So ganz falsch lagen wir in unserer Bloggercamp-Sendung mit unserer Wertung der geplanten Hangout on Air-Sendung der Bundeskanzlerin nicht.
Meine Anfrage an die Medienanstalt Berlin-Brandenburg lautete:
Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages ist ein linearer Informationsdienst, der für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmt ist und die Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen zum Inhalt hat. Veranstalter bedürfen zur Veranstaltung von Rundfunk einer Zulassung, §20 Abs. 1 Satz 1 RStV. Bundesweite Fernsehangebote bedürfen der medienrechtlichen Prüfung durch die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) sowie die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK). Soweit die Rechtslage. Nach Einschätzung der bayerischen Landeszentrale für Neue Medien gelten auch Sendungen, die über Livestreaming-Dienste wie Hangout on Air (Google+) ausgestrahlt werden, als Rundfunk und erfordern eine Sendelizenz.
Wie werten Sie das neue Sendeformat von Bundeskanzlerin Angela Merkel, das am 19. April das erste Mal via Hangout on Air live ausgestrahlt werden soll? Siehe auch: http://youtu.be/MYQqI9wp-34
Verfügt das Kanzleramt als Veranstalter über eine Sendelizenz?
Ist vom Kanzleramt eine Sendelizenz in Ihrem Haus beantragt worden (Ort der Ausstrahlung ist ja Berlin)?
Und wenn nein, sehen Sie das als Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag?
Werden Sie ein Bußgeldverfahren gegen das Kanzleramt einleiten?
Wie werten Sie generell die Live-Formate, die über Streamingdienste wie Hangout on Air ausgestrahlt werden? Über eine kurzfristige Beantwortung meiner Fragen würde ich mich freuen.
Hier nun die Stellungnahme der mabb, die eben als Pressemitteilung rausging:
Die Bundeskanzlerin hat angekündigt am 19. April einen Live-Chat zum Thema Integration zu veranstalten. Diese Ankündigung wirft rundfunkrechtlich und medienpolitisch zwei Fragen auf:
Erstens: Braucht man für einen solchen Live-Chat eine Rundfunklizenz, weil eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern gleichzeitig erreicht werden kann, der Inhalt eine publizistische Relevanz hat, und dem Angebot eine Sendeplanung zu Grunde liegt?
Zweitens: Wäre eine solche Sendelizenz mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks vereinbar, wie er vom Bundesverfas-sungsgericht in seinem ersten Fernseherurteil zum Projekt des Adenauerfernsehens entwickelt worden ist?
Diese Fragen treten keinesfalls zum ersten Mal auf. So sendet das Fernsehen des Deutschen Bundestages zwar nicht mehr überregional über Satellit. Auf der Website des Deutschen Bundestags gibt es aber durchaus journalistisch gestaltete Inhalte, die dem Nutzer auf Abruf bereitstehen. Außerdem werden online Live-Sendungen angekündigt und angeboten, wie die Übertragung der Lesung der Rede von Otto Wels zum Jahrestag des Ermächtigungsgesetzes durch Ulrich Matthes.
Auch die Sitzungen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ sind regelmäßig nach einem transparenten Zeitplan im Internet übertragen worden und haben damit interessierten Bürgern Gelegenheit gegeben, sich an der Arbeit zu beteiligen.
Ähnliche Zielsetzungen verfolgen die Live Übertragungen der Berliner Fraktionssitzungen der Piraten.
Alle Fälle machen deutlich, dass es um einen völlig anderen Sachverhalt geht als die Planung des Adenauerfernsehens für ein zweites deutsches Fernsehprogramm. Es geht um die Öffentlichkeitsarbeit von Verfassungsorganen im Zeitalter des Internets.
Die Medienanstalten sind dennoch gehalten, das geltende Recht anzuwenden, und sie stimmen sich bei der Bewertung konkreter Fälle ab. Eine abschließende Aussage der mabb zu dem geplanten Vorhaben der Bundeskanzlerin kann es deshalb derzeit nicht geben.
„Die genannten Fälle sollten ein Anstoß für eine aktuelle medien- und netzpolitische Diskussion zu Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit im Zeitalter des Internets sein. Sie sind ein Beispiel für die Notwendigkeit, die Rundfunkordnung zu einer Medienordnung weiterzuentwickeln, die überholte Unterscheidungen überwindet“, erklärt der Direktor der mabb, Dr. Hans Hege.
Die Bestimmung der Grenzen staatlicher Betätigung darf sich angesichts der Konvergenz der Medien und der wirtschaftlichen Veränderungen durch das Internet nicht auf den Rundfunk beschränken.
Auf die abschließende Aussage der mabb bin ich gespannt. Die Ungewissheit für die Kanzlerin über die Rechtskonformität ihrer Sendung am 19. April bleibt bestehen. Zumindest hat Hege jetzt mal klar zu Protokoll gegeben, dass der Rundfunkstaatsvertrag nicht mehr das geeignete Rechtsinstrument zur Bewertung der Internet-Kommunikation ist. Wir bleiben am Ball. Werde mal bei der mabb nachfragen, ob Dr. Hege in eine Bloggercamp-Sendung kommen würde.
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Lektüreempfehlung für das Kanzleramt: http://www.mabb.de/fileadmin/user_upload/pdf/Rechtsgrundlagen_pdf/01-MStV_Fassung_4._Novelle.pdf
§ 27 Formelle Voraussetzungen der Sendeerlaubnis
(1) Die Sendeerlaubnis kann erteilt werden
1. natürlichen und juristischen Personen,
2. auf Dauer angelegten, nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen. Eine Akti- engesellschaft kann nur dann eine Sendeerlaubnis erhalten, wenn ihre Aktien nach der Satzung als Namensaktien auszustellen sind.
(2) Juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie juristischen Personen des Privatrechts und nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, kann die Sendeerlaubnis nur er- teilt werden, soweit von ihr im Rahmen einer besonderen Aufgabenstellung Ge- brauch gemacht werden soll und die Gefahr staatlicher Einflussnahme ausge- schlossen ist.
(3) Staatliche Stellen, Parteien und Wählervereinigungen sowie von diesen ab- hängige Unternehmen oder Vereinigungen können keine Sendeerlaubnis erhalten.
(4) Die Erteilung der Sendeerlaubnis setzt voraus, dass der Antragsteller
1. unbeschränkt geschäftsfähig ist,
2. den Wohnsitz oder Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat und gerichtlich unbe- schränkt verfolgt werden kann,
3. in der Lage ist, die notwendigen finanziellen, technischen und organisatori- schen Vorkehrungen für das geplante Programm zu treffen,
4. nicht auf Grund von Tatsachen zu der Erwartung Anlass gibt, dass er als Ver- anstalter Programme verbreiten wird, die gegen geltendes Recht verstoßen, insbesondere einen strafbaren Inhalt haben.
Bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen müssen die Voraussetzungen nach Nr. 1 und Nr. 2 bei den gesetzlichen oder satzungsmä- ßigen Vertretern erfüllt sein.