
Winfried Felser bleibt seinen Themen treu und beschäftigt sich mit den Ruskin-Netzwerken, die im 19. Jahrhundert begründet wurden. Die Botschaft seines Beitrags auf LinkedIn: “Wir brauchen eine verbindende Krise, einen gemeinsamen Sinn und viele #NextRuskins. Die Krise und die Idee eines Wirtschaftswunder 2.0 haben wir schon. Was fehlt, sind #NextRuskins als kokreative Vordenker/-macher und viele Netzwerke, die am Ende synergetisch zum Ziel führen.
Hintergrund: Vor 1870 gab es in Oxford keine Professur für Bildende Kunst. Dann wurde John Ruskin auf einen solchen Lehrstuhl berufen. Er schlug in der Universitätsstadt wie ein Erdbeben ein, nicht etwa, weil er über Bildende Kunst sprach, sondern auch über das Empire und Englands unterdrückte Massen; vor allem aber, weil er diese drei Dinge als moralische Fragen behandelte.
“Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts lebten die verarmten Massen in den Städten Englands in Not, Unwissenheit und Kriminalität weitgehend so, wie es Charles Dickens beschrieben hat. Ruskin sprach zu den Oxforder Studenten als Mitgliedern der privilegierten, herrschenden Klasse. Er sagte ihnen, dass sie eine prächtige Tradition an Bildung, Schönheit, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Anstand und Selbstdisziplin besäßen, dass sie diese Tradition aber nicht bewahren könnten und sie dies auch nicht verdienten, wenn sie diese nicht auch an die unteren Klassen in England und an die Massen der Nicht-Engländer auf der ganzen Welt weitergeben würden”, so Carroll Quigley, Tragödie und Hoffnung.
Um sich international im Sinne von Ruskin zu vernetzen, wurde eine sogenannte Round-Table-Organisation geschaffen. 1884 wurde das von Ruskin inspirierte Settlement House gegründet, zu der Arnold Toynbee, Milner, Gell, Greyy, Seeley und Michael Glazebrook zählten. Das war eine Organisation, mit deren Hilfe gebildete Menschen der Oberschicht in den Slums leben konnten, um den Armen mit besonderem Schwerpunkt auf Sozial- und Erwachsenenbildung beizustehen. Das neue Unternehmen im Osten Londons mit P.L. Gell als Vorsitzendem wurde nach Arnold Toynbee, der 1882 im Alter von 31 Jahren gestorben war, Toynbee Hall genannt. Es war das ursprüngliche Modell für Tausende von Häusern der Settlement – Bewegung, wie das Hull House in Chicago.
Die Männer blieben miteinander in Verbindung, sowohl durch persönlichen Briefwechsel und häufige Besuche als auch durch eine einflussreiche Vierteljahreszeitschrift, The Round Table, die 1910 weitgehend mit Sir Abe Baileys Geld gegründet worden war. Im Jahr 1919 schufen diese Männer eine weitere Organisation: das Royal Institute of International Affairs (Chatham House), wiederum hauptsächlich mit finanzieller Unterstützung Sir Abe Baileys, aber auch der Astor-Familie (der Eigentümerin der The Times). Ähnliche Strukturen wie das Institute of International Affairs wurden zwischen 1919 und 1927 in den wichtigsten britischen Herrschaftsgebieten (den Dominions) und in den Vereinigten Staaten gegründet (wo es als Council on Foreign Relations bekannt ist).
Solche Ruskin-Roundtable-Gruppen gibt es auch heute noch in acht Ländern.
Die Folgen des Imperialismus brauchen wir nicht weiter diskutieren. Die sind bekannt. Aber das Grundprinzip der Vernetzung über Round-Table-Gruppen finde ich hochspannend. Da sollen wir über Vernetzungen nachdenken.
Siehe unsere Roundtable in den vergangenen Monaten: