In der vergangenen Woche breitete Julius van de Laar bei einer Google-Veranstaltung in Berlin seine Heldentaten im Wahlkampf-Team von Barack Obama aus.
Also jetzt nicht für die komplette Wahlkampagne, auch nicht für alle Bundesstaaten, sondern ausschließlich für Ohio. Da war er für Wählermobilisierung zuständig.
Für die FAZ reicht der Auftritt des dreißigjährigen “Berufswahlkämpfers” in Berlin, um das Ende des Wahlgeheimnis als Schreckgespenst an die Wand zu malen.
Was hat van de Laar nun in dem Wahlkampfapparat der Demokraten getan und wie wichtig war das für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen? Keine Ahnung. Hier gibt es ja nur die Erzählungen eines Beraters, der sich hübsch in Szene kann. Von der FAZ wird der Polit-Frischling zum amerikanischen “Wahlkampf-Veteranen” stilisiert, der freimütig schildert, wie sich Daten zur Wählerbeeinflussung nutzen lassen.
Ausgangspunkt der Analysen für die Wählermobilisierung seien die in Amerika geführten Wählerlisten gewesen.
“Sie beinhalten Namen und Telefonnummern und führen auf, ob die Wähler an den demokratischen oder republikanischen Vorwahlen teilgenommen hatten. Im zweiten Schritt ‘haben wir uns einfach einen Haufen Daten gekauft’, sagte van de Laar. ‘Sie kennen Payback?’, fragte er ins Publikum. ‘Wir gehen da hin und sagen: ,Payback, bitte einmal die Daten ausspucken.’ Diese Daten, die das Einkaufsverhalten der Wähler aufzeigen, die die Payback-Bonuskarte verwenden – was van de Laar als ein Beispiel unter vielen nannte –, seien mit den Daten aus dem Wählerregister fusioniert worden”, schreibt die FAZ.
Mit Sicherheit ohne Wissen der Payback-Kunden.
Für jeden potentiellen Obama-Wähler sei ein Datenbankeintrag angelegt und ständig erweitert worden.
“Mit ‘Cookie-Targeting’ wurde das Online-Verhalten der Wähler über deren Computer ausgespäht und ausgewertet. ‘Social Media, Data Mining, Data Matching’ seien die Kernpunkte des Vorhabens gewesen, das sich ‘predictive analytics’ nennt –also auf Vorhersagen abzielte”, so die FAZ.
Ich will hier jetzt nicht den kompletten Artikel wiedergeben, sonst gibt es noch Ärger mit den LSR-Adepten der FAZ.
Wichtig ist noch der Hinweis von Julius van de Laar auf die Relevanz von Facebook. Man wollte, dass sich die Leute mit Facebook auf Obamas Internetseite anmelden, um einen Komplettzugriff auf deren Profildaten zu erhalten.
“Wähler, die sich per Facebook auf Obamas Internetseite anmeldeten, willigten auch ein, dass die Kampagne im Namen der Nutzer Botschaften auf Facebook verbreiten durfte.”
Aber entscheidend ist der Effekt, den der Organisationsberater aufführt: Die Wähler konnten schlicht nicht mehr unterscheiden, wann sie es mit ihren Nachbarn oder der Kampagne zu tun bekamen.
Was schlichtweg Manipulation ist. Man könnte es auch als Täuschungsmanöver bezeichnen. Liegen hier die Stärken von Big Data-Systemen? Wurde dadurch die Wahl in den USA entschieden? Oder lag es vielleicht auch an der Dämlichkeit des Gegenkandidaten Mitt Romney? Siehe auch: Wahl-Analyse: Minderheiten bescheren Obama den Sieg.
Und wie gut funktionieren die Daten-Systeme, wenn die Wähler und Kunden einen Blick in die Big Data-Trickkiste werfen? Wenn Menschen das durchschauen, passiert das Gegenteil von dem: Solche Dinge bleiben eben nicht geheim – dafür sorgen ja Analysten wie van de Laar. Instrumente zur Verhaltenskontrolle oder Verhaltensmanipulation werden über kurz oder lang bemerkt. Man erkennt die Absichten und verhält sich absichtsvoll anders. Wolfgang Streeck, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, verweist auf die Hawthorne-Experimente (1924 bis 1932). Forscher wollten herausgefunden haben, dass Arbeiterinnen auch ohne Lohnerhöhung schneller und besser arbeiten, wenn man freundlich zu ihnen ist und die Wände gelb anstreicht.
„Aber nachdem sich unter den Beschäftigten herumgesprochen hatte, dass das Management mit seinen guten Worten und der gelben Farbe nur Geld sparen sollte, kam es zu Lohnforderungen und einem Streik“, führt Streeck aus.
Die Geltung derartiger Modelle und Theorien könne durch ihr Bekanntwerden schnell wieder außer Kraft gesetzt werden! Von politischen Gegenmaßnahmen mal ganz abgesehen. Was macht denn der Payback-Fan van der Laar, wenn für solch ein Abo-Verkäufer-Geschäftsmodell das Opt-in-Verfahren gesetzlich vorgeschrieben wird? Also der Ankauf meiner Adresse nur nach Zustimmung. Fragen, die ich mit dem Obama-Wahlkämpfer gerne in Bloggercamp.tv diskutieren würde. Ich frag dann mal an.
Hat dies auf http://www.ne-na.me rebloggt.