Mut zur Schlichtheit wird belohnt: Billigauto Dacia von Renault entwickelt sich zum Verkaufsrenner – Deutsche Autoindustrie hat wieder mal gepennt

Das Billigauto Dacia von Renault entwickelt sich zum Verkaufsrenner: „In 80 Ländern wurden bisher 1 293 305 Dacia verkauft, seitdem Renault 2004 die Marke übernommen und neue, einfach aufgebaute Autos mit französischer Technik konstruiert hat. Um 38,7 Prozent stieg der Verkauf in der Welt von 2007 auf 2008, in Deutschland waren es gar 44 Prozent, was 24 913 verkauften Fahrzeugen entspricht. Die weltweite Nachfrage speist sich dabei aus den überdurchschnittlich günstigen Preisen der Neufahrzeuge, die etwa in Deutschland bei den Basismodellen der Dacia unter 10 000 Euro liegen“, berichtet beispielsweise die Tageszeitung „Die Welt“. Und schon bricht das Wehklagen von Autoexperten in Deutschland los, die von Wettbewerbsverzerrung schwadronieren und den Dacia als Preisbrecher-Produkt abqualifizieren, bei dem Entwicklungs- und Produktionskosten für moderne aktive und passive Sicherheitstechnik angeblich nicht auf das Produkt umgelegt werden. In Wahrheit hat die deutsche Autoindustrie die Strategie von Renault einfach nicht ernst genommen.

Vor einigen Jahren wurde der Dacia von Autoexperten und Fachjournalisten noch müde belächelt. Kaum einer rechnete mit einem Erfolg in Westeuropa. Hochmut kommt vor dem Fall. Deshalb ist es nicht sachgerecht, jetzt den Eindruck zu erwecken, dass Renault so eine Art Preisdumping betreibt.

Michael Müller, Wirtschaftssenator im Bundesverband mittelständische Wirtschaft, bewertete die Renault-Strategie schon zum Marktstart des Dacia Logan als wegweisenden Einschnitt in der Massenproduktion: „Man konzentriert sich auf das Wesentliche, vereinfacht die Produktionsschritte und kombiniert die handwerklichen Fähigkeiten der Arbeitskräfte mit flexiblen High-Tech-Verfahren. So kann man sich den Veränderungen von Märkten schneller anpassen, in Kundennähe produzieren, deren Wünschen gerecht werden und sorgt für neue Arbeit.“ Kleinere Serienzahlen würden mehr Flexibilität erfordern, die man mit Robotern längst nicht immer gewährleisten könne. Das zeige auch eine Erhebung des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung, die zusammen mit dem Institut für Fabrikanlagen der Universität Hannover durchgeführt wurde. Nach Angaben der Autoren haben bereits mehr als ein Drittel der zirka 1.000 untersuchten Betriebe mit hoch automatisieren Anlagen das Niveau der Automatisierung in ihrer Produktion gesenkt oder planen dies. Wichtigster Grund sei die zu geringe Flexibilität dieser Anlagen.

Der Dacia Logan, der die neuesten Abgasnormen erfüllt, sei simpel, aber keineswegs minderwertig, urteilte auch der Spiegel. Und das Fassungsvermögen des Kofferraums finde man längst nicht bei jedem Luxusfabrikat. Wolfgang Peters schilderte für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung seine ersten Eindrücke. Seine Wertung: Konzentration auf das Wesentliche bei befriedigendem Komfort. Dabei empfindet er die Absenz von technischen Spleens und Designerlaunen nicht als Beeinträchtigung des Gesamtbildes, im Gegenteil: „Die größte Stärke des Logan ist vielleicht sein offenes und gar nicht verschämt vorgetragenes Bekenntnis zur Schlichtheit und zur einfachen Lösung. Wobei das alles überhaupt kein Nachteil sein muss, die allermeisten Autos auf dem deutschen Markt bieten mehr Schnickschnack an, als man eigentlich haben möchte“, resümiert Peters.

Das einstige Basisauto Logan ist mittlerweile auch als Kleinlieferwagen und Pick-up zu haben, „und so gefällt sich Dacia als einziger Billiganbieter Europas mit Aufstiegschancen“, berichtet die Welt. Die Deutschen, glaubt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen, haben da einen Trend verschlafen. „Wenn sie nur wollten, könnten auch sie billige Autos bauen.“