, wenn beispielsweise Kleinunternehmer gegen Konzerne und ihre gigantischen Kanzleien antreten. Rechtsanwalt Michael Friedmann verweist auf den Erfolg seiner Plattform frag-einen-anwalt.de.
Flatrate für Rechtsfragen mit Watson kombiniert
Mit einer Flatrate von 80 Euro im Monat können die Nutzer so viele Rechtsfragen stellen, wie sie wollen. Damit das funktioniert, braucht man Künstliche Intelligenz. „Wir müssen die Anwälte, die bei unserem Dienst mitmachen, dabei unterstützen, Fragen möglichst präzise und schnell zu beantworten. Und hier kommt IBM Watson ins Spiel. Das System schlägt den Anwälten Antworten vor und führt so zu einer Zeiteinsparung von 50 Prozent.“ Der Umgang mit größeren Datenmengen sei wichtig für eine Verbesserung der Rechtsberatung, betont Dirk Hartung, Executive Director Legal Technology bei der Bucerius Law School. Beispielsweise im Mietrecht, wo es sehr unterschiedliche Konstellationen gibt und ein Zugriff auf möglichst viele Fakten sinnvoll ist. Problem:
99 Prozent der Urteile landen nicht in digitalen Formaten
„So einfach ist es nicht, an die Gerichtsurteile zu kommen“, moniert Hartung. Im Zivilrecht seien es 1,5 Millionen Urteile im Jahr. Selbst die größten kommerziellen Datenbank-Anbieter erfassen das nicht. „99 Prozent der Urteile finden ihren Weg nicht in digitale Formate, sondern werden nur von Anwälten oder Gerichten im Einzelfall abgerufen.“
Die Gerichte haben das Problem, dass sie das überwiegend mit menschliche Arbeitskraft bewältigen müssen. Größte Hürde: Die händische Entfernung der personenbezogenen Daten. „Das ist kein triviales Problem. Technologien zur Pseudonymisierung sind da und es gibt auch ausgefeilte kryptografische Verfahren. Allerdings muss der Kontext dann immer noch ersichtlich sein, um hinterher sinnvolle statistische Auswertungen zu ermöglichen“, sagt Mück.
Unfassbare Barriere: Richter sind bislang nicht verpflichtet, Urteile, die sie bekanntermaßen „Im Namen des Volkes“ fällen, zu veröffentlichen. Ab 2022 soll sich das ändern und Gerichte müssen dann alle Urteile strukturiert zur Verfügung stellen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Hier sei auch Überzeugungsarbeit entscheidend, betont Hartung: „Für Richter ist es doch gut, dass die Arbeit, die in Urteile reingesteckt wurde, auch öffentlich wird. Gleichzeitig macht es die Recherche deutlich einfacher. Heute führt schon der Wechsel eines OLG-Bezirks zu Defiziten beim Wissen über das, was Kollegen entschieden haben.“
Welche Gerichtsentscheidungen wurden erfolgreich angefochten
Bei Urteilen des BGH ist das einfach, denn dort werden alle Urteile veröffentlicht. 50.000 Urteile hat das Forschungsteam von Hartung bearbeitet.
Aus dem riesigen Datenbestand, sucht sich Watson die passenden Antworten auf Fragen aus und beginnt dabei selbstständig Dinge und Zusammenhänge zu verstehen, die man ihm vorher nicht gezielt antrainiert hat. Jura- und Informatikstudierende haben innerhalb von drei Wochen gemeinsam mit dem Watson Knowledge Studio und dem Sprachtool ein Lawnet Tool entwickelt, das Gerichtsentscheidungen nach Aktenzeichen, Normen und Verweisen durchsucht und den Erfolg und Nichterfolg von Revisionen nachverfolgt. Mit Law Stats wurden Statistiken entwickelt, welche Landgerichtsentscheidungen erfolgreich oder nicht erfolgreich mit der Revision angefochten werden konnten. „Juristen wollen genau nachvollziehen, warum eine Revision erfolgreich war oder nicht. So hat beispielsweise die Konstellation von Personen am BGH Einfluss auf den Erfolg von Revisionen. Zudem können wir sehen, dass in bestimmten Rechtsgebieten Revisionen nicht erfolgreich sind. Dazu zählt beispielsweise das Strafrecht“, weiß Hartung.
Weitere interessante Aspekte: Welche Normen führen besonders häufig zu Rechtsstreitigkeiten bis zum BGH? Oder welche Entscheidungen sind einflussreich und werden häufig zitiert?
Welche Kanzlei macht die beste PR und beeinflusst Richter und Staatsanwälte?
Oder welche Kanzleien glänzen mit Erfolgen vor Gericht? Man könnte auch systematisch unter die Lupe nehmen, welche Wirkung Medienberichte auf Richter und Staatsanwälte haben? Das haben die PR-Agentur Consilium und die Universität Mainz in einer Umfrage untersucht.
„Über 20 Prozent der Richter und mehr als 30 Prozent der Staatsanwälte äußerten, dass Medien zumindest gelegentlich ‚einen Einfluss auf das Urteil hatten, weil sie das Verhalten von Opfern, Tätern oder Zeugen veränderten‘. Sie hatten vor allem beobachtet, dass Zeugen „von Medienberichten eingeschüchtert wurden’. Wenn das geschieht, können Richter und Staatsanwälte ein verzerrtes Bild von der Wirklichkeit erhalten. Damit wird die Verfahrensmäßigkeit des Strafverfahrens infrage gestellt, das ja inneren Regeln folgen soll und nicht äußeren Einflüssen“, betont Professor Hans Mathias Kepplinger im prmagazin-Interview.
Zu den spannendsten Ergebnisse der Studie zählt der Befund, dass Richter und Staatsanwälte über „ihre“ Verfahren viel mehr Beiträge lesen als über andere Prozesse – obwohl mehr als die Hälfte sagt, dass sie von Medien kritisiert wurden.„Dabei widerspricht das der Forschung zur sogenannten kognitiven Dissonanz. 90 Prozent der Kognitionsforscher und Psychologen gehen davon aus, dass Menschen negative Informationen über sich selbst meiden. Meine Erfahrung aus den Medienwirkungsstudien – und das gilt auch für Richter und Staatsanwälte – ist eine andere: Die Leute, die öffentlich angegriffen werden, sind geradezu süchtig nach diesen Informationen“, erläutert Kepplinger.
All das könnte man in einer juristischen Matching-Maschine perfekt durchleuchten. „Man muss den Zugang zum Recht demokratisieren und das juristische Wissen für alle und nicht nur für Großkanzleien verfügbar machen“, fordert Friedmann.
Und Hartung betont: „Wir haben die Werkzeuge aber nicht genügend Daten.“ Hier sehe ich ein lohnendes Aktionsfeld für die Open-Government-Bewegung.