Im Social Web wird gerade über das ZDF-Interview von Frau Slomka mit dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel diskutiert. Hier nur mein kleiner Facebook-Ausschnitt. Aus guten Gründen. Es fehlt der TV-Journalistin wohl ein wenig die politische Bildung. Man kann das Verfahren der Sozialdemokraten beim Mitgliedsvotum über den Koalitionsvertrag kritisieren, gegen das Grundgesetz verstößt der von den Parteien zu verantwortende interne Willensbildungsprozess nicht.
Das kann über Ur-Abstimmungen laufen, Vollversammlungen, Bundesparteitage oder über Vorstandsbeschlüsse. Das regeln die Parteien über ihre Satzungen selbst. Und im Grundgesetz steht, die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit. Ich finde es übrigens gut, wenn Parteien den Mut finden, bei essentiellen politischen Fragen vom Delegierten-Prinzip abzurücken – etwa bei der Nominierung von Kandidaten zur Bundes- oder Landtagswahl. Dieser Spielraum sollte noch viel mehr genutzt werden.
Weit gewichtiger finde ich die Bedenken des CDU-Politikers und ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, die er in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt formuliert hat (steht online leider nicht zur Verfügung):
“Strukturell kündigt sich mit der Superkoalition (GroKo finde ich besser, gs) ein in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nicht erlebtes politisches Machtzentrum an. Es spricht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Hohn. Mit ihm werden Parlament und Regierung zu einer Einheit verschmolzen, die nicht länger mit einer wirksamen parlamentarischen Opposition rechnen muss.”
Mit ihrer Mehrheit könne die GroKo die Verfassung ändern, die Relativierung der Schuldenbremse riskieren, ohne Widerstand im Bundestag zu befürchten. Da Union und SPD auch den Bundesrat dominieren, fällt ein weiterer Pfeiler zur Machtbegrenzung weg. Checks and Balances sind aber die Essenz des Grundgesetzes, die in den nächsten vier Jahren auf wackligen Beinen steht. Die gefährdete Gewaltenteilung sollte durch ein verstärktes Engagement der Bürgerschaft kompensiert werden, fordert Biedenkopf.
Also so eine Art APO-Elchtest für alles, was die GroKo auf die Agenda setzt – in Bloggercamp.tv haben wir das “Stiftung Märchentest” genannt.
Was könnte man tun? Maximale Durchsichtigkeit der Entscheidungsprozesse fordern. Generell namentliche Abstimmungen beantragen bei relevanten Themen und die Aufbereitung des Verhaltens via Datenjournalismus – beim Leistungsschutzrecht war das sehr erhellend.
Zudem kann man sich da auch direkt auf den Koalitionsvertrag beziehen – was übrigens die Livestreaming-Community freuen wird.
kopierbar Koalitionsvertrag-Digitale-Agenda-CDU-CSU-SPD-27-11-2013
Auf Seite 152 steht:
Transparenter Staat
Die digitale Berichterstattung über den Bundestag und seine Sitzungen sowie über öffentliche Ausschusssitzungen und Anhörungen (z. B. in Streams) wollen wir ausbauen. So bald wie möglich werden wir Bekanntmachungen wie beispielsweise Drucksachen und Protokolle in Open Data tauglichen Formaten unter freien Lizenzbedingungen bereitstellen.
Welchen Sinn sieht Biedenkopf in einer Bürger-Opposition? Der Widerspruch der parlamentarischen Opposition wirkt in der Regel solidarisierend auf die Regierungsfraktionen – es fördert eher den Chor-Geist der GroKo. Bei einer außerparlamentarischen Opposition sieht das anders aus.
“Sie wird weniger parteipolitisch ausgerichtet sein und sich stärker als Vertretung von Interessen begreifen, die dem Gemeinwohl unmittelbarer verwandt sind.”
Zudem stehe das Machtmotiv nicht im Vordergrund. Daraus könne der Bürgeropposition ein Vertrauen zuwachsen, mit dem die Parlamentsopposition nicht ohne weiteres rechnen kann, meint Biedenkopf.
Bemerkenswerter Beitrag eines CDU-Politikers, der zu den wichtigsten Denkern dieser Partei zählt.
Was haltet Ihr von diesen Vorschlägen?
Eine APO aus 45 + und U24.?…
Es ist ja alles noch viel komplexer..Die U45 sind in Deutschland laut FAZ von gestern dank einer Median Berechnung des Alters in einer deutlichen Mehrheit. Klartext: Jeder zweite ist heute schon über 45 in Deutschland. Die APO war alles andere als eine Erwachsenenbewegung, sondern bei allem anderen vor allem eines jung. Regiert wird Deutschland derzeit von einer immer älter werdenden Gerontokratie, ich mit 53 bin nicht mehr willens und sicher auch nicht mehr in der Lage mich solch jugendlicher Protestformen zu bedienen. Die Verlierer der Groko sind aber die U24 die keine Lobby haben und die U45, die in den Firmen bei Weiterbildung und Gehaltsgefüge weg gespart werden müssen. Wie wollen wir diese beiden Gruppen erreichen und zusammen führen – außer in den sozialen Medien, wo die Altersunterschiede nicht sofort erkannt werden können- doch an eine Revolution via Twitter in Deutschland glaube ich (noch) nicht..
Deshalb spricht Biedenkopf auch von einer Bürger-Opposition. Von einer Revolution über irgendeine Social Web-Plattform habe ich gar nicht gesprochen, ob dat nun Twitter, Facebook oder was auch immer sein mag. Man kann sich im kleinen und großen Kreis organisieren, in seinem Blog, in der Eckkneipe, auf der Republica in Berlin oder, oder, oder. Über die Social Web-Werkzeuge ist es nur etwas einfacher, die dafür nötigen Netzwerkeffekte auszulösen. Auch über sinnvolle Dienste wie fragdenstaat.de und über Datenjournalismus. Den Begriff APO sollten wir etwas metaphorischer betrachten.
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