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ChatGPT, der Bundesdatenschutzbeauftragte und die Gebührenkeule des Informationsfreiheitsgesetzes

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Bei der Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes wurde mit großen Getöse versprochen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden bekommt:

„Eine Begründung durch Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Art ist nicht erforderlich.“

Hört sich toll an. Die Realität sieht anders aus. Bei Anfragen von Journalisten und der Zivilgesellschaft überbieten sich die Behörden in der Kunst des Abwimmelns. Die Gummiparagrafen des IFG machen es möglich. Der Exekutive wird es leicht gemacht, unliebsam Fragende in die Schranken zu weisen. Ein stattlicher Anteil der insgesamt 13 Paragrafen regelt, wie man Bürgerinnen und Bürger wieder los wird: Etwa Paragraf 3: Schutz von besonderen öffentlichen Belangen, Paragraf 4: Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses, Paragraf 5: Schutz personenbezogener Daten oder Paragraf 6: Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen.

Sehen sich die Behörden mit besonders hartnäckigen Fällen konfrontiert, die sich nicht abblocken lassen und auf ihrem Recht auf Informationsfreiheit bestehen, greifen die Beamten zur Allzweckwaffe:

Paragraf 10: Gebühren und Auslagen.

Wie hoch diese tatsächlich sein können, liegt im Ermessen der Behörde und variiert je nach Hartnäckigkeitsgrad. Also ist das nur schwer kalkulierbar. Die Abschreckung wirkt erstaunlich gut. Wer nicht über entsprechende Budgets verfügt, zieht die Anfrage lieber zurück.

So agiert nun auch der Bundesdatenschutzbeauftragte auf meine Anfrage zur möglichen Sperrung von ChatGPT. Ihr könnt meinen Fragenkatalog auf fragdenstaat.de abrufen.

Auslöser der Anfrage steht in Ziffer 1 meiner 15 Fragen:

Auf Mastodon hat der Bundesdatenschutzbeauftragte einen möglichen Rechtsverstoß artikuliert, der zu einer Sperrung führen könnte: “Alle Gefährdungen der informationellen Selbstbestimmung, die so schwerwiegend sind, das keine Frist ausreichend erscheint, sondern Datenverarbeitung sofort bis zur Veränderung eingestellt werden muss. Z.B. wenn sensible Daten öffentlich würden“, so Kelber. Welche Gefährdungen könnten das sein, die von ChatGPT ausgehen?

Auszug aus dem Schreiben vom 20. Juni (meine Anfrage stellte ich am 12. April) des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI):

“Hinsichtlich Ziffer 10 Ihres Antrages liegt mir eine amtliche Information im Sinne Ihres Antrages vor. Es handelt sich um eine Publikation des Ministeriums für Schule und Bildung
des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese können Sie unter
https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/handlungsleitfade
n_ki_msb_nrw_230223.pdf herunterladen (§ 9 Abs. 3 IFG).
Ferner liegt mir der Fragebogen vor, den einige Landesaufsichtsbehörden an Open AI gerichtet hatten. Der Fragebogen wurde bereits an anderer Stelle veröffentlicht. Sofern Sie dennoch eine Zugangsverschaffung durch den BfDI wünschen, wären zuvor die betroffenen Landesbehörden zu beteiligen. Ich bitte Sie insoweit ggf. um einen Hinweis. Mir liegt darüber hinaus Korrespondenz mit Journalisten und Presseunternehmen zu dem von Ihnen mit Ihrem IFG-Antrag verfolgten Themenbereich vor. Obgleich diese Korrespondenz derzeit nicht von Ihrem IFG-Antrag erfasst sein dürfte, stelle ich anheim, mir mitzuteilen, ob Sie Ihren IFG-Antrag auch auf diese amtlichen Informationen erweitert wissen
möchten.

Sollte dies der Fall sein, wäre ein Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen, da personenbezogene Daten Dritter und/oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter betroffen sein könnten. Ich bitte Sie deshalb vorsorglich um Mitteilung, ob Sie ggf. mit der Unkenntlichmachung von personenbezogenen Daten einverstanden sind. Die Bearbeitung Ihres IFG-Antrages dürfte bei einem Drittbeteiligungsverfahren den Rahmen einer einfachen Auskunft übersteigen und deshalb mit der Entstehung von Gebühren verbunden sein. Im Rahmen der Bearbeitung Ihres Antrages dürfte eine Vielzahl von Stellen außerhalb des BfDI zu beteiligen sein. Unter Berücksichtigung hiesiger Erfahrungswerte gehe ich davon aus, dass ein Personalaufwand von rund 4 Stunden im höheren Dienst erforderlich sein wird. Unter Anwendung der pauschalierten Stundensätze gemäß der Begründung zur Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz sind für den höheren Dienst 60,00 Euro pro Arbeitsstunde anzusetzen. In der Gebührenpraxis des BfDI wird der Brutto-Betrag
nicht 1-zu-1 in die Gebührenermittlung eingestellt, sondern nur mit einem Anteil von 70 von 100. Somit ist voraussichtlich mit der Entstehung von Gebühren in Höhe von 150,00 bis 180,00 Euro zu rechnen. Ich bitte Sie um Mitteilung, ob Sie auch im Falle der Gebührenpflichtigkeit an Ihrem Antrag festhalten.”

So die Antwort. Wie lapidar. Welche Gefährdungen gehen denn nun von ChatGPT aus, Herr Kelber? Ist das so schwer zu beantworten? Für den Hinweis auf Gebühren hat der Bundesdatenschutzbeuftragte über zwei Monate benötigt.

Unter Fristen steht:

Nach den Informationsfreiheitsgesetzen ist eine Behörde verpflichtet, einen Antrag auf Informationszugang “unverzüglich” zu beantworten. Die Information soll laut Gesetz spätestens innerhalb eines Monats herausgegeben werden, wobei diese “Soll-Vorschrift” gleichzeitig bedeutet, dass es keine Sanktionsmöglichkeit bei Überschreitung der Frist gibt.

Auch das ist ein Gummi-Paragraf, um Anfragende schlichtweg zu zermürben.

Recherche von fragdenstaat.de: Nach der Evaluation des Bundes-IFG überziehen Behörden bei einem Drittel aller Anfragen ihre Frist.

Dies führt häufig dazu, dass gerade bei politisch relevanten Themen ein Sachverhalt nicht mehr aktuell ist, wenn er nach Monaten an die Öffentlichkeit gelangt.

Ich fühle mich verscheißert und werde für dieses Katz-und-Maus-Spielchen des obersten Datenschützers keine Gebühren zahlen.

Die Vorgehensweise von Kelber ist von ihm ja klar und deutlich artikuliert worden.

Siehe auch: “Auf die IFG-Anfrage bekommen Sie die zwei Sätze der Presseanfrage und die eMail an die GARANTE (italienische Aufsichtsbehörde) mit der Bitte um Teilen von Informationen”, schreibt der Bundesdatenschutzbeauftragte ohne Kenntnis der Fragen zu #ChatGPT

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

1 Kommentar zu "ChatGPT, der Bundesdatenschutzbeauftragte und die Gebührenkeule des Informationsfreiheitsgesetzes"

  1. Reaktion aus dem Netz: Die Vorgehensweise des Bundesdatenschutzbeauftragten ist aus verschiedenen Gründen scharf zu kritisieren.

    Erstens, trotz der großen Verantwortung und der umfassenden Befugnisse, die ihm durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verliehen wurden, fehlt es an Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Verfolgung und Ahndung von Datenschutzverstößen. Bürgerinnen und Bürger, die eine Beschwerde einreichen, werden zwar im Allgemeinen über den Stand und das Ergebnis der Beschwerde informiert, aber es gibt kaum Informationen darüber, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte seine Ermessensspielräume nutzt und welche Kriterien bei der Entscheidungsfindung angewendet werden. Dies steht im Widerspruch zu dem Grundsatz der Rechtssicherheit und erschwert den Bürgerinnen und Bürgern die Einschätzung, ob ihre Rechte ausreichend geschützt werden.

    Zweitens, die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern scheint unzureichend zu sein. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat die Aufgabe, die Öffentlichkeit über Risiken, Vorschriften, Garantien und Rechte im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten aufzuklären. Allerdings ist die Informationsvermittlung oft kompliziert und für Laien schwer verständlich, was die Effektivität dieser Aufklärungsarbeit in Frage stellt.

    Drittens, obwohl der Bundesdatenschutzbeauftragte eine unabhängige Behörde ist, wird er von der Bundesregierung vorgeschlagen und vom Deutschen Bundestag gewählt. Diese Konstellation birgt das Risiko politischer Einflussnahme und kann das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Neutralität des Bundesdatenschutzbeauftragten untergraben.

    Insgesamt erfordert die Arbeit des Bundesdatenschutzbeauftragten mehr Transparenz, bessere Kommunikation und eine stärkere Unabhängigkeit, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Datenschutz in Deutschland zu stärken und zu gewährleisten, dass die Bürgerrechte in der digitalen Welt effektiv geschützt werden.

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