Was Personalberater über Manager neuen Typs absondern, ist schon erstaunlich: Die neuen Vorstandschefs müssten Kommunikation beherrschen, sollten aufnahmefähig sein und dürfen nicht erstarren. Sie sind wendig, machen unkonventionelle Vorschläge wie Telekom-Chef Höttges (der Autor bekommt an dieser Stelle einen leichten Lachkrampf), reisen regelmäßig ins Silicon Valley, treiben Sport und rauchen keine Zigarren oder Zigaretten mehr. Auweia. So wird das nichts mit der Netzökonomie.
Wer an die fortschreitende Vernetzung andocken will, sollte sich erst einmal von diesen dümmlichen Klischees verabschieden. Top-Leute in der Wirtschaft müssen erst selbst eine offene Netzwerkstruktur werden und entsprechend sichtbar, ansprechbar und dialogfähig sein – ohne Kontrollschleifen. Davon sind Rorsted, Höttges und Co. noch meilenweit entfernt.
Es geht um eine Haltung, die sich vom Management der linearen Industrialisierung verabschiedet, fordert Soziopod-Blogger Patrick Breitenbach in einem Facebook-Posting. Ob Führungskräfte nun Kettenraucher sind, zehn Kilometer-Waldläufe in 40 Minuten absolvieren oder auswendig gelernte Kalenderweisheiten über Kommunikation fehlerfrei in die Kamera brabbeln, ist hierbei völlig wurscht.
Sozialinnovative Digitalkompetenz vonnöten
„Alle Lebensbereiche, Arbeit und Politik unterziehen sich einem umfassenden, technologisch-sozialen Wandel, dessen Folgen allerorten spürbar, aber erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt bewertbar sind“, schreiben Thomas Sattelberger und Martin Schössler in einem Gastbeitrag für die Wirtschaftswoche.
Führungskräfte müssen eine sozialinnovative Digitalkompetenz erwerben – und sei es nur, um die Wechselbeziehungen ihrer Ideen in der realen Welt besser einschätzen zu können.
„Selbst das greift aber vermutlich schon zu kurz, da technische, digitale und soziale Innovationen kaum noch voneinander zu trennen sind.“
Wird die digitale Revolution von Managern wie Rorsted und Höttges als sozialer Handlungsraum verstanden oder versuchen sie nicht eher, ihre Organisationen mit digitalen Werkzeugen auf Effizienz zu trimmen? In vielen Unternehmen werden mittlerweile Hierarchien abgebaut und Entscheidungsabläufe verschlankt. Weniger Hierarchie heißt aber nicht automatisch mehr Beteiligung und Verbesserung der Arbeitswelt.
Untersuchungen des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung in München belegen, dass die meisten Führungskonzepte auf die rigide Umsetzung des Prinzips „Steuern nach Zahlen setzen“. Das führt oftmals zu einer Zentralisierung von Macht und Entscheidungskompetenz. Die Mitarbeiter sehen sich dann nur noch als zahlengetriebene Exekutoren von Sachzwängen und Vorgaben. Kontrollmöglichkeiten werden mit der Digitalisierung ausgebaut und Beschäftigte stehen gar unter einem strengeren Regime von Vorgaben. Man schafft damit eher eine digitale Fließband-Organisation mit dem Maschinen-Paradigma des 19. Jahrhunderts. Trackingsysteme zur Selbstoptimierung im Privatleben sind dafür ein prächtiges Beispiel. Ein sozialer Handlungsraum, der Menschen in neuer Qualität miteinander vernetzt und in Beziehung bringt, entsteht so nicht.
Ausführlich nachzulesen in meiner heutigen Notiz-Amt-Kolumne für die Netzpiloten.
Am 3. Mai gibt es auf der re:publica in Berlin beim #hrfestival zu diesem Thema ein Interview mit Thomas Sattelberger.
Ab Montag gibt es ein wahres Interview-Marathon auf der #rpTEN
Man hört, sieht und streamt sich in Berlin 🙂