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#ChatGPT: Steht die Künstliche Intelligenz vor einer Zeitenwende? Ein Lob dem technologischen Kopistentum – #Notizzettel für den Livetalk mit Professor Wolfgang Wahlster

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Vorbereitung auf den Livetalk mit Professor Wolfgang Wahlster zum Thema: #ChatGPT: Steht die Künstliche Intelligenz vor einer Zeitenwende?

Gute Einordnung von Georg Fischer: “GPT3 generiert keine unbrauchbaren Buchstabenketten – sondern im besten Falle Formulierungen, Absätze oder sogar längere, in sich geschlossene Texte mit Sinn und Bedeutung. Das klingt aufregend, geheimnisvoll und sogar ein bisschen beängstigend. Dass Sprachverarbeitungstechnologien wie GPT3 für Veränderungen sorgen werden, ist offensichtlich. Die Frage ist eher: Wie tief werden diese Veränderungen greifen? Eine definitive Antwort auf diese Frage zu finden ist nicht einfach. Und doch verdeckt der aufgeregte Diskurs um die neue Technologie, was GPT3 eigentlich ist: eine Kopiertechnologie, die durch massenhafte Mustererkennung lernt, mit Informationen umzugehen, diese zu bewerten und zu ordnen, um daraus neue Aussagen zu generieren. GPT3 sollte daher bis auf Weiteres als lernende und sich selbst verbessernde Remix-Maschine verstanden werden: schon mächtig (und in Zukunft noch mächtiger), aber dennoch als Technologie, die vor allem Texte rekombiniert, dafür auf präzise Anfragen angewiesen ist sowie auf das Material, das sie findet.”

Mit GPT3 und anderen digitalen Technologien, die auf maschinellem Lernen basieren und sich aus Textkopien speisen, deute sich nach Ansicht von Fischer ein weiterer Schub technischer Reproduzierbarkeit an. “Diesmal auf der Ebene der Referenzialität: Denn nun sind automatisierte Arrangements von textuellen Einheiten (Sprache, Sätze, Wörter, Buchstaben) möglich, deren Bedeutungsgehalt Menschen als (mehr oder weniger) sinnvoll erleben. Interessant ist auch: Ohne die vielen hunderttausend Replikationen von Texten, mit denen GPT3 trainiert wurde, wäre der Schub auf der Referenz-Ebene nicht möglich gewesen. Die Qualität des Texte-Korpus und die Menge der verfügbaren Texte ist entscheidend. Ohne die Open-Access-Bewegung würden sich die Antworten von GPT3 vermutlich ganz anders lesen.”

Die Anforderungen für Menschen aus der schreibenden Zunft, darunter Journalisten, Schriftstellerinnen, Drehbuchautoren, wissenschaftliche Autorinnen und andere, werden sich mittelfristig verändern.

“Gleichwohl heißt das nicht, dass ihre Arbeit vollkommen überflüssig werden wird. Wahrscheinlicher ist, dass Technologien wie GPT3 vor allem mechanische und generische Textarbeiten ergänzen und teils auch ersetzen werden. Das könnte solche Genres wie Zusammenfassungen, kurze Dossiers, Erklärungen, Beipackzettel und andere Formate betreffen, die vor allem auf dem Zusammentragen und Aufbereiten von Informationen beruhen”, erläutert Fischer. Sein Rat. Neue Kopiertechnologien erfordern neue Kompetenzen. Daher könnte man im Sinne von Dirk von Gehlen ausrufen: Ein Lob der Kopie.

Der Literaturkritiker Hellmuth Karasek schrieb 1990 in einem Spiegel-Artikel, dass die Montage von Fundstücken zu den häufigsten Kunsttechniken zählt: Walter Kempowski, Georg Büchner, Thomas Mann, Alfred Döblin, Arno Schmidt, Joseph Roth, Peter Weiss oder Karl Kraus: Sie alle haben abgeschrieben und dazu das Abgespickte zwecks Tarnung auch noch leicht redigiert: „Alle haben sie plagiiert, spätestens seit Büchner mit 23 Jahren mitten in der Sünde des Abschreibens starb, der in seinen ‚Woyzeck‘ teilweise wörtlich zwei gerichtsmedizinische Gutachten einarbeitete und in seinem Stück ‚Dantons Tod‘ wörtlich Redeprotokolle der Französischen Revolution zitierte. Ohne Quellenangabe“, so Karasek.

Viele Erzähler, Maler, Musiker der Moderne seien nicht Erfinder, sondern Finder. Und das gelte nicht erst für die Moderne. Shakespeare etwa war so ein Ausplünderer, sein „Hamlet“ wäre heute vor einem Plagiatsprozess nicht sicher. Der große österreichische Volksdramatiker Johann Nepomuk Nestroy habe keines seiner über 80 Stücke selber erfunden – es sind meist Bearbeitungen französischer Possen, deren Plot er ungeniert übernahm.

Auch in der Wirtschaft sind die Kopisten, Kombinierer, Plagiatoren und Imitatoren eine unverzichtbare Quelle des Fortschritts und Wohlstandes. Darauf verweist der FAZ-Redakteur Rainer Hank. Die Wirtschaft lebt vom Kopistentum. Patentrecht und Copyright werden häufig als Waffe gegen Konkurrenten missbraucht. „Längst haben die Wirtschaftshistoriker herausgefunden, dass rückständige Volkswirtschaften mit dem Abkupfern existierender Technologien ihr Wachstum befeuern: Aufholen durch Nachahmen. Japan und Korea hat diese Strategie nach dem Zweiten Weltkrieg enorm genutzt. Häufig spielt der Zufall eine Rolle: Bei einem flüchtigen Besuch in amerikanischen Supermärkten sahen japanische Autofirmen-Vorstände, wie dort die Ware automatisch nachgefüllt wurde. Das war die Geburt der Just-in-time-Produktion.” Die steht zwar wegen der angespannten Lage des globalen Handels in Frage, war aber ein echter Katalysator für die Steigerung der Produktivität.

Was heißt heute noch Original und was Kopie bei einem Medium, „in dem alles auf dem Prinzip der Kopie basiert“, fragt sich Urs Gasser im Interview mit Dirk von Gehlen (abgedruckt im von Gehlen-Buch „Lob der Kopie“ S. 54 ff.): „Ich glaube, durch die Digitalisierung werden so viele Grenzen unscharf, dass wir da enormen Gesprächsbedarf haben – zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen, aber auch zwischen den Generationen.“

Schon in seinem Smart-Web-Projekt hat Professor Wolfgang Wahlster immer wieder von Antwortmaschinen als Ablösung von Suchmaschinen gesprochen: Zur Zeit dominiere ein primär syntaktisches Web mit Layout-, aber ohne Bedeutungsannotationen.

„Das führt zu einer Informations- beziehungsweise Linküberflutung, da beispielsweise Textdokumente letztlich auf eine sinnfreie Kombination aus Buchstaben reduziert werden, Fotos und Videos sind nur Ansammlungen von verschiedenfarbigen Pixeln“, sagte Wahlster vor einigen Jahren.

Die semantische Wende führe zu einem hochpräzisen Antwortverhalten in einem Web, das Sinnzusammenhänge in den Mittelpunkt stellt. „Wenn es also gelingt, die Semantik von Texten, Bildern, Gesten und künstlerischen Darbietungen durch standardisierte Begriffe so zu formalisieren, dass die so gewonnenen Daten maschinenlesbar sind, dann könnte die Vision der Antwortmaschine Realität werden“, so Wahlster. Eine klassische Suchmaschine wäre dann überflüssig.

Wahlster war zwischen 1982 und Dezember 2018 Inhaber eines Lehrstuhls für Informatik an der Universität des Saarlandes sowie von 1997 bis zum Januar 2019 Direktor und CEO des 1988 gegründeten Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Er ist seit 2003 Mitglied in der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (Kungliga Vetenskapsakademien), welche unter anderem das Komitee zur Vergabe der Nobelpreise für Physik und Chemie stellt. Außerdem ist er Mitglied der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (acatech). Am Mittwoch, den 22. Februar, um 11 Uhr befragen wir Wahlster in einem Livetalk. Ihr könnt mitdiskutieren und Fragen stellen.

Man hört, sieht und streamt sich.

Rege Teilnahme auf LinkedIn.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

4 Kommentare zu "#ChatGPT: Steht die Künstliche Intelligenz vor einer Zeitenwende? Ein Lob dem technologischen Kopistentum – #Notizzettel für den Livetalk mit Professor Wolfgang Wahlster"

  1. Bericht auf tagesschau.de: Momentan werden 73 Prozent der großen KI-Modelle in den USA und 15 Prozent in China entwickelt. Angesichts dieser Entwicklung sorgen sich Digitalexperten, dass die deutsche und europäische Digitalwirtschaft mal wieder abgehängt werden könnte. Denn in Europa gibt es zwar viel Know-how, was Künstliche Intelligenz angeht. Doch die Verfügbarkeit von Rechenleistung setzt der weiteren Entwicklung derzeit Grenzen. In den USA plant allein Microsoft, zehn Milliarden Dollar nur in Open AI zu investieren. Bei einem Entwicklerteam von rund 400 Personen werde der größte Teil dieses Geldes in die Rechnerleistung fließen, erklärt Dominik Rehse vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Dagegen würden die in Deutschland bis 2025 eingeplanten staatlichen drei Milliarden Euro für die KI-Förderung auf viele kleinere Maßnahmen verteilt. Seit der ursprünglichen Konzeption der KI-Strategie im Jahr 2018 – und eines Updates 2020 – sei die Entwicklung von KI so rasant verlaufen, dass Deutschland hinterherhinke, die notwendige Infrastruktur an Rechenleistung aufzubauen. Eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hat nun untersucht, wie Deutschland aufholen könnte: die sogenannte LEAM-Machbarkeitsstudie. LEAM steht dabei für “Large European AI Models”, eine Initiative des KI-Bundesverbands. Der argumentiert, wenn Deutschland nicht eigenständig diese Basistechnologie entwickeln und bereitstellen könne, werde die deutsche Industrie auf ausländische Dienste ausweichen müssen. Mit allen Schwierigkeiten, die sich dabei für Datenschutz, Datensicherheit und ethische Nutzung von KI-Modellen ergeben. Die LEAM-Initiative empfiehlt, dass in Deutschland eine KI-Supercomputing-Infrastruktur geschaffen wird. Mit rund 400 Millionen Euro könne ein Rechenzentrum aufgebaut werden, das nicht nur für die Entwicklung und das Training von großen KI-Modellen genutzt werden könne, sondern auch kleineren Firmen Rechenzeit zur Verfügung stellen könne. Die Initiative betont, dies müssten nicht ausschließlich staatliche Mittel sein, erhofft sich aber, dass die Bundesregierung hier eine Initiative ergreift. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es dazu auf Nachfrage, man halte den Aufbau einer europäischen Infrastruktur, die vertrauenswürdige und transparente Open Source Foundation-Modelle entwickele, für eine geeignete Maßnahme. Deshalb habe man LEAM als Teil der Leuchtturmmaßnahme “KIKStart” in der Digitalstrategie verankert. Wer dort nachliest, erfährt aber nur vage, dass die Bundesregierung KI-Servicezentren für die stärkere Nutzung auch im Mittelstand aufbauen will. Über den Aufbau oder die Förderung eines Großrechenzentrums ist bislang in der Digitalstrategie nichts zu finden. Dominik Rehse vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung hält eine größere Konzentration der finanziellen Mittel für geboten. Es sei notwendig, auch an dieser Stelle einen “Wumms” zu setzen. Man könne sich nicht darauf ausruhen, nur von einer KI mit europäischen Werten zu sprechen, man müsse sie auch technisch ermöglichen.

  2. Holger Schmidt schreibt: Deutsche Unternehmen tun es schon wieder: In der Krise die strategischen Digitalprojekte zusammenstreichen und sich auf die Kostensenkung konzentrieren. So geschehen schon in den Jahren 2001 (Neuer Markt), 2008 (Finanzkrise), 2020 (Corona) und 2022 (Ukraine) offenbar wieder. Mit jeder Krise ist der Abstand zu den Ländern, die weiterhin strategisch ins Digitale investiert haben, geworden ist. Jede Wette: Auch nach dieser Krise werden wir feststellen, dass die Wettbewerber die Anwendungen für ChatGPT gebaut haben und die Weichen in Richtung des KI-Zeitalters gestellt haben. Immerhin: Die EU will Anwendungen wie ChatGPT auf die “Hochrisikoliste” setzen. Besser reguliert statt investiert….

  3. Wolfgang Wahlster war zwischen 1982 und Dezember 2018 Inhaber eines Lehrstuhls für Informatik an der Universität des Saarlandes sowie von 1997 bis zum Januar 2019 Direktor und CEO des 1988 gegründeten Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Er ist seit 2003 Mitglied in der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (Kungliga Vetenskapsakademien), welche unter anderem das Komitee zur Vergabe der Nobelpreise für Physik und Chemie stellt. Außerdem ist er Mitglied der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (acatech).

  4. Constantin Sohn:
    Nenne mir 10 Fragen die ich Wolfgang Wahlster in einem Interview zum Thema ChatGPT stellen kann

    ChatGPT:
    Gerne! Hier sind zehn mögliche Fragen, die Sie Wolfgang Wahlster in einem Interview zum Thema ChatGPT stellen könnten:

    Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung von Chatbots und Sprachassistenten im Bereich künstlicher Intelligenz?
    Wie unterscheidet sich ChatGPT von anderen Chatbots und welche Vorteile bietet es im Vergleich?
    Welche Anwendungsbereiche sehen Sie für ChatGPT in der Zukunft?
    Wie könnte ChatGPT in der Kundenservice-Branche eingesetzt werden und welche Herausforderungen müssen dabei beachtet werden?
    Wie sieht die Technologie hinter ChatGPT aus und welche Faktoren sind wichtig für die Leistungsfähigkeit?
    Wie könnte ChatGPT in der Bildung eingesetzt werden, um Schülern und Studenten zu helfen?
    Wie wird ChatGPT in Zukunft mit anderen künstlichen Intelligenztechnologien interagieren, wie zum Beispiel Machine Learning oder Deep Learning?
    Wie wird ChatGPT in Zukunft mit den zunehmenden Datenschutzanforderungen umgehen, insbesondere im Hinblick auf die EU-Datenschutzgrundverordnung?
    Wie wird ChatGPT mit der Herausforderung umgehen, menschenähnliche Antworten zu liefern, ohne dabei Vorurteile oder diskriminierende Antworten zu geben?
    Wie wird sich ChatGPT in Zukunft entwickeln und welche neuen Funktionen werden wir in den kommenden Jahren sehen?

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