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Google und das Beharrungsvermögen in der deutschen Teppich-Etage

Innovationsmaschine

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Auch wenn das Netz nach den Enthüllungen über staatliche Totalüberwachung einige Kratzer abbekommen hat, hat sich dennoch ein perfekter Verteilungsraum etabliert, der die etablierten Vermittlungsinstanzen von Politik, Medien und Wirtschaft ins Wanken bringt. Je überflüssiger die Dinos in den Organisationen werden, desto mehr Platz beanspruchen sie, wie etwa Springer-Chef Mathias Döpfner in seinem Rundumschlag gegen Google. Dabei wäre er doch so gerne in der Position des Suchmaschinen-Konzerns. Da er dazu nicht in der Lage ist, dämonisiert er Google zum gierigen Monopolisten. Der Silicon Valley-Riese lebt von der Bräsigkeit und Blödheit seiner Konkurrenten. Er mutiert zum globalen Hightech-Konzern, der im Eiltempo zur Wirtschaftssupermacht mit einem Umsatz von 60 Milliarden Dollar und einem Jahresgewinn von 13 Milliarden Dollar aufgestiegen ist.

Müssten wir nicht wagemutiger sein, um technologische Visionen nicht nur in der Grundlagenforschung anzugehen, sondern sie zu Erfolgen auf dem Weltmarkt zu führen? Die digitale Infrastruktur ist dafür nur ein Baustein für die Entfaltung eines neuen Unternehmertums. Aber selbst auf diesem Feld stümpern wir herum. Wenn es die Netzbetreiber und der Staat nicht schaffen, wird auch hier Google eingreifen und über Stratosphären-Ballons sowie Titan-Drohnen Wifi-Signale zur Erde senden, bis in die entlegensten Winkel unserer Republik. Klingt verrückt, könnte scheitern und würde hier in Deutschland wohl keinen Investor begeistern. Wer wilde Phantasien hat, wird von seinem teutonischen Chef eher zum Hausarzt oder Psychiater geschickt.

Während die Vernetzung alles auf den Kopf stellt, vertrödeln deutsche Unternehmen ihre Zeit mit verbrauchten Ritualen aus dem vergangenen Jahrhundert. Topdown-Formationen, Silodenke, Insellösungen, Abteilungsegoismen, Hierarchiegehabe, Budgetierungs-Marathons, Meeting-Orgien, Anweisungswahn, Kontrollitis und Kennzahlenmanie prägt nach wie vor den beruflichen Alltag, moniert Anne Schüller in ihrem neuen Buch „Das Touchpoint-Unternehmen“.

“In den Schaubildern der Unternehmen sieht es noch immer aus wie anno dazumal. Sie verdeutlichen – mehr als alles andere – die wahre, fossile Gesinnung: Der Chef thront ganz oben, darunter, in Kästchen eingesperrt, seine brave Gefolgsmannschaft. Die Mitarbeiter kommen in solchen Organigrammen nicht einmal vor. Sie werden wie Fußvolk verwaltet und in Abteilungsschubladen organisiert. Und die Kommunikation zu den Kunden läuft über Kanäle.“

Neudeutsch auch Crosschannel-Management genannt. Da crosst aber überhaupt nichts. Statt vernetzte Services, bietet man Alzheimer-Systeme, die nichts voneinander wissen.

„Wir wissen alles über das Auto, aber fast nichts über den, der es fährt“, klagt der Vertriebsmitarbeiter eines Autokonzerns.

„Leider ist das Beharrungsvermögen in den Teppichetagen enorm. Doch weitermachen wie bisher ist keine Option. Ein Re-Start ist dran. Noch vor den technologischen und produktbasierten Innovationen sind jetzt zuallererst Innovationen drinnen im Unternehmen dringendst vonnöten“, fordert Schüller.

Statt in Heulsusen-Manier über Google zu klagen, sollten wir endlich anfangen, unsere Hausaufgaben zu machen. Mehr dazu in meiner morgigen The European-Kolumne.

Siehe auch:

Social Sharing in der Logistik: Chancen der Vernetzung im Markt.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

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