Wenn die Birne leuchtet, lernen wir nicht besser – Ein Profihirn zeigt wenig Aktivität

Vertrauen ist ein Hirnzustand. Das ist die Grundthese von Professor Henning Scheich, Direktor des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. „Vertrauen hat etwas mit Lernprozessen zu tun. Es geht dabei nicht nur um positive Einstellungen zu Dingen oder Personen, sondern es ist ein Verlass-Aspekt auf Personen oder Dinge und Verlass impliziert bereits, dass man multiple Erfahrungen machen muss, um sich auf etwas zu verlassen“, erläutert Scheich. Lernprozesse, die dabei eine Rolle spielen, seien im Wesentlichen alte Bekannte. Es gibt die Pawlowsche und die instrumentelle Konditionierung. Das sind Lernprozesse, wo man in der Auseinandersetzung mit Reizen zu neuen Verhaltensweisen kommt. Bei der Pawlowschen Konditionierung kommt es eigentlich nur darauf an, dass man irgendeine positive Überzeugung hat von irgendetwas, klassisch gesehen. Futter ist immer gut. Es können aber auch andere Dinge sein. Man lernt, mit einem solchen positiven Objekt oder einer positiven Person irgendetwas zu assoziieren, was die Sache ankündigt oder umreißt. Diese Art von Lernprozess ist überhaupt nicht geeignet, Vertrauen zu schaffen“, weiß der Wissenschaftler. Dabei könne sich nichts als Erfahrung bewähren im Sinne einer Rückkoppelung, also einer positiven Erfahrung. Das könne man in der Werbung beobachten: „Vieles wird hochkarätig angekündigt und verpufft dann als Luftblase“, sagt Scheich.

Anders sehe es mit der instrumentellen Konditionierung aus. Hier würde man Verhaltensweisen und Erfahrungen auf nachhaltige Vorteile überprüfen. Es handele sich um Rückkopplungs-Lernprozesse. „Man kann mit einem Bestrafungsparadigma sehr schnell einen Lernprozess in Gang bringen und auch zu einem asymptotischen Niveau bringen, also einem hohen Niveau, wo diese Aufgabe gelöst wird. Das ist jedem geläufig: Gebranntes Kind scheut das Feuer. Das geht wahnsinnig schnell. Nur will man mit dieser Erkenntnis nichts mehr zu tun haben, weil man unangenehme Erfahrung damit verbindet. Macht man das Ganze aber mit Belohnungslernen, geht die Sache zwar viel langsamer und führt aber auch zu demselben Niveau“, führt Scheich aus.

Mit einseitiger Belohnung oder Bestrafung könnten die Ergebnisse nie hundertprozentig werden. „Das heißt also, Sie können noch so sehr belohnen, es bleibt immer eine Differenz zu einer optimalen Performanz übrig. Eine Restdifferenz von Nichtvertrauen, die das Ganze immer gefährdet. Sie können diese Belohnungen weglassen, und das Hirn merkt sich wahnsinnig schnell, dass kein Vorteil mehr bei der Sache besteht, das könnte beispielsweise passieren, wenn irgendwas mit mehr Vorteilen kommt oder wenn Zweifel daran aufkommen lässt, dass die Belohnung überhaupt eine Belohnung war. Dann gibt es eine Extinktion, das heißt also das Verhalten fällt sofort wieder in kurzer Zeit auf Null zurück. Interessant ist bei der ganzen Betrachtungsweise, dass die Mischung von Belohnung und Bestrafung, das heißt Vorteile und Nachteile nicht etwa dazu führt, dass die Sache auf Null fällt, sondern zu einem Superlernen führt. Wenn Sie jeden positiven Umgang belohnen und jeden negativen Umgang bestrafen, dann gibt es hundert Prozent Performanz in ganz kurzer Zeit. Man vergisst das praktisch nie mehr. Das ist das perfekte System, um irgendetwas anzutrainieren“, empfiehlt der Neurobiologe. Allerdings müsse es eine positive Bilanz von Belohnungen geben. Wenn diese Art von Dynamik auftritt, dann könne man das Superlernen erreichen.

Wichtig sei auch das interne Belohnungssystem des Gehirns. Es werde der Neurotransmitter Dopamin ausgeschüttet. „Das Dopamin hat eine zweifache Wirkung: Es gibt ein gutes Gefühl, wenn Sie Erfolge haben. Der zweite Effekt ist noch viel wichtiger: die Erinnerung. Wir erleben enorm viele Dinge, die wir in unseren Kopf schnüren und nicht alles bleibt im Langzeitgedächtnis haften. Die Umsetzung vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis wird über das Dopamin gesteuert“, so Scheich. Erfolg mache Spaß, da unterscheiden sich Menschen und Mäuse nicht. Dabei könne sich ein Überflieger, der beim ersten Versuch auf die Lösung kommt, genauso freuen wie ein minder Begabter, der mehr Anläufe benötigt. Es komme darauf an, sich die richtigen Ziele zu setzen. „Die Stimmungsaufheller wirken direkt auf die Gedächtnisbildung. Das hilft uns, eine Erfolgsstrategie automatisch abzuspeichern. Der Zusammenhang gilt auch umgekehrt: Wir behalten emotional gefärbte Erlebnisse besser als neutrale. Der erste Schultag, die große Liebe oder der Tod eines Freundes prägen sich uns tiefer ein als jede Mathe-Formel. Wem es auf der anderen Seite gelingt, trockenen Lernstoff mit Emotionen oder Sinn zu verknüpfen, wird ihn besser memorieren. Die Telefonnummer 14921960 etwa setzt sich aus dem Jahr der Entdeckung Amerikas und der Olympischen Spiele in Rom zusammen“, berichtet die Zeitschrift Focus.

Auch ausreichende Ruhepausen zwischen den Lektionen seien für das Funktionieren des Langzeitgedächtnisses unerlässlich. „Inhalte, die dauerhaft in unserem Gehirn verankert werden sollen, erfordern einen grundlegenden Umbauprozess an den Nervenzellen, der mindestens 24 Stunden in Anspruch nimmt. Kommen neue Informationen zu schnell hintereinander, konkurrieren ihre Inhalte und löschen sich aus“, so Focus. „Ohne Pausen“, erklärt Scheich, „wissen die Neuronen nicht mehr, was sie speichern sollen.“ Visueller Müll aus Fernseher und Computerspiel oder aufwühlende Erlebnisse würden das Langzeitgedächtnis blockieren. Was als Ablenkung gedacht sei, kommt im Speicher als Störsignal an.

Warnungen spricht Professor Scheich beim Modethema Neuroökonomie aus: „Man sollte sehr misstrauisch sein gegenüber den Weisheiten, die aus diesem Bereich kommen und zwar insbesondere wenn sie über die Macht der Bilder erzielt werden. Fast alle Medien würden zur Zeit Bilder der Kernspintomographie veröffentlichen. Da taucht ein Fleck im Gehirn auf, also muss das irgendwas bedeuten“, so Scheich. Da gebe es sehr viel Rattenfängerei. Es sei einfach nicht richtig zu glauben, wenn die Birne aufleuchtet und die Aktivierung im Gehirn größer wird, ein besserer Zustand des Gehirns erreicht werde. Im Gegenteil: „Große Aktivierung im Gehirn bedeutet Unsicherheit des Gehirns. Wenn Sie Aufgaben untersuchen, wie sie gelöst werden, von unsicherem Status bis zum Profi, dann finden Sie eine negative Korrelation mit der Größe der Hirnaktivierung. Der Profi setzt eigentlich nur noch seine spezifischen Mechanismen für etwas ein“, so der Hinweis von Scheich. Gehirnjogging mit riesiger Hinaktivierung nachzuweisen, sei Unfug. Die kleine Aktivierung, die beim scharfen Nachdenken von einem Profi produziert werde, das ist die eigentliche Aktivierung, die richtig ist.

2 Gedanken zu “Wenn die Birne leuchtet, lernen wir nicht besser – Ein Profihirn zeigt wenig Aktivität

  1. Hannes

    Der Mensch ist irrational – ja und. Die Lernprozesse skizziert Scheich wesentlich besser und er hat klar aufgeführt, mit welcher Halbwertzeit beispielsweise Werbung verpufft.
    Kurzfristig lassen sich vielleicht Handlungen beeinflussen. Aber langfristig sieht das anders aus. Zudem geht es bei Scheich stärker um Lerntheorie – aber äußerst spannend. Super Beitrag.

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