Gut ein Jahr nach dem in Kraft treten des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes zieht Professor Justus Haucap, Mitglied der Monopolkommission, eine niederschmetternde Bilanz. So könne das privatwirtschaftliche Recycling untersagt werden, wenn es nicht wesentlich leistungsfähiger ist, als die Angebote der Kommunen. Hier werde das Prinzip der freiheitlichen Ordnung auf den Kopf gestellt. Nach dem Grundsatz der Berufsfreiheit sollte sich jeder wirtschaftlich betätigen können.
„Das gilt beim Recycling nicht mehr. Jetzt müssen Unternehmen nachweisen, dass sie es besser können als eine Kommune, die das mit Hilfe von Steuergeldern macht“, sagt Haucap, Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie der Universität Düsseldorf, im Interview mit Bloggercamp.tv.
Solche Beschränkungen gebe es eigentlich nur dort, wo es um Leib und Leben geht. In der Recyclingwirtschaft liege die Motivation der Kommunen aber anders:
„Es soll mehr Geld in die Kasse kommen.“
Kommunen bewegen sich in einer Grauzone
Mit dem sehr schwammigen Begriff der höheren Leistungsfähigkeit bewege man sich in einer Grauzone.
„Das öffnet den Kommunen Tür und Tor, private Unternehmen zu verdrängen, um selbst das Geld zu verdienen.“
Es werden Recyclingbetriebe vom Markt gefegt, die das Geschäft schon seit Jahrzehnten machen – etwa bei der Altmetall-Sammlung. Nicht stichhaltig sei das Argument vieler Bürgermeister, mit den Mehreinnahmen die Müllgebühren zu senken.
„Den fehlt generell an allen Ecken und Kanten das Geld. Steuerlich gibt es nur einen begrenzten Spielraum, um die Löcher in den kommunalen Kassen zu stopfen. So will man das eben über Monopole erwirtschaften“, erläutert Haucap.
Über Monopolpreise bei Abfall oder Wasser solle das Geld reingeholt werden, um beispielsweise Kitas zu finanzieren.
„Das ist eine intransparente Querfinanzierung, die einem demokratischen Prozess nicht zuträglich ist. Das sind verdeckte Finanzierungen. Man schädigt die mittelständischen Verwerter, die mit sehr viel Initiative eine Infrastruktur in einer Zeit aufgebaut haben, wo das noch ein sehr risikoreiches Geschäft war. Hier entstehen Kollateralschäden, über die man einfach hinweg stampft“, kritisiert der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler.
Fragwürdig sei die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Öffentlich-rechtliche Gebühren unterliegen nicht mehr der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht. Gebühren seien angeblich kein Preis, so die Begründung für die Gesetzesnovelle.
„Das sehen die Bürgerinnen und Bürger allerdings anders. Gebühren für Müll oder Abwasser sind natürlich Preise. Mit der Änderung des GWB können Kommunen jetzt machen, was sie wollen. Hier hat man völlig unkontrollierte Monopole“, moniert Haucap und fordert eine schnelle Änderung dieser Regelung.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) rechtfertigt die Novelle mit dem Argument, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger eine andere Partei wählen könnten, wenn ihnen die Gebühren zu hoch sind.
„Das ist eine fadenscheinige Position. Bei Kommunalwahlen stehen einzelne Themen nicht zur Wahl, wie in der Schweiz“, resümiert Haucap.
Gute Gründe für die Monopolkommission, ein Sondergutachten über die Monopolpreis-Politik der Kommunen in der so genannten Daseinsvorsorge der Bundesregierung und dem Bundestag vorzulegen.
Denn auch Kartellamtspräsident Andreas Mundt kritisiert im Interview mit der FAZ am Beispiel der Wasserversorgung den Trend zur Rekommunalisierung, der klar zu Lasten der Gebührenzahler geht:
“Nach der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen haben es die Kommunen relativ leicht, sich unserer Aufsicht über die Höhe der Wasserpreise zu entziehen. Wir können schon jetzt erste Ansätze für eine ‘Flucht in die Gebühren’ feststellen. Die Novelle macht unsere Bemühungen ausgerechnet in einer Phase zunichte, in der wir sehr erfolgreich sind. In Berlin zum Beispiel haben wir die Wasserpreise um 18 Prozent gesenkt. In Mainz waren es 15 Prozent. Die veränderte Rechtslage platzte mitten in die laufende Überprüfung der vergleichsweise hohen Wasserpreise in Wuppertal. All diese Verfahren haben dazu geführt, dass zahlreiche Wasserunternehmen überhaupt angefangen haben, sich ernsthaft mit ihren Kostenstrukturen auseinanderzusetzen und zu schauen, wie sie effizienter werden können. Auch dieser Druck vermindert sich jetzt zumindest teilweise.”
Und auch das Kreislaufwirtschaftgesetz bewertet er katastrophal. Viele Städte und Gemeinden wollen zu alten Monopolstrukturen zurückkehren. Allein die Rechtsunsicherheit, die durch das neue Gesetz entstanden sei, trägt schon viel dazu bei, den Wettbewerb zu behindern. “Komplizierte und langwierige Genehmigungsverfahren legen der privaten Sammlung und Verwertung von Altmetall, Papier oder Alttextilien mitunter Steine in den Weg”, so der Bonner Wettbewerbshüter.
Wie bei anderen Formen der Behinderung des Wettbewerbs könnten steigende Preise und Gebühren die Folge sein.
“Nehmen Sie die Entsorgung und das Recycling der Verpackungsabfälle. Durch die Zerschlagung des Monopols des Grünen Punktes und die Belebung des Wettbewerbs ist es gelungen, die Kosten zu halbieren. Was noch wichtiger ist: Der Wettbewerb zwischen den dualen Systemen hat einen enormen Innovationsschub ausgelöst und dazu beigetragen, dass sich Deutschland Recyclingweltmeister nennen darf”, resümiert Mundt.
Hat dies auf Edgeworth Blogs rebloggt und kommentierte:
Lesenswerter Blog-Eintrag von Gunnar Sohn, der unser Bloggercamp.tv zusammenfasst und auch das jüngste Interview mit Andreas Mundt zum Monopolisierungsdrang der Kommunen.