
Vorbereitung auf ein Autorengespräch auf der Fachmesse Zukunft Personal Süd in Stuttgart mit Samit Ayoub zu seinem Buch “MACH’S MENSCHLICH!”. Lesefrüchte aus seinem Opus: “Als Unternehmer und erfahrene Führungskraft habe ich verstanden, dass moderne Raumkonzepte ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn sie eingebettet sind in eine moderne Arbeitswelt: das, was man New Work nennt. Deshalb scheint es mir wichtig, ein klares Verständnis davon zu vermitteln, was es mit New Work auf sich hat, sodass es von Unternehmer:innen und Entscheider:innen in ihren Unternehmen sinnvoll und kulturell nachhaltig integriert werden kann. Vor allem ist mir daran gelegen, meine Kolleginnen und Kollegen im Mittelstand dabei zu unterstützen, ihre vielfältigen Herausforderungen mit einer klaren und praktikablen New-Work-/New-Office-Strategie zu meistern.”
Gegenwärtig sei es eine der größten Herausforderungen, neue Mitarbeitende zu gewinnen und bewährte Mitarbeitende an das Unternehmen zu binden. Die Frage, wie man Wissensarbeit in der hybriden Arbeitswelt organisiert und Unternehmenskultur räumlich erlebbar macht, sei mehr denn je entscheidend für den nachhaltigen Unternehmenserfolg.
Oft werden der Raum und seine Wirksamkeit unterschätzt. “Wissensarbeit findet in ungeeigneten Räumen statt, die weder dem ökonomischen Wachstum noch der menschlichen Potenzialentfaltung dienen. So haben Studien erwiesen, dass 75 Prozent aller Besprechungen in Unternehmen mit zwei bis vier Personen stattfinden, die oft keine geeigneten Räume für ihr Meeting finden, weil die üblichen Konferenzräume zu groß sind. Dieser überschüssige Raum könnte in Gestalt kleiner Rückzugsorte sehr viel sinnvoller für konzentrierte Fokusarbeit genutzt werden. Das ist nur ein Beispiel für die außerordentliche Ressourcenverschwendung, die in vielen Bürogebäuden stattfindet: Man plant und baut am Bedarf vorbei, man gibt den Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeitern die falschen Werkzeuge.”

Aktuell sei die Büroarbeit im deutschsprachigen Raum alles andere als nachhaltig aufgestellt. “Von den rund 750 Millionen Quadratmetern Bürofläche ist etwa die Hälfte dauerhaft ungenutzt. Das ist ökonomisch wie ökologisch fahrlässig. Zumal wenn man bedenkt, dass im weltweiten Vergleich allein 40 Prozent der CO2-Emissionen durch die Bau- und Immobilienwirtschaft verursacht werden. Ungenutzte Büroflächen sind auch von dieser Seite ein inakzeptabler Zustand. Nachhaltig denkende Entscheiderinnen und Entscheider werden sich deshalb nicht mit diesen Zahlen abfinden. Sie machen Ernst damit, dass der Mensch fest in das große Netz des natürlichen Lebens eingewoben ist, und sie richten ihre Aufmerksamkeit nicht allein auf die Menschen von heute, sondern auch auf diejenigen von morgen. „Enkelfähigkeit“ und ökologische Nachhaltigkeit sind für sie gesetzte Werte, ein Wirtschaften zulasten des Ökosystems Erde eine nicht länger tolerierbare Praxis.”
Wenn ich mir die Bauprojekte in Frankfurt am Main anschaue, ist von einer echten Trendwende beim sparsamen Einsatz von Liegenschaften nichts zu sehen.

“Das noch immer in vielen Unternehmen geläufige Modell Ein Beschäftigter = ein Arbeitsplatz ist hingegen überholt. Für jede Aufgabe immer nur denselben Ort zu nutzen, unterstützt die Menschen nicht bei der Arbeit. Auch ist eine solche Arbeitsweise weder wirtschaftlich noch nachhaltig. Für beides ist die Flächennutzung zu hoch. 30 Millionen Wissensarbeiter nutzen im deutschsprachigen Raum rund 750 Millionen Quadratmeter Bürofläche. Das entspricht der 15-fachen Fläche des Stadtgebiets von Köln. Bedenkt man zudem, dass rund 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen durch die Bau- und Immobilienwirtschaft verursacht werden, wird erkennbar, dass eine effiziente Raumnutzung unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten geboten ist. Nimmt man die weltweit steigenden Miet- und Immobilienpreise in Ballungsräumen hinzu, kann auch an den wirtschaftlichen Vorteilen flexibler und effizienter New-Office-Strategien kein Zweifel bestehen. Vor allem aber dienen sie den arbeitenden Menschen. Für jede Aufgabe bietet ein New Office das passende Werkzeug. Die Menschen bleiben in Bewegung: physisch agil und mental agil. Du willst deine Präsentation vorbereiten? Voilà, hier ist der separate Raum für das konzentrierte Arbeiten”, schreibt Ayoub.
Wünschenswert: “In dem Maße, in dem wir uns in unseren Arbeitswelten mit digitalen Geräten umgeben, werden wir die Schönheit und Wertigkeit physischer Objekte neu entdecken lernen: die Ästhetik einer Holzmaserung, die Haptik einer natürlichen Oberfläche, den Duft eines frisch gebrühten Kaffees … Auch werden uns die Qualitätskriterien für materielle Dinge bewusster werden. Wir werden verstehen, welche nicht virtuell simulierbaren Werte und Eigenschaften ihnen innewohnen – die gleichwohl aber unsere Kreativität und Leistungskraft beflügeln.”
Kritik am Status quo:
“Es wird nicht länger möglich sein, Unternehmen ausschließlich nach Maßgabe von Apparaten und Maschinen zu konstruieren, zu organisieren oder zu lenken. An die Stelle der Maschinenmatrix einer neoliberalen, spieltheoretisch-zweckrational organisierten Unternehmenswelt wird ein anderes geistiges Paradigma treten, das menschliches und ökonomisches Wachstum ebenso verbindet wie Funktionalität und Ästhetik.”
Nur mit wirtschaftlicher Rationalität werden sich künftig keine Unternehmen führen lassen.
Siehe dazu auch mein Interview mit Gerhard Fehr: Über Tools, Verhaltensökonomie und die Schwierigkeiten beim persönlichen Reset.
Für mich sind es anmaßende Denker, die einem Weltbild nachlaufen, wie es der Engländer Thomas Hobbes vertrat. Er machte sich eine bereits gängige Vorstellung aus dem 16. Jahrhundert zu eigen, wenn er zu verstehen gab, der Staat, der Zusammenschluss der Menschen zu einer Einheit, eben der „Staatskörper“, sei wie jeder Körper eine Maschine, ein von einem Uhrwerk angetriebener Automat. Die Rechenschieber-Fraktion in den Sozialwissenschaften ist von diesem Theoretiker des politischen Absolutismus nicht weit entfernt. Menschliches Verhalten im Kleinen und im Großen vorherzusagen, ist ein Münchhausen-Projekt: „Bei Kalkülen, die zukünftige Ereignisse betreffen, handelt es sich nicht, wie bei statistischen Aussagen über gegenwärtige Verteilungen, um empirisch nachprüfbare Tatsachen, sondern um Wetten“, bemerkt der Schriftsteller und Mathematik-Kenner Hans Magnus Enzensberger in seiner Schrift „Fortuna und Kalkül“, erschienen in der edition unseld. Wo sich die Zukunftsforschung nicht auf gegenwärtig verfügbare Daten stützen könne, wuchert die Ungewissheit.
„Ob sie sich mit der Konjunkturentwicklung, mit der längerfristigen Wetterprognose oder mit der Börsenspekulation beschäftigt – ihre Ergebnisse sind, man kann es nicht anders sagen, niederschmetternd“, so Enzensberger. Katastrophen, dilettantische Fehlentscheidungen wie beim Problem-BER-Großflughafen, Korruption, Revolutionen, Machtwechsel, disruptive Innovationen oder spontane Reaktionen können die besten Algorithmen nicht erfassen. Menschliche Interaktionen führen zu einer unabsehbaren Zahl von Rückkopplungen, bei denen die Menge der Variablen exponentiell ansteigt. „Exakte Gleichungen versagen vor solchen Aufgaben. Bereits für grobe Annäherungen wäre ein utopischer Rechenaufwand nötig, um die Reflexivität von ökonomischen und politischen Systemen zu messen“, erläutert Enzensberger. Elena Esposito kommt in ihrer Schrift „Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität“ zu einem ähnlichen Urteil. Bei prognostischen Aussagen, die auf Wahrscheinlichkeitskalkülen beruhen, handelt es sich grundsätzlich um Fiktionen. Zukünftige Ereignisse treten nämlich nicht zu neun oder zu 99 Prozent, sondern entweder ganz oder gar nicht ein – unabhängig von allen Voraussagen.
Man könne bestenfalls das voraussehen, von dem man wenigstens weiß, dass man es noch nicht weiß, meint Rudolf Burger in einem Beitrag für den Merkur-Sammelband „Macht und Ohnmacht der Experten“: „Aber die Masse dessen, was man noch nicht weiß, weiß man derart nicht, dass man nicht einmal weiß, dass man es nicht weiß, wie es in der klassischen Fassung bei Aristoteles heißt.“ Zu dieser Einsicht kam auch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, als er in einer Pressekonferenz zum Irak-Debakel von den „unknown unknowns“ sprach.