Unterstützen! Appell gegen die Angriffe auf WikiLeaks

Die tageszeitung und andere Medien veröffentlichen einen Appell gegen die Angriffe auf Wikileaks.

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1. Die Angriffe auf Wikileaks sind unangebracht

Die Internetveröffentlichungsplattform Wikileaks steht seit der Veröffentlichung der geheimen Botschaftsdepeschen der USA unter großem Druck. In den USA werden die Wikileaks-Verantwortlichen als „Terroristen“ bezeichnet, es wird sogar ihr Tod gefordert. Große internationale Unternehmen wie Mastercard, Paypal und Amazon beenden ihre Zusammenarbeit mit Wikileaks – ohne dass eine Anklage gegen die Organisation vorliegt, geschweige denn eine Verurteilung. Gleichzeitig wird die technische Infrastruktur von Wikileaks anonym über das Internet attackiert.

Dies sind Angriffe auf ein journalistisches Medium als Reaktion auf seine Veröffentlichungen. Man kann diese Veröffentlichungen mit gutem Grund kritisieren, ebenso die mangelnde Transparenz, welche die Arbeit der Plattform kennzeichnet. Aber hier geht es um Grundsätzliches: die Zensur eines Mediums durch staatliche oder private Stellen. Und dagegen wenden wir uns. Wenn Internetunternehmen ihre Marktmacht nutzen, um ein Presseorgan zu behindern, kommt das einem Sieg der ökonomischen Mittel über die Demokratie gleich. Diese Angriffe zeigen ein erschreckendes Verständnis von Demokratie, nach dem die Informationsfreiheit nur so lange gilt, wie sie niemandem wehtut. 


2. Publikationsfreiheit gilt auch für Wikileaks

Die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verbriefte Publikationsfreiheit ist eine Grundlage der demokratischen Gesellschaften. Sie gilt nicht nur für klassische Medien wie Zeitungen oder Fernsehanstalten. Das Internet ist eine neue Form der Informationsverbreitung. Es muss den gleichen Schutz genießen wie die klassischen Medien. Längst hätte es einen weltweiten Aufschrei gegeben, wenn die USA ein Spionageverfahren gegen die New York Times, einen finanziellen Kreuzzug gegen den Spiegel oder einen Angriff auf die Server des Guardian führen würden.

3. Recht auf Kontrolle des Staates

Die Kriminalisierung und Verfolgung von Wikileaks geht über den Einzelfall hinaus. Die Veröffentlichung als vertraulich eingestufter Informationen in solchen Mengen soll verhindert werden. Denn die Menge an Dokumenten liefert der Öffentlichkeit einen weit tieferen Einblick in staatliches Handeln als bisherige Veröffentlichungen in klassischen Medien. Der Journalismus hat nicht nur das Recht, sondern die Aufgabe, den Staat zu kontrollieren und über die Mechanismen des Regierungshandelns aufzuklären. Er stellt Öffentlichkeit her. Ohne Öffentlichkeit gibt es keine Demokratie. Der Staat ist kein Selbstzweck und muss eine Konfrontation mit den eigenen Geheimnissen aushalten.
Wir fordern alle Staaten und auch alle Unternehmen auf, sich diesem Feldzug gegen die bürgerlichen Rechte zu widersetzen. Wir fordern alle Bürger, bekannt oder unbekannt, in politischen Positionen oder als Privatpersonen, auf, für die Einstellung der Kampagne gegen die Meinungs- und Informationsfreiheit aktiv zu werden. Wir laden alle ein, sich an dem Appell für die Medienfreiheit zu beteiligen.

WikiLeaks, Thoreau und die Umlenkung der Staatsgewalt gegen den Staat selbst

Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, hat in einem Gastbeitrag für die FAZ noch einmal Klarheit in die WikiLeaks-Debatte gebracht.

Die durch keine gesetzliche Grundlage legitimierten Aktivitäten der Vereinigten Staaten gegen die unliebsame Publikation von WikiLeaks-Daten vergleicht Rieger mit dem Versuch, eine Zeitung einstampfen zu lassen, den Vertrieb zu verhindern und das Geld aus dem Verkauf zu beschlagnahmen.

„In der Print-Ära wäre das vermutlich sogar gelungen. Druck und Vertrieb, das sind heute die Internetserver-Anbieter wie Amazon, die genötigt wurden, Wikileaks von ihren Servern zu werfen. Der Geldfluss – im Falle von Wikileaks die Spenden – wurde durch Einfluss auf das Quasi-Oligopol Mastercard, Visa und Paypal unterbrochen. Wie dünn das rechtliche Eis ist, auf dem sich etwa Paypal hier bewegt, zeigt das schnelle Einknicken und Freigeben der Spendengelder, sobald die Wau-Holland-Stiftung, die einen Teil der Wikileaks-Spenden verwaltet, ihren Anwalt losschickte“.

Die losbrechende Wut aus dem Netz, die sich in Boykottaufrufen und Blockade-Angriffen gegen Amazon und die Zahlungsdienstleister äußerte, sei nicht Teil eines Krieges. Kriege werden von Staaten gegeneinander geführt und richten erhebliche Verwüstungen an. „Schon ein Vergleich des technischen Niveaus einer echten Cyberwaffe, wie etwa des Stuxnet-Wurms, der die iranischen Urananreicherungszentrifugen sabotierte, mit den einfachen Programmen, die von den spontan agierenden Blockierern eingesetzt wurden, macht klar, dass es hier nicht um kriegerische Auseinandersetzungen geht. Die Websites der Kreditkartenunternehmen waren nur für eine Weile nicht erreichbar, genau wie zuvor die Hauptseite von Wikileaks, die von nach eigener Beschreibung staatstreuen amerikanischen Online-Vandalen blockiert worden war“, so Rieger.

Dass sich die Auseinandersetzung um Wikileaks auch auf die Ebene der Infrastruktur ausgedehnt hat, auf Domains, Webserver und Geldflüsse, sei nicht verwunderlich. „Die schmutzige Wahrheit ist, dass das Internet kein öffentlicher Raum ist und die Öffentlichkeit im Netz zu einem guten Teil von der Gnade der Firmen abhängt, die die Server beherbergen, Datenströme weiterleiten und Geldflüsse transportieren. Die Rechtslage, nach der gerade Publikationen in den Vereinigten Staaten den weitreichenden Schutz des ersten Verfassungszusatzes genießen, spielte plötzlich keine Rolle mehr. Viele der großen Internet-Firmen operieren von Amerika aus und sind auf das Wohlwollen der Regierung angewiesen. Die nutzte diese Abhängigkeit in ihrer ersten Angriffswelle gegen Wikileaks aus – völlig ohne Rechtsgrundlage. Geholfen hat es wenig, die Wikileaks-Server sind nun auf Tausenden Rechnern rings um den Planeten gespiegelt. Aus dem Netz zu bekommen sind die Informationen nicht mehr. Die Frage ist, welche Route die amerikanische Regierung als Nächstes wählt, um die missliebigen Leaker mundtot zu machen“.

Die Ausführungen von Rieger untermauern, wie es um die machtpolitischen Gewichtungen in der Auseinandersetzung zwischen Staaten und Bürgern bestellt ist. Alle Sirenengesänge der Regierungen und Konzerne, die Assange zum Staatsfeind, zum Cyberterroristen und zum Sicherheitsrisiko abstempeln, dienen der Erhaltung von Machtstrukturen.

Die Kriminalisierung des WikiLeaks-Gründers und die politisch motivierte Schauprozess-Denunziantenstrategie gegen Assange werden die Netzgemeinde weiter mobilisieren. Jetzt ist Zivilcourage gefragt. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen. Jetzt weiß man, wer auf der Seite der Freigeister und wer auf der Seite der Staatsapologeten steht. Wer sich hinter irgendwelchen Institutionen verschanzt und seine funktionelle Macht ausnutzt, um Menschen zu reglementieren, zu drangsalieren und zu erziehen, wer vom Allgemeinwohl schwafelt, statt seine eigene Meinung zu artikulieren, der stößt bei mir auf Granit, der erntet anarchischen Ungehorsam im Geiste von Henry David Thoreau („Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“).

„Thoreau macht ganz deutlich: Gewaltloser Widerstand, das heißt nicht einfach Protest gegen staatliche Willkür; es heißt: Umlenkung der Staatsgewalt gegen den Staat selbst; es heißt: Anwendung des Judo-Prinzips in der Politik“, schrieb W. E. Richartz.

Siehe auch:
Medienzensur in den USA – Was WikiLeaks mit Internetsperren zu tun hat.

APPELL GEGEN DIE KRIMINALISIERUNG DER PLATTFORM – Wikileaks: Zeitungen zeigen sich solidarisch.

Denunzianten-Manöver aus dem Agenten-Lehrbuch gegen Julian Assange – Petition läuft auf Hochtouren

Die massive Einschüchterungs-Kampagne gegen WikiLeaks und die durchsichtigen Denunzianten-Manöver aus dem Agenten-Lehrbuch gegen Julian Assange führen zu einer unglaublichen Solidaritätswelle im Netz. So haben auf der Plattform des Avaaz Netzwerkes schon über 600.000 WikiLeaks-Unterstützer eine Petition gegen die freiheitsfeindlichen Aktionen von Regierungen und Konzerne unterzeichnet.

Avaaz will jetzt die Schallmauer von einer Million durchbrechen. Wenn man sich den Ticker anschaut, wird das bald gelingen. Also weitersagen und unterzeichnen!

Wikileaks, die Doppelzüngigkeit der Regierenden und der Gipfel-Provinzialismus

„Die Publikationen von Wikileaks entsprechen dem Grundsatz der Hackerethik nach freier Verfügbarkeit von staatlichen Informationen als Basis einer demokratischen Gesellschaft“, stellte der Chaos Computer Club heute klar. Und treffend bemerkt der CCC:

„Anders als Menschen haben staatliche Stellen gerade keine Privatsphäre, die es zu schützen gilt, sondern lediglich Geheimnisse. Grundsätzlich betrachtet der CCC einen Anspruch des Bürgers auf die ihn betreffenden Informationen und die Transparenz der in seinem Namen erfolgenden staatlichen Aktivitäten als begründet. Die Doppelzüngigkeit der Regierenden wird nicht nur in den veröffentlichten Depeschen deutlich, sondern auch in ihrer Haltung zur Informationsfreiheit“. Auch wenn der Staat sich aufschwingt, das Kindermädchen für unsere Datenschutzbelange zu spielen, geht es doch meistens um Eingriffe in die Freiheit des Netzes, es geht um eine Instrumentalisierung des Datenschutzes für eine Ausweitung reglementierender Eingriffe. Ob Staatsvertreter als Hüter der Privatsphäre taugen, darf bezweifelt werden. Dieser IT-Gipfel ist also kein Beispiel für Internetkompetenz, sondern für einen bürokratischen Eiertanz der politischen Netz-Dilettanten. Da fällt mir eher Goethe ein: Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du. Kaum einen Hauch.

Richtig sagt es der CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn, dass die westlichen Regierungen immer nur dann für Informationsfreiheit eintreten, wenn es andere Länder betrifft. „Sobald es jedoch um mehr als nur Lippenbekenntnisse geht, sobald Daten publiziert werden, die ihre eigenen Heimlichkeiten und Hinterzimmerdeals betreffen, handeln sie offenbar genauso undemokratisch, wie die Staaten, die sie sonst öffentlich lauthals verurteilen.“

Einen Lichtblick sieht der CCC bei einigen deutschen Internet-Providern, die ihren Kunden keine Steine in den Weg legen, wenn sie eine Kopie der Wikileaks-Daten bereitstellen wollen. Denn Internet-Provider sollen und dürfen, genau wie die Post, Angebot und Transport beliebiger Inhalte nicht verhindern. Der CCC ruft dazu auf, diese Freiheit zu nutzen und fordert gleichzeitig die deutschen und europäischen Internet-Anbieter auf, sich nicht von ungesetzlichen Drohungen einschüchtern zu lassen. „Auch die unrechtmäßige Beschränkung von Zahlungswegen wie Paypal, Visa oder Mastercard, die für den Betrieb von freien Informationsdiensten nötig sind, ist nicht hinnehmbar. Sie sind ein deutlicher Hinweis darauf, daß die US-amerikanische Monopolstellung für Online-Zahlungsmethoden als offensives Mittel der Zensur eingesetzt wird“.

Und wenn die strafrechtliche Posse gegen Julian Assange nicht aufhört, muss für seine Freilassung gekämpft werden.