
Wenn in Deutschland und Europa über Alternativen zum Suchmaschinen-Riesen in Mountain View nachgedacht wird, sollte die digitale Forscher-Elite nach Bielefeld pilgern und das Sortiersystem von Luhmann als Maschine des glücklichen Suchens nachbauen. Wäre das nicht ein schönes Forschungsprojekt? Das empfehle ich übrigens auch dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber, der semantisch wohl etwas vorschnell mit der möglichen Sperrung von ChatGPT in der Öffentlichkeit herumfuchtelt, bislang aber keinen einzigen möglichen Rechtsverstoß benennen kann. Das ist der Schluss meiner New-Management-Kolumne für den Haufe-Verlag.
Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangen Marit Hansen, Tobias Keber, Stephan Rixen und Rolf Schwartmann in einem Gastbeitrag für die FAZ. Headline: Es bringt nichts, ChatGPT zu verbieten
Die italienische Datenschutzbehörde sei mit einer Prüfung von ChatGPT vorgeprescht und hat das Angebot einstweilen verboten: “Keine Rechtsgrundlage für die intensive Verarbeitung personenbezogener Daten zum Training des Algorithmus, unzureichende Information der Nutzerinnen und Nutzer über die Verarbeitung ihrer Daten, falsche Daten und keine Regelung des altersgerechten Zugangs – im Klartext: die Gefährdung Minderjähriger – sind ihre Kritikpunkte. Zu hoffen ist, dass das Unternehmen OpenAI als Anbieter von ChatGPT auf die Kritik reagiert, kurzfristig die nötigen Informationen bereitstellt und vor allem die sich aus dem Datenschutzrecht ergebenen Anforderungen der italienischen Behörde umsetzt.”
Vorschlag der Autoren: “Wie wäre es in der EU mit einer Expertenkommission aus Aufsichtsbehörden, Verwaltungspraxis, Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft, die den Auftrag der EU erhielte, nach sechs Monaten Lösungsansätze für einen Umgang mit der neuen Technik zu unterbreiten? Die Zahl der Sachverständigen, ihre fachliche Herkunft, ihr Prüfauftrag und ihre Befugnisse wären konkret festzulegen. Womit sollte sich die Expertenkommission befassen? Wer sich die Vielfalt der Zuständigkeiten in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU, aber auch auf EU-Ebene vor Augen führt, muss über eine verbesserte (europäische) Verwaltungskooperation und Koordination nachdenken, die die sich überlappenden oder nebeneinander liegenden Regulierungsansätze, beispielsweise zwischen Datenschutz- und Medienrecht, neu konzipieren. Die Expertenkommission müsste sich ferner mit der Produktverantwortung der Anbieter und der professionellen Anwender oder der privaten Nutzenden der Software (zum Beispiel Microsoft und SAP) befassen. Das heißt, bestehende Haftungsprinzipien und -regeln wären weiterzuentwickeln.” Halte ich für einen sinnvollen Vorschlag. Vorschnell mit Sperrungen zu drohen, ist hingegen keine Lösung.
Zu den Autoren:
Dr. h.c. Marit Hansen ist Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein und Leiterin des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Kiel.
Professor Dr. Tobias O. Keber ist Leiter der Abteilung Recht des Instituts für Digitale Ethik (IDE) an der Hochschule der Medien Stuttgart sowie Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V.
Professor Dr. Stephan Rixen ist Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln und Mitglied des Deutschen Ethikrats.
Professor Dr. Rolf Schwartmann ist Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln und Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V.
Bin gespannt, was meine Anfrage an den Bundesdatenschutzbeauftragten ergibt.