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Mittelständisches Geschäftsklima im Sturzflug: Jetzt ist Wirtschaftspolitik als Staatskunst gefragt

illustration of covid virus and recession line graph
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Das Geschäftsklima der kleinen und mittleren Unternehmen stürzt im Juni regelrecht ab. Gegenüber dem Vormonat sinkt es um 5,4 Zähler, also fast so stark wie unmittelbar nach dem Gaslieferstopp im vergangenen September. Mit einem Niveau von -11,8 Saldenpunkten liegt der zentrale Stimmungsindikator des KfW-ifo-Mittelstandsbarometers somit wieder deutlich unter der Nulllinie, die den historischen Durchschnitt markiert. Ursächlich ist vor allem ein Pessimismusschub bei den Erwartungen, aber auch die Lagebeurteilung gibt deutlich nach:

Im Spätsommer und Herbst 2022 waren die Geschäftserwartungen so pessimistisch wie zuvor nur während der Finanz- und Coronakrise. Mit Auflösung der Gefahr einer Gasmangellage folgte eine Erholungsrally, doch jetzt befinden sich die auf Sicht von sechs Monaten abgefragten Er- wartungen schon wieder im Sturzflug. Im Juni sinken sie um 7,3 Zähler, nachdem sie im Mai schon um 7,0 Zähler nachgegeben haben, und fallen so auf ein weit unterdurchschnittliches Niveau von -21,7 Saldenpunkten.

Das Geschäftsklima der kleinen und mittleren Unternehmen ist branchenübergreifend rückläufig. Besonders groß fällt das Minus im Juni aber beim Einzelhandel aus, dessen Geschäftsklima um 10,0 Zähler einbricht. Ursächlich ist vor allem ein Absturz der Lagebeurteilungen. Zwar ist es plausibel, dass die Stimmung in der seit langem von realen Umsatzrückgängen betroffenen Branche nachgibt. Das massive Ausmaß der Veränderung ohne ein singuläres Ereignis wie etwa einen Lockdown spricht allerdings für Sondereffekte, die sich in den Folgemonaten umkehren könnten. Mit einem Verlust von 7,5 Zählern auf -18,1 Saldenpunkte sackt das Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe ebenfalls besonders stark ab.

Hier sind vor allem erheblich schlechtere Geschäftserwartungen einhergehend mit stark rückläufigen Exporterwartungen (-7,1 Zähler) ursächlich, während sich die Lagebeurteilung nur moderat eintrübt. Sowohl die zuletzt enttäuschende Konjunkturerholung in China als auch die von vielen erwartete technische Rezession in den USA dürften gerade den Ausblick in vielen Industrieunternehmen trüben, hinzu kommen in einigen Branchen Sorgen über die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die geopolitischen Schwierigkeiten mit dem wichtigen Handelspartner China.

Der Großhandel, die Dienstleistungen und das Baugewerbe melden im Juni ebenfalls ein rückläufiges Geschäftsklima, wobei die Eintrübung hier jedoch etwas geringer ausfällt. Die Stimmung in den großen Wirtschaftsbereichen Industrie und Dienstleistungen divergiert somit noch stärker als zuvor zulasten der Industrie.

Die Entwicklung des KfW-ifo-Geschäftsklimas im Juni fügt sich ein in die Reihe der enttäuschenden Konjunkturdaten. Verflogen ist inzwischen der kurzzeitige Konjunkturoptimismus vom Frühjahr. Stattdessen befindet sich die deutsche Wirtschaft gerade in einer Art Schwebezustand. Vor allem im Verarbei- tenden Gewerbe fallen die Stimmungsindikatoren inzwischen wieder sehr schwach aus. Sicherlich bedeutet der Pessimismusschub in den Unternehmen ein Abwärtsrisiko für die aktuellen Prognosen der großen Wirtschaftsforschungsinstitute, der Bundesbank oder auch von KfW Research, die zwar alle aufgrund des schlechten Jahresstarts ein leicht negatives Wachstum im Gesamtjahr 2023 erwarten, spätestens ab der zweiten Hälfte des laufenden Jahres jedoch alle von einer mehr oder weniger starken Konjunkturerholung ausgehen.

Ich sehe den Staat gefordert, die nötigen Investitionen in Infrastruktur, Umwelttechnologien, Wissenschaft und Sprunginnovationen zu tätigen. Nach drei Jahren Pandemie und der darauffolgenden Energiekrise durch den russischen Angriff auf die Ukraine darf die öffentliche Hand keine weiteren Belastungen für die Wirtschaft inszenieren. Das Gegenteil ist jetzt gefragt.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

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