
Welchen wirtschaftlichen Strukturwandel erleben wir in Deutschland und wie wirkt sich das auf die Zukunft der Arbeit aus? Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte ist dabei hilfreich. Etwa die Abhandlung des Nationalökonomen Joseph A. Schumpeter„Die Tendenzen unserer sozialen Struktur“ aus dem Jahr 1928.
Hier untersucht Schumpeter die Diskrepanz zwischen der Wirtschaftsordnung Deutschlands und der Sozialstruktur. Die Wirtschaftsorganisation war kapitalistisch, die deutsche Gesellschaft war aber in ihren Gebräuchen und Gewohnheiten nach wie vor in ländlichen, ja sogar feudalen Denkweisen gefangen – heute sind es industriekapitalistische Rezepte in einer digitalisierten Ökonomie.
Zur Reichsgründung 1871 haben nahezu zwei Drittel der Bevölkerung auf Gütern oder Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern gelebt, noch nicht einmal 5 Prozent in Großstädten von mehr als 100.000 Einwohnern. Bis 1925 hatte sich der Anteil der Stadtbewohner verfünffacht, während der Anteil der Landbevölkerung um die Hälfte zurückgegangen ist. Ursache war vor allem ein sprunghafter Anstieg der Agrarproduktivität. Während 1882 in Deutschland nur 4 Prozent der kleinen Landwirtschaftsbetriebe Maschinen einsetzten, waren es 1925 schon über 66 Prozent. Die Mechanisierung löste eine Landflucht aus und trieb die Landarbeiter in die Städte.
1927 erschien „Die sozialen Klassen im ethnisch homogenen Milieu“: Ein wegweisender Beitrag zur noch jungen Disziplin der Soziologie (Schumpeter 1927). Schumpeter selbst zählte den Aufsatz zu den wichtigsten Werken, was aus Notizen hervorgeht, die er gegen Ende seiner Forschungstätigkeiten schrieb. Grundthese: Der Klassenstatus ist das Ergebnis vorhergegangener Ereignisse und daher anachronistisch. Er weist daraufhin, dass die meisten reichen Familien, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts an der Spitze der Gesellschaft gestanden haben, drei Generationen später dort nicht mehr zu finden waren.
Man könnte annehmen, dass nach der protestantischen Ethik von Max Weber vernünftige Sparsamkeit, eine bescheidene Lebensweise und der Erhalt einer soliden Grundlage für Unternehmen ausreichend seien, um an der Spitze zu bleiben. Schumpeter vertritt jedoch die These, jede Firma, die sich auf eine derartige Routine beschränkt, werde schon bald von offensiver agierenden, risikofreudigeren, wettbewerbsorientierten Unternehmen verdrängt werden.
Dieser Austauschprozess vollzieht sich mittlerweile viel schneller. Er dauert nur noch 15 bis 30 Jahre. Darauf verweist Alexander Fink. In den nächsten 15 Jahren bis 30 Jahren erwischt es auch Google und Co.
