Ich sag mal-Blog-Leser Andreas Frank hat wohl den Ursprung der sonderbaren Sondernutzungsregelung erkundet, die nun auch in Bonn in Kraft getreten ist. Ende vergangenen Jahres war es wohl Ratingen, die für die Kamerafahrten von „Google Street View“ Kohle verlangten. Und daran hat sich wohl Bonn orientiert. 20 Euro pro gefilmtem Kilometer muss der Internetriese zahlen. „Es soll wenigstens ein bisschen unbequemer werden“, sagt die Stadtsprecherin nach einem Bericht von “Der Westen”.
Ratingen reagiere auf das Unvermeidliche wenigstens mit Humor, meint etwas verharmlosend “Der Westen”: “Bei 309 Straßenkilometern, die zur Stadt gehören, sind das 6180 Euro. ‘Es soll wenigstens ein bisschen unbequemer werden’, sagt Stadtsprecherin Ulrike Elschenbroich. Die Summe dürfte beim Unternehmen zwar kaum für Unruhe sorgen. Aber was wäre, wenn sich alle Städte so entschieden, in denen der Wagen noch nicht aufgetaucht ist? Und wenn es nicht bei 20 Euro je Kilometer bliebe? ‘Nach diesseitiger Auffassung handelt es sich bei der Befahrung zum Zwecke der Datenerhebung durch fotografische Erfassung des gesamten Stadtgebietes um eine Sondernutzung im Sinne des Paragraphen 18 Straßen- und Wegegesetz Nordrhein Westfalen’, schreibt Rechtsdezernent Dirk Tratzig in seiner Ratsvorlage, die im Haupt- und Finanzausschuss bereits eine Mehrheit fand. Das Befahren der Straßen und das Abfilmen, so der findige Verwaltungsmann, könne man zwar nicht verbieten. Aber es liege kein kostenloser ‘Gemeingebrauch vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist.'” Und da stößt man auf der Der Westen-Website auf einen interessanten Leserkommentar: “Wie kann sich eine Stadtverwaltung nur so der Lächerlichkeit preisgeben? Hätte man im Ratinger Rathaus nur einmal das ‘verteufelte’ Internet benutzt, dann wäre man schnell auf eine zehn (!!!) Jahre alte Entscheidung des VG Karlsruhe in einem vergleichbaren Fall gestoßen (2 K 2911/99)”.
Und was steht in dem Urteil des Verwaltungsgerichtes?
“Eine Gebäudedatenbank, bei der die Außenansichten der Wohngebäude von Straßenzügen in größeren Städten fotografisch erfasst und auf einer CD-ROM zusammengestellt werden, verletzt weder das Eigentumsrecht des Anliegers, noch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Recht am eigenen Bild und auf informationelle Selbstbestimmung; auch datenschutzrechtliche Vorschriften werden nicht verletzt.”
Um was ging es vor rund zehn Jahren bei diesem Verfahren (das sollte sich der Bonner Oberbürgermeister etwas genauer durchlesen)? Die Antragstellerin, ein in Niedersachsen ansässiges Verlagsunternehmen, das unter anderem digitale Verzeichnisse der Telefonanschlüsse in der Bundesrepublik Deutschland auf CD-ROM vertreibt, befasste sich seit einiger Zeit mit dem Aufbau einer elektronischen Häuser- und Gebäudekarte. Zu diesem Zweck ließ sie bundesweit durch mehrere mit sechs und acht automatischen Präzisionskameras ausgerüstete Kleintransporter vom öffentlichen Straßenraum aus digitale Abbildungen des Straßenverlaufs sowie der angrenzenden Gebäudeansichten aufnehmen, wobei diesen Abbildungen jeweils die geographische Position (geographische Länge, Breite und Höhe) zugeordnet wird, von der aus das Bild aufgenommen wurde.
Die Aufnahmefahrzeuge waren mit Satelliten-Receivern ausgestattet, die insbesondere die von den amerikanischen GPS-Satelliten ausgestrahlten Signale aufzeichnen und – nach einer aufwendigen Nachbearbeitung – auf diese Weise eine möglichst punktgenaue Bestimmung des jeweiligen Kamerastandortes ermöglichen. Die elektronisch festgehaltenen Bilder (30-50 pro Sekunde) wurden auf der Festplatte eines in dem Pkw installierten Servers gespeichert. In einem weiteren Verarbeitungsschritt wurden die auf diese Weise den dazugehörigen geoterrestrischen Daten verbundenen Bildsequenzen – soweit möglich – einem bestimmten Straßennamen der jeweiligen Gemeinde zugeordnet. Der Betrachter der elektronischen Häuser- und Gebäudekarte sieht fortlaufende bewegte Bilder, die von der Fahrbahn die Häuserfronten rechts und links der Straße zeigen, und den Stadtplan, auf dem durch ein Symbol markiert wird, in welchem Teil der Straße sich der Betrachter befindet. An einigen Häusern ist die Hausnummer zu erkennen. Es bestand die Möglichkeit, die fortlaufenden Bilder anzuhalten und ein bestimmtes Haus zu vergrößern, so dass die Häuserfront und die Hausnummer, soweit sie aufgenommen wurde, erkennbar sind. Eine gezielte Verknüpfung einzelner Gebäudeansichten mit den dazugehörigen Hausnummern erfolgte hingegen nicht. So ist es insbesondere nicht möglich, Straße und Hausnummer einzugeben und auf diese Weise automatisiert das Bild eines einzelnen Hauses auszuwerten.
Das Verlagsunternehmen hat auf diese Weise die Straßenzüge in insgesamt 17 der größten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, Leipzig, Hannover, Magdeburg und Nürnberg) und touristisch besonders interessanten (Weimar, Heidelberg, Würzburg, Potsdam, Regensburg und Schwerin) deutschen Städte erfasst. Nach den Planungen sollten bis in das Jahr 2001 sämtliche deutschen Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern in die unter der Handelsbezeichnung “CityServer” vertriebene elektronische Häuser- und Gebäudekarte aufgenommen werden. Als Verwendungsmöglichkeiten werden u.a. der Einsatz durch Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, in der Stadt- und Verkehrsplanung, durch Zustelldienste und Speditionen, Pkw-Pilotsysteme, die Scoring-Unterstützung für Banken, das Risk-Assessment bei Versicherungen und die Verwendung durch Versorgungsunternehmen genannt. Der Verlag hatte auch schon ein 11 CD-ROM umfassendes digitales Telefonverzeichnis herausgebracht, bei dem jedem Anschlussinhaber ein Kartenausschnitt zugeordnet ist, aus dem sich die ungefähre Lage des Anschlusses im jeweiligen Stadtbild ersehen lässt, wobei dieser Kartenausschnitt wiederum bezüglich 10 deutsche Städte mit den vom jeweiligen Standort aus aufgenommenen Straßen- bzw. Gebäudeansichten verbunden ist.
Und jetzt wird es spannend: Mit Schreiben vom 04.08.1999 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die von ihr beabsichtigte Nutzung des öffentlichen Straßenraumes im Stadtgebiet Karlsruhes zum Zwecke des Fotografierens von Gebäuden eine genehmigungspflichtige Sondernutzung darstelle, eine Sondernutzungserlaubnis jedoch nicht erteilt werden könne. Hierauf ließ die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11.08.1999 entgegnen, die Nutzung des öffentlichen Straßenraums sei als Gemeingebrauch zu qualifizieren, so dass eine Sondernutzungserlaubnis nicht beantragt werde.
Mit Verfügung vom 22.09.1999 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin vorbeugend, die Straßen, Wege und Plätze der Gemeinde der Stadt Karlsruhe mit Fahrzeugen zu nutzen, welche mit Digitalkameras ausgerüstet sind, um Aufnahmen der Häuserfassaden der an die Straßen angrenzenden Gebäude zu machen. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an, da es sich bei dem Vorhaben der Antragstellerin um einen besonders publikumsintensiven Vorgang handele, der sich direkt im Straßenverkehr abspiele. Außerdem würden die Belange anderer Straßenverkehrsteilnehmer sowie die Interessen der Anlieger tangiert werden, die kein Interesse daran haben könnten, dass ihre Grundstücke gegen ihren Willen fotografiert werden. Mit dieser Argumentation hat sich die Kommune nicht durchgesetzt.
Durch die Aufnahme und gewerbliche Weiterverbreitung von Abbildungen der Außenansicht der Wohngebäude der Anlieger wird nur der Teilbereich des Persönlichkeitsrechtes berührt, der ohnehin der Öffentlichkeit zugewandt ist und deshalb von vornherein allenfalls einen sehr begrenzten Schutz genießen kann. Denn dass aus den sich im normalen Verkehrsfluss bewegenden Aufnahmefahrzeugen der Antragstellerin Abbildungen aufgenommen werden können, die über die äußere Gebäudefassade hinaus tiefergehende Einblicke in die Privat- oder Intimsphäre der Anlieger erlaubten, wird von der Antragsgegnerin nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die Öffentlichkeitssphäre als der Bereich des menschlichen Lebens, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann, genießt aber von vornherein keinen Schutz gegen Indiskretionen. Allenfalls gegen unrichtige oder ehrverletzende Darstellungen kann sich der Betroffene auch in diesem Teilbereich seiner Persönlichkeit mit Erfolg zur Wehr setzen. Solche Eingriffe drohen den Anliegern von dem völlig objektiven und wertneutralen Aufnahmeverfahren der Antragstellerin aber offensichtlich nicht. Auch die mit den technischen Möglichkeiten einer digitalen Bilderfassung und weitgehend automatischen Abrufbarkeit und Reproduzierbarkeit der Gebäudeabbildungen in der Bilddatenbank der Antragstellerin verbundenen erweiterten Verwertungschancen begründen insoweit keinen erweiterten Persönlichkeitsschutz. Zwar stehen die Abbildungen der Gebäude der Anlieger auf diese Weise dem Zugriff eines nicht mehr überschaubaren Personenkreises offen; dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei den veröffentlichten Gebäudeansichten nur um einen sehr marginalen Ausschnitt aus dem Persönlichkeitsbild der Anlieger handelt, dessen Aussagekraft andere öffentlich zugängliche personenbezogene Daten nicht übersteigt (vgl. Landgericht Waldshut-Tiengen, a.a.O.).
Nach Auffassung der Kammer dürfte auch die Befürchtung der Anlieger unbegründet sein, Diebesbanden könnten die Häuser- und Gebäudekarte nutzen, um Einbrüche zu planen. Professionelle Einbrecher, und nur solche würden das System im Hinblick auf die hohen Kosten (für eine mittlere Großstadt mehrere 100.000,00 DM) kaufen, werden das Objekt stets in Augenschein nehmen und sich nicht mit Aufnahmen begnügen, die nicht die für Einbrüche besonders interessante Rückseite des Gebäudes erkennen lassen. Weiterhin kann nur durch Prüfung vor Ort z.B. sicher erkannt werden ob das Haus von einem Hund bewacht wird oder ob eine Alarmanlage installiert ist und wie sie beschaffen ist (vgl. auch Nedden, DuD 1999, 533 [534]). Abwehrfähige Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Anlieger sind nach alledem nicht zu erwarten.
Das Recht am eigenen Bild kann dem betroffenen Anlieger ebenfalls keinen Abwehranspruch vermitteln, da die Regelungen der §§ 22 ff. Kunsturhebergesetz auf Abbildungen von Sachen nicht anwendbar sind (vgl. auch OLG Brandenburg, a.a.O.). Schließlich wird durch das Vorhaben der Antragstellerin auch nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Dieses ist zunächst nicht schrankenlos gewährleistet, der Einzelne hat also nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über “seine” Daten, er ist vielmehr als eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit verpflichtet, eine ihn nicht unangemessen stark belastende Preisgabe und Verwertung personenbezogener Daten im überwiegenden Allgemeininteresse oder auch im gleichrangigen Interesse Dritter hinzunehmen (vgl. Landgericht Waldshut-Tiengen, a.a.O.).
Auch nach diesen Grundsätzen stellt die digitale Erfassung einer Abbildung der Gebäudeaußenseite des Wohnhauses eines Anliegers aber keinen unzulässigen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht dar. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die zuständige Aufsichtsbehörde nach dem Bundesdatenschutzgesetz bei der datenschutzrechtlichen Prüfung und Bewertung der elektronischen Häuser- und Gebäudekarte der Antragstellerin unter dem 23.06.1999 zu dem Ergebnis kam, dass diese derzeit nicht gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoße. Das Bundesdatenschutzgesetz sei schon deshalb nicht anzuwenden, weil es sich nicht um eine Datei im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BDSG handele, was Voraussetzung einer Anwendbarkeit der für die Datenverarbeitung durch nichtöffentliche Stellen geltenden Vorschriften der §§ 27 ff. BDSG wäre. Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Feststellung der zuständigen Aufsichtsbehörde nach dem Bundesdatenschutzgesetz zu zweifeln.
Selbst im Falle der Anwendbarkeit der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes wäre die geschäftsmäßige Speicherung der öffentlich ohne Weiteres zugänglichen Gebäudeabbildungen nach § 29 Abs.1 S.1 Nr.2 BDSG auch nur dann unzulässig, wenn dem offensichtlich überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen entgegenstünden. Auch hiervon kann angesichts des eher begrenzten Aussagegehalts der Abbildung einer Gebäudefassade nicht ausgegangen werden. Dass die für eine Verwertung dieser Daten sprechenden Interessen der Antragstellerin rein kommerzieller Natur sind, ändert hieran nichts, da auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit grundgesetzlichen Schutz (Art. 14 Abs. 1) genießt und bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen der Daten speichernden Stelle und der Betroffenen somit durchaus zu berücksichtigen ist (vgl. Landgericht Waldshut-Tiengen, a.a.O.; Nedden, DuD, 533 [534 f.]).
Festzuhalten bleibt daher, dass durch das Vorhaben der Antragstellerin weder Belange der übrigen Straßenverkehrsteilnehmer noch der Eigentümer der erfassten Gebäude beeinträchtigt werden, so dass ein Vollziehungsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO nicht festzustellen ist. Dementsprechend ist der Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs der Antragstellerin nicht gerechtfertigt und deshalb die aufschiebende Wirkung entsprechend dem Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO wiederherzustellen. Bingo.
Als NeueNachricht-Redakteur bin ich heute mit meinem Fahrrad durch Bonn-Duisdorf gefahren und habe einige Straßenzüge aufgenommen. Das Ganze hat also einen kommerziellen Hintergrund, Herr Oberbürgermeister. Damit falle ich unter die Regelungen von von § 2 der Satzung der Bundesstadt Bonn über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen. Der Erlaubnis bedarf es auch für jede Nutzung der Straße zu dem Zweck, eine umfassende fotografische oder digitale Darstellung des Gemeindegebietes oder eines zusammenhängenden Teils dieses Gebietes oder einzelner Straßenzüge aufzunehmen oder grafisch oder digital weiter zu verwenden.
An den Gebührentarif zur Satzung der Bundesstadt Bonn über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen wird folgende Tarif-Nr. 24 angehangen:
Art der Sondernutzung: Befahren (das habe ich mit meinem Fahrrad getan!) der Gemeindestraßen zum Zwecke der digitalen/fotografischen Aufnahme bzw. Datenerhebung
Bemessungseinheit: Angefangener Kilometer Gemeindestraße.
Gebühr: 20,00 Euro je angef. Km. Soweit ein gemeinnütziger oder kein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, kann die Gebühr ermäßigt oder von der Erhebung abgesehen werden. Ich verfolge einen wirtschaftlichen Zweck, Herr Oberbürgermeister, denn ich möchte als Journalist nachweisen, dass die Satzung der Stadt Bonn gegen geltendes Recht verstößt und ein Fall für die kommunale Aufsicht ist. Sie können mir einen Gebührenbescheid schicken, den ich allerdings nicht bezahlen werde.
Hier noch einige Schnappschüsse meiner Kamerafahrt durch Bonn-Duisdorf:
Wo die Bundesländer im Kampf gegen Google hinwollen, belegt die Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz. Verbandsklagerecht soll wohl eine Prozessflut auslösen – typisch deutsch.