Der Staat als Steigbügelhalter für Abmahn-Gichtlinge: Als Quellen-Angabe künftig nur noch „Totholzgemeinde“

Gesternbranchen

Liebwerteste Absahn- Abmahn-Gichtlinge der Verlage. Es könnte doch im Streit um die wertvollen Inhalte der hochlöblichen Qualitätsmedien, die von bösen Suchmaschinen und News-Aggregatoren zum Vollstopfen ihrer Kassen missbraucht werden, eine ganz einfache technologische Brandmauser errichtet werden. Mit sehr wenig Aufwand kann verhindert werden, dass Google und Co. die Texte der Redaktionen übernehmen.

Aber darum geht es in dem Streit gar nicht. Die Verlage scharren vor den horrenden Werbeeinnahmen der amerikanischen Netzkonzerne mit den Füßen und wollen ein ordentliches Stück vom Kuchen abbekommen, weil sie selbst zu dämlich sind, tragfähige digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Mit dem Leistungsschutzgesetz gibt der Staat ihnen dafür das nötige Druckpotenzial, um fette Lizenzverträge wie auf dem Jahrmarkt auszuhandeln.

Auf welcher Basis dieser Kuhhandel laufen soll, hat der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) auf eine Anfrage von Stefan Niggemeier deutlich gemacht:

Der Wille des Gesetz­ge­bers sei unver­kenn­bar dar­auf gerich­tet, kleinste Text­aus­schnitte wie zum Bei­spiel Über­schrif­ten und ein­zelne Wör­ter, nicht vom Leis­tungs­schutz­recht erfas­sen zu las­sen; die län­gen­mä­ßig dar­über hin­aus gehen­den Aus­züge jedoch schon.

„Die Äuße­run­gen der Koali­ti­ons­ver­tre­ter in der Bun­des­tags­de­batte dazu waren heute unmiss­ver­ständ­lich. Die Google-Suchergebnisse gehen über die nicht erfass­ten Län­gen hinaus“, so der BDZV, der den Willen des Gesetzgebers nach seinem Gusto auslegt.

Aber vielleicht hat der Gesetzgeber gar keinen eigenen Willen mehr und tanzt einfach nach der Pfeife der massenmedialen Willenserklärer. Der Tenor in ersten Reaktionen nach dem Gesetzesbeschluß ist wohl falsch, dass aus der „Lex Google“ nunmehr eine „Lex Garnichts“ entstanden sei. Dafür werden schon die Abmahnkanzleien und Justiziare der Verleger sorgen. In der FDP war noch die Legende verbreitet worden, dass jetzt die so genannten Google-Snippets ausgenommen seien. Die Begründung des Änderungsantrages, der am Dienstag eingebracht wurde, spricht gegen diese Interpretation. Erlaubt seien Schlagzeilen wie „Bayern schlägt Schalke“. Das reicht gerade mal für eine kleine Überschrift. Die Snippets bei Google, Google News und News-Aggregatoren wie Rivva sind wesentlich länger.

Es wird wohl daher nicht ausreichen, nur den Anriss eines Artikels in der Darstellung wegzulassen, wie es Frank Westphal in einem Blogposting andeutete.

Konsequenter ist da schon die Position von Thomas Knüwer: „Stoppt Verlinkung auf Verlagsinhalte.“

„Behandeln wir Verlage doch so, wie sie das Internet behandeln. Geht es darum, einen Verlag zu kritisieren, ist das Nennen von Ross und Reiter unumgänglich. Doch warum sollte man sie loben oder zitieren? Sie wollen doch gar nicht, dass ihre Inhalte verwendet werden. Also schreiben wir uns doch künftig Meldungen aus Quellen zusammen, so wie es hunderte von Online-Redaktionen in der Republik tun. Gibt es einen klaren Urheber, so reicht als Quellenangabe doch ‚Zeitungsbericht‘, ‚Medienszene‘ oder ‚Totholzgemeinde‘. Machen Verlage doch auch so.“

Zudem sollten Blogger künftig stärker an die Primärquellen rangehen. Darüber sprach ich mit Wirtschaftsbloggern schon im vergangenen Jahr. Was die klassischen Redaktionen täglich über uns ergießen, sind selten eigene Recherchen. So wird der Wirtschaftsteil des Bonner General Anzeigers überwiegend mit Agenturmeldungen gefüllt, die schon auf allen anderen Medienkanälen rauf und runter genudelt wurden. Exklusivität sieht anders aus.

Warum sollte man zudem die unsäglichen Beiträge eines digitalen Blindfisches wie Ulrich Clauss von der Welt noch zitieren? Er wertet das Leistungschutzgesetz als „Stoppschild für Enteigner“. Mist, jetzt habe ich seine dümmliche Überschrift zitiert. Cläusschen wertet das Lobbyisten-Opus jedenfalls als Rettungsanker für Altverleger, denen nun nicht das gleiche Schicksal ereilt, wie der von „Raubkopierern“ ruinierten Musikindustrie.

Hausgemachte Fehler der etablierten Medienkonzerne blendet Claussi einfach aus. Ist ja auch nur ein kurzer Kommentar. Zudem gilt generell das Motto der Gestern-Manager: Wer seine Kunden nicht kennt, muss sie härter bestrafen.

Dann galoppiert der Federkiel-Journalist noch über Themen wie Big Data, linksgewirkte Internet-Utopisten und die Daten-Großindustrie, die sich in einer unheiligen Allianz zusammengetan haben, um Ansprüche auf unbezahlte Nutzung fremder Köpfe Arbeit durchzusetzen.

Wenn aber der Kopf hohl ist, warum soll ich da irgendetwas beanspruchen? Beim Springer-Qualitätsschreiberling sollte man sich über die Ausfälle nicht weiter aufregen. Siehe: Das Meldegesetz und die Pöbeleien eines Welt-Redakteurs – Claussimaus rastet aus.

Aber Zeit-Online ist auf dem richtigen Weg: „Falls das Gesetz nun also auch noch vom Bundesrat bestätigt wird, werden Anwälte ein Vermögen damit verdienen, darüber zu diskutieren, wie kurz noch immer zu lang ist.“

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.