Karl-Heinz Land und die Kölner Barcamp-Kontroverse – Ein offener Brief an die Mitdurchführer

Anmerkungen zur Barcamp-Kultur
Anmerkungen zur Barcamp-Kultur

Gute Worte in einer Facebook-Debatte mit dem Kölner Unternehmer Karl-Heinz-Land haben wohl nicht gefruchtet in einem neuen Kapitel der Kölner Barcamp-Kontroverse. Deshalb haben wir uns jetzt zu dieser Initiative entschlossen.

Offener Brief an Karl-Heinz Land, “neuland digital vision & transformation” und changegestalten.de

Guten Tag,

Sie veranstalten im November 2016 ein “Digital Barcamp 2016” für “Unternehmer und Führungskräfte”. Wir sind der Ansicht, dass es sich bei Ihrer Veranstaltung, wie Sie selbst sagen – um einen “Mix aus Barcamp und „klassischer“ Konferenz” handelt und – wie Sie auch selbst sagen – eben “formal nicht um ein „reines Barcamp“”.
Diese Erkenntnis finden wir lobenswert.
Diese Erkenntnis hat auch Konsequenzen:

Nämlich:
Bitte nennen Sie Ihr Event dann auch nicht “Barcamp” (“Camp” alleine ist OK und sie können gerne auch erwähnen, dass es “Elemente der Open-Space- und Barcamp-Methodik einsetzt”.)

Sie fügen so der Idee der Barcamps erheblichen Schaden zu und verwirren sowohl “klassische” Barcampbesucher als auch Ihre Kunden.

Klassische Barcamps beruhen auf der Idee des freien Zugangs, sie müssen nicht per se kostenlos sein, Beträge zur Unkostendeckung gelten in der Community als akzeptiert. Ihre Preise zwischen 725 und rund 1500 EUR/Person hingegen dienen ganz offensichtlich ausschließlich der Zielgruppenselektion und sind von klaren Gewinnabsichten getragen.

Sie wurden in den letzten Wochen eindringlich auf diese Probleme hingewiesen und es wurde Ihnen der Charakter der Community Mark erklärt. Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass Ihnen das gleichgültig ist.

Uns aber nicht.

Bitte entfernen Sie zeitnah den Begriff “Barcamp” aus Ihrem Event-Titel.
Bitte entfernen Sie zeitnah weitere Erwähnungen des Begriffs “Barcamp” (mit oben erwähnter Ausnahme, wenn Sie mögen) aus Texten, die dieses Event charakterisieren oder bewerben.

Wir behalten uns weiter kommunikative Schritte vor, wie auch eine Ausweitung der Kommunikation in die globale Barcamp-Community.

Zeigen Sie Respekt vor eine globalen Bewegung der Kollaboration und des “Wissen-Teilens”!

Es grüßen die Barcamporganisator*innen

Franz Patzig, Barcamp Köln, München, Frankfurt, Hamburg, Shanghai, Beijing (seit 2006)
Oliver Gassner, Barcamp Bodensee, seit 2008.
Nicole Ebber, Barcamp Köln (2007-2008), Barcamp Berlin (2008)
Frank Feldmann, Barcamp Berlin (2007), CommunityCamp, seit 2008
Jan Kus, Barcamp Köln (2006-2007), Webmontag Köln seit 2009
Nils Hitze, BarCamp München (2008-2009), GameCamp München (2009-2011), CloudCamp München (2010)
Andreas Pilz, Barcamp Nürnberg (2010-2016)
Alexander Graf, Barcamp Hamburg (2007-2011)
Nicole Y. Jodeleit, BarCamp Hannover 2008 + 2011 (Orga), Besuch unzähliger BC
Gunnar Sohn, StreamCamp Köln/München (2013/2014), leidenschaftlicher Barcamper

Nachtrag: Das Ansinnen der digitalen Aufklärung für die Wirtschaft, das von Karl-Heinz Land ins Spiel gebracht wurde, haben wir mit der Next Economy Open realisiert. Wir haben es bewusst nicht Barcamp genannt, weil wir an den zwei Tagen mit einer Mischform aus Barcamp-Sessions und Call for Paper-Sessions gearbeitet haben. Von den 150 Teilnehmern waren rund 30 Prozent Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen. Dazu kamen dann noch Führungskräfte von Microsoft, HP und Co. Aber selbst hier haben wir mit Keynotes. Panel-Diskussionen, einer Liveschalte zur University of Edinburgh, Live-Musik, Freibier und rheinische Tapas für zwei Tage nur 50 Euro berechnet, um auch der Wirtschaft die Barcamp-Idee zu vermitteln – ohne elitäres Gehabe.

Erste Reaktionen:
https://twitter.com/KhPape/status/748064297650118656

Update: Das Digital Barcamp heißt jetzt Digital ChangeCamp

Und der Mitdurchführer ist jetzt Redner:

„Diese Veranstaltung richtet sich an Entscheider in Unternehmen, die im Thema Digitalisierung die Brisanz für Ihr Unternehmen erkannt haben und handeln wollen. Zusammen mit Karl-Heinz Land (als Redner), laut brand eins einem der TOP 10-Berater 2016 im Bereich Digitalisierung, werden wir diese informative und auf Lösungen ausgerichtete Veranstaltung im STARTPLATZ in Köln durchführen.“

Die ursprüngliche Fassung zur Erinnerung
Die ursprüngliche Fassung zur Erinnerung

Unsere Diskussion via Live-Hangout findet dennoch statt. 17 Uhr.

Um 10 Uhr vorher die Meistermacher Morningshow.

Ein Gedanke zu “Karl-Heinz Land und die Kölner Barcamp-Kontroverse – Ein offener Brief an die Mitdurchführer

  1. Der digitale Wandel wird von der Netzgemeinde betrieben. Wertschätzung erfährt diese dafür nicht. Stattdessen belächelt das krawattentragende Establishment die Nerds und zerstört so den Barcamp-Geist. So wurde der erste Teil der #KölnerBarcampKontroverse ausgelöst. Manchmal gibt es Diskussionen und Lebenssituationen, die erzeugen einen Heureka-Moment und man weiß, wo man steht und in welche Richtung es weitergehen soll. So war es beim fünften Netzökonomie-Campus mit Käsekuchen in Köln, den Mister Unternehmer-Plattform Winfried Felser organisiert hat. Auch seine Backkünste konnten überzeugen.

    In unserem offenen Format, an dem jeder Interessierte teilnehmen kann – real und virtuell über eine Liveschalte via Hangout on Air – steht die Disputation im Vordergrund. Absprachen, Kontrolle der Gespräche, Sprachregelungen oder sonstige aseptische Vorkehrungen kommen für uns nicht infrage. Da gibt es ausreichend Plastik-Frontal-Formate, die besonders in Wirtschaftskreisen dominieren.

    Wir leben die Barcamp-Kultur und setzen auf Überraschungen. Das Schwerpunktthema kann der jeweilige Gastgeber oder die Gastgeberin auswählen und in einem Eingangsstatement vorstellen. Einzige Bedingung: Der Käsekuchen muss in Eigenregie gebacken werden

    Wenn Blindfische über Barcamps redet

    Beim Netzökonomie-Campus am gab es schon in den ersten Minuten eine Bestätigung des Veranstaltungstitels: „Doppelter Hochmut kommt vor dem doppelten Fall: Dialogunfähigkeit zwischen Netzszene und Wirtschaft“.

    Barcamps seien esoterischer Quatsch, Netzgemeinde oder Netzaktivisten klingen irgendwie nach Sekte. Alles dummes Zeug. Es gehe darum, die alte Wirtschaft von der Digitalisierung zu überzeugen und Brücken zu bauen. Das waren die ersten Statements, die meine Streitlust steigerten. Ich frage mich, wo jener Protagonist des digitalen Wandels steht, der etwas flapsig auf die Netzbewegung runterschaut? Barcamps jemals besucht? Fehlanzeige. re:publica in den vergangenen Jahren in Berlin erlebt? Fehlanzeige. Die eigenen Positionen mal in offenen Formaten ohne Headset, ohne Powerpoint-Orgien und ohne Berieselungsrhetorik ausprobiert? Wohl eher nicht.

    Wie kann jemand jenseits von Facebook-Monitoring-Schwafeleien Brücken in die alte Wirtschaftswelt bauen, der die Netzszene als irrelevant und kindisch wertet? Was den Unternehmern häufig vorgeführt wird, ist nichts anderes als digitales Tschakka-Gebrüll in alter Establishment-Denkweise.

    Kein Respekt vor den Leistungen der Nerds

    Der blinde Fleck in der Digitalisierung ist also auch dort zu verorten, wo inflationär Online-Marketing-Blabla abgesondert wird. Die liebwertesten Gichtlinge in Wirtschaft und Politik haben es sich wohl zur Aufgabe gemacht, die Graswurzel-Vorarbeiten der idealistischen Nerds abzusaugen und ihre Klüngel-Hinterzimmer-Praktiken nur mit etwas digitalem Zuckerguss zu überstreichen, um im abgeschotteten Einweg-Kommunikationsmodus zur Tagesordnung überzugehen.

    Das brachte beim Käsekuchen-Diskurs Start-up-Unternehmer Marcus Jacobs zum Ausdruck: Der Ursprung für viele regionale Initiativen wie die Kölner Internetwoche oder das IHK-Format „Digital Cologne“ sei durch ein Barcamp im Jahre 2009 im Rathaus der Domstadt entstanden. In diesen Veranstaltungen opfern viele Enthusiasten ihre Freizeit und entwickeln Netzideen für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die von den etablierten Kräften in der Vergangenheit belächelt wurden und jetzt adaptiert werden.

    Dennoch kann die Krawattenfraktion im Management, die sich auf Internet-Tagungen salopp mit Polohemd und Slipper-Schuhen in Szene setzt, mit der Wirklichkeit des Mitmach-Webs wenig anfangen. Da labern Führungskräfte und so genannte Keynote-Speaker auf öligen Kongressen ihre Kalenderweisheiten ins Publikum und ergötzen sich an irgendwelchen Statistiken über die Relevanz von Facebook und Co. Veredelt wird das Gesagte mit bunten Powerpoint-Präsentationen. Egal, ob es nun um soziale Netzwerke oder andere Themen geht: Es ist Fließband-Ware von Veranstaltern, die für schlappe 1.000 oder 2.000 Euro pro Teilnehmer verkauft wird.

    Eine Kultur des offenen Austauschs und Dialogs sieht anders aus. Barcamps setzen auf eine Kultur der Beteiligung, kalkulieren zur Teilnahme Unkostenbeiträge (ja, liebe BWLer, es sind geringe Kostenbeiträge für den Verzehr) und keine Champagner-Preise. Es geht um Anschlussfähigkeit und nicht um Ausschluss. Es geht nicht um versnobte Wichtigtuer-Gespräche beim Verzehr von Blätterteigtaschen mit Thunfisch-Füllung, Lachsmousse, Fleischpastetchen und Scampi-Mango–Spießen, sondern um offene Dialogformate. Genau das ist der Auslöser des zweiten Teils der Kölner Barcamp-Kontroverse mit Land & Co.

    [youtube https://www.youtube.com/watch?v=M1odlLHhGZg&w=560&h=315%5D

    Am Donnerstag, um 17 Uhr wollen wir das in einem Live-Hangout vertiefen. Wer mitdiskutieren möchte, bekommt von mir den Zugangslink. Man hört, sieht und streamt sich also nicht nur bei der Meistermacher Morningshow, sondern auch am späten Nachmittag.

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