
Aufgrund der geopolitischen Spannungen brachte US-Finanzministerin Janet Yellen das Prinzip des „Friendshoring“ ins Spiel. Es bezeichnet die Verlagerung von Handelsbeziehungen weg von strategischen Konkurrenten hin zu Partnern, die die eigenen, in diesem Falle demokratischen Werte und Prioritäten teilen. Es steht damit im Gegensatz zu dem lang gehegten Paradigma „Wandel durch Handel“. Aus Sicht vieler mittel- und osteuropäischer Partner markiert der russische Angriffskrieg aber ein Scheitern dieser Außenpolitik, die davon ausging, dass durch Handels- und Finanzbeziehungen andere Staaten in eine stabile internationale Ordnung eingebunden und von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie überzeugt werden können.
Handelsbeziehungen können jedoch auch dann zur Stabilität beitragen, wenn sie keinen Wandel hin zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bei den Handelspartnern auslösen.
GS: Wandel durch Handel verändert zudem auch das Meinungsklima in autoritären Staaten – siehe die Metropolen in China, Gaming-Szene etc.
Trotz aller Beispiele für ein Scheitern wirtschaftlicher Verflechtungen als Mittel zur Aufrechterhaltung des Friedens zeigen Jackson und Nei, dass die Entwicklung des Multilateralismus in der Vergangenheit militärische Konflikte abgewendet hat. Eine teilweise Rückkehr zum Protektionismus durch Friendshoring birgt das Risiko, den Abbau wirtschaftlicher Beziehungen zu „unfreundlichen“ und „unentschlossenen“ Staaten, die sich (noch) keinem Block zuordnen lassen, von demokratischen Staaten ungewollt voranzutreiben.
GS: Henry Kissinger sagte einmal: In der Außenpolitik gibt es keine Freunde, sondern nur Interessen. Die Grafik oben zeigt eindrucksvoll, warum die USA China nicht mag……
Darüber hinaus gibt es selbst zwischen strategischen Partnern keine Garantie für fortwährende Verlässlichkeit, da politische Ereignisse zu raschen Veränderungen der innen- und außenpolitischen Haltung führen können. Beispielhaft dafür steht der überraschende Rückzug der USA aus politischen Absprachen und völkerrechtlichen Verträgen sowie aus etablierten Organisationen und Kooperationsforen unter der Regierung Trump. Das Konzept von Friendshoring ist außerdem kontraproduktiv, wenn es um die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter oder die Bekämpfung globaler Herausforderungen geht, wie etwa Pandemien oder den Klimawandel.
Welche Ansprüche muss die Managementkunst im globalen Maßstab erfüllen? Dieses Thema wird 2023 ganz oben auf meiner Themen-Agenda stehen.