Mastodon, berauschte Fürsten, Meta und die Netzöffentlichkeit @hwieduwilt @Digitalnaiv

Stefan Pfeiffer hat ein sehr nüchternes Zwischenfazit zu Mastodon gezogen: „Mastodon und das Fediverse sind noch eine Nerd-Plattform und es ist sowohl bei der Zahl der Anwenderinnen und Anwender wie auch bei der Aktivität noch ein langer Weg zu gehen. Wobei man natürlich diskutieren muss, was denn ‚das Ziel‘ sein sollte. Status derzeit: „Die Jungen“ sind auf Tiktok, weil dort so unterhaltsame Inhalte eingespielt werden. Der Algorithmus und die Videos sind einfach cool. Datenschutz hin, Datenschutz her. ‚Die Älteren‘ treiben sich auf Facebook herum, weil dort die Special-Interest.Gruppen so interessant sind. Datenschutz hin, Datenschutz her. Und was mit Mastodon wird, wissen wir noch nicht…“.

Nur die Älteren treiben sich auf Facebook herum. Die Zahlen der ARD-ZDF-Onlinestudie sprechen eine klare Sprache:

Facebook ist mit 35 Prozent mindestens wöchentlicher Nutzung allen Unkenrufen zum Trotz weiterhin auf Platz 1, gefolgt von Instagram, das von 31 Prozent regelmäßig genutzt wird. Mit 14 Prozent kommt TikTok auf weniger als die Hälfte der regelmäßigen Nutzung von Instagram, gefolgt von Snapchat mit 13 Prozent. Twitter und Pinterest erreichen jeweils 10 Prozent. Fünf weitere Plattformen, darunter die beruflichen Netzwerke und der Neuling in der Abfrage – ‚reddit‘ – rangieren deutlich unter 10 Prozent. 

Bei unter 30-Jährigen liegt Instagram (also auch Facebook) mit 74 Prozent deutlich vor Snapchat (47 Prozent), TikTok (44 Prozent) und Facebook (42 Prozent). In der mittleren Altersgruppe (30-49 Jahre) behält Facebook seine führende Position vor Instagram, TikTok, Twitter, Pinterest und Snapchat. Ab 50 Jahre wird Social Media signifikant weniger genutzt.

72 Prozent nutzen täglich Messenger-Dienste, bei den Jüngeren sind es 90 Prozent. Zu WhatsApp (also auch Facebook oder Meta) gibt es weiterhin keine quantitativ relevante Konkurrenz (68 Prozent tägliche Nutzung).

Fast alles spielt sich im Universum von Mark Zuckerberg ab. Und da habe ich eine klare Position: Wer in der Netzöffentlichkeit irgendetwas bewirken will – in der Unternehmenskommunikation, in der politischen Bildung, bei der politischen Willensbildung, bei der Herausbildung der öffentlichen Meinung – kommt an Facebook und Instagram nicht vorbei, ob einen das passt oder nicht. Es sind privatisierte Öffentlichkeiten, die wie ein Supermarkt funktionieren. Es gelten die AGBs und algorithmischen Regeln der Plattform-Anbieter. Wer sich dort zurückzieht, ist dann halt nicht mehr Teil der relevanten Netzöffentlichkeit und prägt die öffentliche Meinung nicht mit. Ich bin übrigens noch nie bei meinen publizistischen Aktivitäten vom Mark-Zuckerberg-Konzern behindert worden, obwohl ich nun einige harte Stücke über Zuck und Co. fabriziert habe.

Und dann noch ein Aspekt, auf den Hendrik Wieduwilt in einem FAZ-Gastbeitrag aufmerksam macht: Wollten Staaten illegale Inhalte bekämpfen, hatten sie bei Konzernen immerhin einen Ansatzpunkt, so sehr sie sich sträubten.

„Die EU und Deutschland haben ihre Regulierung auf diese Flaschenhälse der Kommunikation ausgerichtet – und nicht auf ein Meer von Mini-Plattformen. Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das global erste Gesetz zur Moderation von Inhalten, greift bei Mastodon nicht: Es trifft nur Plattformen mit ‚Gewinnerzielungsabsicht‘. Die europäische und deutlich reifere Version dieses Gesetzes ist das Digitale-Dienste-Gesetz. Aber auch dieses Mammutwerk ist zu grobmaschig: Die erforderlichen Mindestgrößen an Nutzerzahlen oder Mitarbeitern erreicht bisher keine der Mastodon-Instanzen. Selbst wenn sich das änderte, müsste jeweils ein Ansprechpartner gefunden werden. Und gegen ausländische Instanzen hülfe das ganze Regelwerk ohnehin nicht weiter.“

Viele Mastodon-Server würden durch ihren aktivistischen Grundton gar nicht erst den Eindruck erwecken, als ginge es ihnen um möglichst freie, auch kontroverse Kommunikation, wie sie die Verfassungen freiheitlicher Staaten gebieten.

„Mastodon ist eben kein Neutralität vorgebender Gigant, sondern eine Schar von Fürsten – der eine ist libertär, der nächste rechts und ein anderer ‚ein Panda‘. Die Aversion gegen Musk gehört in vielen Instanzen zum Gründungsmythos“, erklärt Wieduwilt.

„Manche Fürsten lassen sich offenbar von ihrer Macht berauschen wie Elon Musk. Das ‚Columbia Journalism Review‘ beobachtete mit Sorge eine Art Mobbing im Fediverse: 44 Server sollen eine Instanz für etwa 1300 Journalisten blockiert haben (‚defederation‘). Der Grund: Auf der Journalisteninsel sollen sich auch Boulevardjournalisten getummelt haben und solche Kollegen, die mit reißerischen Überschriften Klicks abräumen wollen“, führt der FAZ-Gastautor aus.

Da waren die Fürstentümer in Deutschland sehr viel konstruktiver, was Ingrid Bodsch schilderte, die frühere Leiterin des Bonner Stadtmuseums:

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