
Finanzwirtschaft geht auch anders
Egal ob es sich um Konjunkturforscher, hochbezahlte Analysten oder Wichtigtuer in Rating-Agenturen handelt. Ihre Zahlenspielchen seien niederschmetternd schlecht, kritisiert der Schriftsteller Hans-Magnus Enzensberger. Es sind Scharlatane mit Triple-A-Syndrom: anmaßend, arrogant und abergläubisch. Ja, abergläubisch. Denn die größten Gewinne fahren die fraktalen Börsenschwätzer mit Moden, Leidenschaften und Wahnvorstellungen ein. Vor allen Dingen in depressiven Phasen der Konjunktur funktionieren die Eseleien der Vermögensberater, Hedge-Fonds-Piraten und Firmenjäger. In keiner anderen Phase trennen sich Menschen schneller von ihrem Geld. Wenn der Crash droht, brennen die Sicherungen durch und es zählt nur der Schlachtruf:
„Rette sich wer kann.“
Treffend spricht der Buchautor Wilfried Stadler auch von den unverschuldeten Leiden der Realwirtschaft. Entsprechend berechtigt sind seine Forderungen, das Bankensystem komplett umzubauen. Finanzinstitute sollten sich darauf konzentrieren, solide Kredite zu vergeben und die ihnen anvertrauten Einlagen abzusichern.
„Wirklich nachhaltige Wertschöpfung kann nur aus einer Finanzwirtschaft kommen, die der Realwirtschaft dient“, so Stadler im Band „Der Markt hat nicht immer recht“ (erschienen im Linde Verlag).
Moral-hazard-Zockereien müssen schlicht verboten werden – also das Eingehen von Risiken auf Kosten anderer. Investmentbanken, die synthetische Wertpapiere bündeln, müssen dafür auch geradestehen. Auch sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise sollte man nicht aus den Augen verlieren, welcher Flurschaden für Volkswirtschaften entstanden ist und wie wenig die Politik bislang regulatorisch eingegriffen hat.
Um so spannender sind Projekte, die einen ganz anderen Weg gehen und mehr Aufmerksamkeit verdienen.
“Es gibt Banken, die zweierlei miteinander zu verbinden suchen: Sie wollen ihre Anleger dafür interessieren, was mit deren Geld geschieht, sobald es anderen Kunden als Kredit zur Verfügung gestellt wird. Es geht ihnen außerdem darum, mit Krediten solche Vorhaben von Unternehmen, Institutionen oder einzelne Menschen zu finanzieren, die dem Gemeinwohl und menschenwürdigen Zielen, nicht aber bloßem Kapitalinteresse dienen”, schreibt der Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen in seinem Opus “Good Bank”.
Das Geld landet nicht in Fonds mit wenig transparenten Inhalten und dem Versprechen auf aberwitzige Renditen, die man mit normalen Mitteln niemals erwirtschaften kann.
Vorreiter eines alternativen Modells ist seit 40 Jahren die GLS Bank, die Dohmen in seinem Buch analysiert. Etwa im Interview mit dem Vorstandssprecher Thomas Jorberg, der das Hauptproblem auf dem Finanzmarkt in unserer Entscheidungsmatrix bei Investitionen und Geldanlagen sieht.
“Bei gleichem Risiko und gleicher Laufzeit entscheidet immer die Höhe des Zinssatzes darüber, was mit dem Geld passiert. Völlig außer Acht lassen wir dabei, was mit dem Geld finanziert wird. Dies sehe ich als den Kern des Problems an.”
Er findet es irrwitzig, dass wir heute überhaupt von Realwirtschaft sprechen müssen. Das müssten wir nur deswegen, weil es im Finanzsektor eine Vielzahl von Geschäften gibt wie Zertifikate oder Derivate, die sich völlig vom sinnvollen Wirtschaften losgelöst haben. Das mache es überhaupt erst notwendig, von Realwirtschaft zu sprechen.
Social Banking, dem sich die GLS Bank verschrieben hat, ist nach den Lektionen der vergangenen Jahre längst kein Randthema mehr. Der Bedarf an nachvollziehbaren und offenen Geschäftspraktiken steigt.
Aktuell will die GLS-Bank dazu beitragen, dass Elektromobilität ihre Tauglichkeit im Alltag beweisen kann, so Jorberg in einer Presseverlautbarung:
“Aber selbstverständlich ist Elektromobilität allein nicht die Lösung der Mobilitätsfrage, sie ist ein wichtiger Baustein. Deswegen investieren wir ebenso in Carsharingkonzepte und fragen uns: Welche neuen Technologien sind notwendig, um Mobilität mit deutlich weniger Lärm, CO2, Flächenversiegelung, Feinstaub und so weiter sicherzustellen?”
Am Freitag werde ich als Moderator in zwei Livestreaming-Sessions über das 40-jährige Jubiläum der GLS-Bank auf ihrer Generalversammlung im RuhrCongress in Bochum berichten. Auf der Agenda stehen Berichte, Außenreportagen und Interviews über Initiativen, Unternehmen und Projekte, aktuelle und historische Ereignisse.
Erste Session von 16:50 – 17:20 Uhr:
Zweite Session von 18:40 – 19:10:
Hashtag #gls40
Man hört und sieht sich am Freitag – natürlich via Hangout on Air 🙂
Hat dies auf http://www.ne-na.de rebloggt.