Weihnachten in der DDR: Ideologischer Kampf zwischen Väterchen Frost und den Himmlischen Heerscharen

Die DDR hatte ideologische Probleme mit dem Weihnachtsfest. Christentum und Religion waren dem Arbeiter- und Bauernstaat suspekt. Das wichtigste Fest der Christen stand deshalb bei der SED-Führung nicht hoch im Kurs. Eine Ersatzreligion suchte man beim Religionskritiker Karl Marx: „Die sozialen Prinzipien des Christentums haben die antike Sklaverei gerechtfertigt, die mittelalterliche Leibeigenschaft verherrlicht und verstehen sich ebenfalls im Notfall dazu, die Unterdrückung des Proletariats, wenn auch mit etwas jämmerlicher Miene, zu verteidigen. Die sozialen Prinzipien des Christentums predigen die Notwendigkeit einer herrschenden und einer unterdrückten Klasse und haben für die letztere nur den frommen Wunsch, die erstere möge wohltätig sein. Die sozialen Prinzipien des Christentums predigen Feigheit, die Selbstverachtung, die Erniedrigung, die Unterwürfigkeit, die Demut, kurz alle Eigenschaften der Kanaille“, polemisierte Marx. Auf diesem geistigen Fundament konnten die ostdeutschen Politführer die Geburt Christi nicht feiern.

Stephan Hermlin brachte als Haus- und Hofdichter der SED Weihnachten einfach mit Stalin in Verbindung. Immerhin hatte der sowjetische Diktator am 21. Dezember Geburtstag. Grund genug für Hermlin, etwas poetisches zu fabrizieren. Sein Gedicht „Stalin“ beginnt mit einer weihnachtlichen Szene: In einer kleinen Hütte wird der Welt der neue Erlöser geboren. Der Anklang an den Stall zu Bethlehem ist deutlich. Hermlin formuliert kosmische Dimensionen. Stalins dornenvoller Weg wird mit hohem Pathos besungen: Vom Widerstand gegen den Zarismus, von der Gründung der Partei neuen Typus und der glorreichen Oktoberrevolution bis zu seinem Triumph über fast die ganze Welt. Ein kleiner Auszug aus dem Gedicht:

„Sicherlich, damals konnte es keiner wissen,
Daß diese Nacht nicht mehr ganz so wie frühere war.
Eine Nacht, wie alle, vom Bellen der Hunde gesplissen,
Und die Wälder wie immer mit Wind in ihrem Haar.

Die Mädchen, die eine Weile noch in den Türen standen,
Schmeckten müde den Schnee, der im Gebirge wohnt.
Aber über den Bergen, weit hinten von Hahnenschreien zerrissen,
Änderte sich unmerklich die Architektur der Nacht.

Im Gewölke der Blicke wie eine Schwinge gleitend
Schaun wir durch Explosionen der Knospen die Stadt
Überzogen von Völkern sich selbst zum Siege geleitend,
Von Propellern entführt und rauschendem Rad.

Aus dem unendlichen Raunen von Inseln und Ländern
Hebt das Entzücken sich mit seiner Botschaft dahin,
Wo die Verheißungen leben und Epochen verändern,
Namenlos sich die Zeit endlich selbst nennt:
Stalin.“

Hermlin benutzt nicht nur in dieser Eloge für einen Massenmörder religiöse Metaphern. Das historische Großereignis bekommt dadurch die nötige Weihe. Hermlin beschreibt die Ereignisse nicht als geschichtlichen Prozess, sondern als übergeschichtliche Einbrüche eines Größeren in die Welt: Die Partei ist das „Licht aus dem Osten“, der November als Allegorie die verkörperte Zuversicht. Stalins Lebensweg wird zum Mythos stilisiert. Für eine große und heilige Sache lässt sich leichter töten. Der Stalin-Poet verwandelt die Einheitspartei in ein mythologisches Wesen und entzieht sie dem irdischen Urteil.

Zu den alltäglichen Verarbeitungsmustern des DDR-Weihnachtsfestes diente der Klassenkampf. Der drohende und kriegslüsterne Westen mit seinem schnöden Materialismus musste von der schreibenden Zunft in Ostdeutschland bekämpft werden. So stand im SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ am 25. Dezember 1964:

„In den Werbesendungen der westdeutschen Fernsehanstalten und Rundfunksender der großen Kaufhäuser wird auch in diesem Jahr die alte Mär von der frohen Weihnacht für eine gigantische Werbekampagne genutzt. Weihnachtsmänner, die selbstmassierende Unterhosen anbieten, puppenschöne Gabrielengel, die schwedisches Büchsenfleisch zart und fein wie aus dem Himmel reichen, oder Hirten, die für Kukident-Gebißhaftpulver Werbung machen, beherrschen das Bild. Glanz. Lichter, Tannengrün und Musik: Weihnachten überall. Hinter der glänzenden Fassade grinst allzu offen das Gesicht des neuen deutschen Business, die Gier der großen und kleinen Geschäftsleute nach Profit. Um in den Besitz des Geldes der alten und der jungen Käufer zu kommen, erzählen sie Weihnachtsgeschichten und legen in die Krippe, in der das Christkind arm und nackend zur Welt kam das echte Kölnisch-Wasser aus der Glockengasse 4711 oder sie bestäuben die Weihnachtskrone mit Ajax, weißer Wirbelwind, dem Waschpulver mit Format. Vor dem Weihnachtsfest arbeiteten die westdeutschen Werbefachleute regelrechte Schlachtpläne aus. Sie bedienten sich dabei vielfältiger neuer psychologischer Kampfmethoden…Die Maßstäbe für das menschliche Verhalten, von vielen Pädagogen und Geistesschaffenden jahrzehntelang mühsam aufgebaut, werden durch die bedenkliche Werbung in der Bundesrepublik unterhöhlt. So bringt man die gute Eigenschaft der Bescheidenheit durch die Appellation an Renommiersucht systematisch zu Fall. Der noch verbliebene natürlich Gemeinschaftsgeist wird durch eine Individualismus-Welle der Werbung aufgelöst. Sogar vor Weihnachten, dem Fest der Liebe und Besinnlichkeit, dem Fest des Friedens und der Menschlichkeit machen die Manipulatoren nicht halt.“

Mit dem Hinweis auf den schnöden westlichen Mammon ließ sich die Mangelwirtschaft des SED-Regimes als selbst gewählte Enthaltsamkeit gut verkaufen. Der Redakteur des „Neuen Deutschlands“ konnte sich wenigstens noch durchringen, vom puppenschönen Gabrielengel zu sprechen. In den 70er Jahren ließen die Zensoren der „Schönen Neuen Welt“ auch das nicht mehr zu. Für Engel galt fortan die Wortschöpfung „Jahresendfigur mit Flügeln“. Die traditionellen Schwibbögen aus dem Erzgebirge mutierten zu „Triumphbögen“. Sie sollten besser den Sieg der Arbeiterklasse symbolisieren. Die Weihnachtspyramiden wandelten sich zu „Kerzendrehtürme“. „Neusprech“ a la SED.

Während der DDR-Aufbaujahre dachte Walter Ulbricht sogar daran, das Weihnachtsfest ganz aus dem Kalender zu streichen. Die himmlischen Heerscharen, Sankt Nikolaus, das Christkind und der Weihnachtsmann wollte er arbeitslos machen. Statt dessen favorisierte Ulbricht Väterchen Frost. Es stand nicht unter Verdacht, für den Klassenfeind zu arbeiten. Die Bescherung sollte nicht mehr Heiligen Abend, sondern am ideologisch genehmeren Neujahrsmorgen stattfinden. Die Kraft des Heilands war aber stärker als die Agitprop des SED-Chefs. Er konnte sich mit seinen Plänen nicht durchsetzen. Um so mehr mußte das Weihnachtsfest für Treueschwüre auf den Arbeiter- und Bauernstaat herhalten. Am Heiligen Abend durfte sich die bewaffneten Truppen der DDR keine Blöße geben.

Gerade an diesem Tag lag alljährlich die Gefahr eines Überraschungsangriffs des heimtückischen Westens in der Luft. Heldenhaft wurde noch am 24.12.87 im „Neuen Deutschland“ an den Kampfauftrag der Nationalen Volksarmee (NVA) erinnert: „Für den zuverlässigen Schutz der Staatsgrenze der DDR dankte am Mittwoch der Kandidat des Politbüros des ZK der SED der Bezirksleitung Erfurt, Gerhard Müller. Beim Besuch einer Einheit der Grenztruppen der DDR in Eichsfeld führte er herzliche Gespräche mit Soldaten, Unteroffizieren, Fähnrichen und Offizieren und informierte sich über ihre Dienst- und Lebensbedingungen. Auf einem Forum beantwortete er Fragen zur Innen- und Außenpolitik der DDR. Dabei würdigte er den verantwortungsvollen Dienst der Grenzsoldaten.

Major Knot Schmidke versicherte, dass die Angehörigen der Einheit auch in Zukunft ihren Klassenauftrag erfüllen werden.“ Und Soldat Herbert Weiß meldet die Frohe Botschaft: „Zum Weihnachtsfest möchte im dem ND einen herzlichen Gruß senden. Ich bin Schweriner und leiste an der Berliner Staatsgrenze meinen Ehrendienst bei der NVA. Die Wacht an dieser Trennlinie zweier Welten sehe ich als eine besondere Ehre an. Hier, wo ich stehe, beginnt die Macht des Volkes, der Arbeiter und Bauern und aller friedlich Schaffenden. Hier endet die Macht der Vergangenheit, jener Kräfte, die auch heute noch vom Schweiß und Blut des Volkes leben wollen. Jeder Tag, an dem wir durch unseren Einsatz die Ruhe an dieser Grenze gewährleisten, ist für uns ein Sieg. Mit jedem Tag wird unser sozialistischer Staat stärker, verringern sich die Möglichkeiten der Bonner Revanchisten. In den Weihnachtstagen werden wir Grenzsoldaten unseren Dienst zum Schutze der Heimat mit ganz besonderer Aufmerksamkeit versehen, damit die Menschen bei uns daheim das Weihnachtsfest in Frieden und Frohsinn verleben können.“
Drei Tage nach dem Fest verkündete das „Neue Deutschland“ stolz, dass die Festtage für DDR-Bürger friedvoll, sicher und geborgen verliefen. „Zehntausende erholten sich in Ferienheime des FDGB. 92 Mitarbeiter und 45 Lehrlinge sorgten sich zu den Festtagen um das Wohlbefinden der 480 Feriengäste im FDGB-Heim Hermann Matern in Wernigerode.“ Das Wohlbefinden und die Geborgenheit von politisch Andersdenkenden, schilderte der Schriftsteller Rainer Kunze:

„In E., sagte sie, habe sich ein Schüler erhängt. Am nächsten Morgen hätten Jungen verschiedener Klassen schwarze Armbinden getragen, aber die Schulleitung habe durchblicken lassen, dass die Armbinden als Ausdruck oppositioneller Haltung gewertet würden. Der Schüler sei Mitglied der Jungen Gemeinde gewesen und habe einen Zettel mit durchkreuztem Totenkopf und er Aufschrift ‚Jesus Christus’ hinterlassen. Als erst hätten die Abiturienten die Armbinden abgelegt, weil sie kurz vor den Prüfungen stehen. Einigen Schülern, die nicht in die Klasse des Toten gehen, sei es vom Lehrer erlaubt worden, an der Beerdigung teilzunehmen, aber auf Anordnung des Direktors habe der Lehrer die Erlaubnis rückgängig machen müssen. Dem Pfarrer sei es nicht gelungen, den Direktor umzustimmen. Die Parteimitglieder habe man angewiesen, Gespräche über den Toten zu unterbinden.“

Für den SED-Chefideologen Kurt Hager, war das ganze Christentum Teufelswerk. Er fürchtete sich 1982 in einem Gespräch mit der westdeutschen DKP vor polnischen Zuständen. Die Kirche würde das ganze Land mit ihren Wallfahrten überrollen: „Sie bläst mit ihren Weihrauchwolken alles zu, und wir können sehen wo wir bleiben. Zu Weihnachten haben wir schon längst verloren“, stellt Hager enttäuscht fest. Weihnachten sei zu einem Einfallstor für finsteren Aberglauben, für bürgerliches und feudales Denken geworden. Hagers Prognosen hatten prophetische Kraft: Die Himmlischen Heerscharen waren stärker als Marx.

Knoten beim mobilen Internet geplatzt – „Made for Mobile“ sollte das Leitmotiv für alle Marktakteure sein

Nach einer langjährigen Durststrecke gewinnt das mobile Internet in Deutschland nach Angaben der Bundesnetzagentur http://www.bundesnetzagentur.de endlich an Bedeutung. „Mit 8,7 Millionen  UMTS-fähigen Mobiltelefonen oder Laptopkarten und einer Steigerung der Anzahl der regelmäßigen Nutzer um 263 Prozent von 2005 bis 2007 ist der Knoten jetzt geplatzt und das mobile Internet auf der Überholspur“, so Bundesnetzagentur-Präsident Matthias Kurth.  Auch das Datenvolumen, das mobil übertragen wird, habe sich 2007 gegenüber dem Vorjahr auf inzwischen 1,7 Millionen GByte verdoppelt. „Entscheidende Faktoren des Erfolgs sind natürlich die Netzabdeckung, die bis zu 80 Prozent der Bevölkerung erreicht, und die immer besser werdenden Übertragungsgeschwindigkeiten von 3 bis 7 Mbit pro Sekunde. Eine wichtige Rolle spielen die Preissenkungen für mobile Datendienste sowie transparente Tarifmodelle für die Datennutzung wie Paket- oder Flatrateangebote“, weiß Kurth. Die Netzbetreiber sollten aus wohlerwogenem Eigeninteresse bei der mobilen Datennutzung weitere Schritte zur Klarheit und Verbraucherfreundlichkeit einleiten. Wer erneute regulatorische Eingriffe auf EU-Ebene wolle, sollte durch eigenes Handeln aktiv werden. „Das mobile Surfen und die daraus resultierenden Interaktionsmedien sind im Kommen, das zeigen auch unsere Untersuchungen, die praktische Reichweite beträgt 15 Prozent, was sich in etwa mit den Zahlen der Bundesnetzagentur deckt. Dennoch gibt es noch einiges zu tun, um das mobile Internet zu einem Massenmedium zu entwickeln“, so Bernhard Steimel, Autor der  Marktstudie „Praxisleitfaden Mobile Marketing“ http://www.absatzwirtschaft.de/mobile-marketing und Sprecher der Voice Days http://www.voicedays.de. Viele Konsumenten würden die mobile Internetnutzung allerdings noch als teuer und kompliziert wahrnehmen. „Von der Eingabe von Texten bis zu umständlichen Installationsroutinen für Clients und Anwendungen gibt es Defizite bei der Nutzerfreundlichkeit, die die Marktdynamik hemmen. Auch könnte es noch mehr attraktive Inhalte geben, nur einige hundert Unternehmen in Deutschland verfügen über Portale, die für die mobile Nutzung geeignet sind. Auch im mobilen Internet gilt: Kunden suchen immer nach Marken, die sie aus einer anderen Welt bereits kennen. Deshalb sind Kooperationen der Netzbetreiber mit Google, YouTube und eBay als ein richtiger Weg anzusehen, um den Nutzern zu signalisieren, dass auch deren beliebte Services mobil verfügbar sind“, erklärt Steimel.
 
Zudem bestehe noch eine Vertrauenslücke bei Marketing-Entscheidern. „Viele Agenturen haben es in den vergangenen Jahren versäumt, ihre Kunden zu Investitionen in das Mobile Internet zu animieren. Medienhäuser und Content-Industrie zögerten lange beim Aufbau und der Bewerbung mobiler Portale. Fehlende Nutzerdaten zur Akzeptanz oder Wirkung von Mobile Marketing plus fehlende Werbe-Standards erschweren Marketingleitern das Leben, um Budgetumschichtungen in Richtung des Mobile Internet vorzunehmen“, sagt Steimel.
 
Das beginne sich gerade zu ändern. Mobile Internet sei im Begriff, die SMS als wichtigstes mobiles Werbemittel abzulösen. „Laut unseren Experten-Befragungen werden bis Ende 2008 alle Top 500-Unternehmen eigene Mobile Portale unterhalten. Wir werden das dann auch prüfen“, so Steimel. Ein weiterer wichtiger Gradmesser für die Relevanz eines neuen Mediums sind die Werbeausgaben. Für das Jahr 2006 wird der Anteil am Gesamtwerbeaufkommen auf nur zwei Promille geschätzt. Experten erwarten, dass sich bis Ende 2008 der Anteil auf 2,5 Prozent erhöhen könnte und Ende 2010 bei mehr als 5 Prozent liegen wird. „Bis 2012 sollen nach Schätzungen der von uns befragten Experten mehr als 10 Prozent auf das mobile Medium entfallen“, weiß Steimel.
 
„Made for Mobile“ sollte das Leitmotiv für alle Marktakteure sein, wenn es darum geht, dem Mobile Internet beim Kunden zum Erfolg zu verhelfen. Netzbetreiber müssten die Kostenfalle in ihren Datentarifen auch für Altverträge und Prepaid-Nutzer beseitigen, einfachere Routinen und leichtere Installation ermöglichen. „Mit intensiverer Nutzung des Mobile Internet wird sich die Kostenlos-Mentaliät des Internets auch hier durchsetzen und eine Entwicklung von Bezahl- zu werbefinanzierten Inhalten zu beobachten sein“, führt Steimel weiter aus.
 
Lokale Suchanfragen spielen nach der Studie „Praxisleitfaden Mobile Marketing“ eine wesentlich größere Rolle als im stationären Internet. „Die Suchmaschinen von Google & Co. müssen nicht nur lokal Inhalte finden, um für den Nutzer relevant zu sein. Da hilft es dann wenig, wenn die Top-500 Unternehmen eine mobile Internetpräsenz haben“, meint Steinel. 
 
Das Handy sollte als dritte Bildschirm neben PC und TV in den Marketing-Mix integriert werden. „Es empfiehlt sich, einen Mobile-Verantwortlichen zu benennen, der über das entsprechende Know-how verfügt, um wirksame Kampagnen und Service-Formate zu entwickeln. Agenturen und werbetreibende Unternehmen schließlich dürfen die Online-Konzepte nicht unverändert ins mobile Medium übertragen“, fordert Steimel.

„Bioplastik-Herstellung verursacht umweltschädliche Emissionen“ – NeueNachricht-Interview mit dem Verpackungsexperten Christian Pladerer vom Österreichischen Ökologie-Institut in Wien

NeueNachricht: Hersteller und Interessenvertreter von Bioplastik behaupten, dass durch die Verwendung von biologisch-abbaubaren Verpackungen (BAW) kein Treibhauseffekt entstehe und diese Produkte CO2-neutral seien, da nachwachsende Rohstoffe durch Sonnenlicht aus Wasser und Kohlendioxid ständig neu gebildet werden. Was halten Sie von dieser Einschätzung?

Christian Pladerer: Ich halte wenig von dieser Einschätzung. Um die tatsächliche Umweltbelastung einer Verpackung festzustellen, müssen alle relevanten Umweltauswirkungen entlang des gesamten Lebensweges vom Abbau der Rohstoffe, inklusive Hilfsstoffe und Energieträger, über die Transportwege bis hin zur Entsorgung betrachtet werden. Es dürfen also nicht nur einzelne Emissionen wie CO2 für einzelne Abschnitte des Lebensweges berechnet werden. Es stimmt schon, dass Pflanzen im Gegensatz zu fossilen Rohstoffen durch Sonnenlicht aus Wasser und Kohlendioxid ständig neu gebildet werden. Ob das auch für Einwegverpackungsmaterial gilt, ist sehr fraglich: Die rohstoff- und energieintensive industrielle Agrarwirtschaft und Verpackungsherstellung sowie die von den BAW Herstellern empfohlene Kompostierung sind Aktivitäten, die umweltschädliche Emissionen verursachen. Aus meiner Sicht sind somit BAW-Verpackungen keinesfalls CO2-neutral.

 

 

NeueNachricht: In Ihrer Studie schreiben Sie, dass selbst die Kompostierung der PLA-Becher keinen nennenswerten ökologischen Nutzen bringen würde. Die Auswirkungen der Entsorgung seien nur marginal im Vergleich zur Herstellung der Becher. Die Möglichkeit der Kompostierung wird aber von den Herstellern immer wieder in den Vordergrund gestellt. Wie beurteilen Sie die Entsorgungsmöglichkeiten der PLA-Becher unter den verschiedenen Verwertungsmöglichkeiten (Verbrennung, Biogas, Kompost) und welche Umwelteffekte hat das auf die gesamte Ökobilanz der PLA-Becher?

Pladerer: Die privaten und kommunalen Kompostwerke in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz, die Kompost mit hoher Qualität herstellen, sind wenig begeistert von der Diskussion über ‚kompostierbare’ Kunststoffe. Hier muss zwischen biologisch abbaubar und kompostierbar unterschieden werden. Organische Materialien wie Küchenabfälle, Strauchschnitt oder Papier sind biologisch abbaubar. Durch natürliche Prozesse und durch Mikroorganismen sind diese Materialien in ihre Bausteine zerlegbar. Kompostierung ist eine technisch gesteuerte exotherme biologische Umwandlung abbaubarer organischer Materialien in ein huminstoffreiches organisches Material. Ziel der Kompostierung ist der möglichst rasche und verlustarme Abbau der organischen Ursprungssubstanzen und gleichzeitig der Aufbau stabiler, pflanzenverträglicher Humussubstanzen. Dass ein Werkstoff biologisch abbaubar ist, bedeutet noch lange nicht, dass diese Umwandlung in einem Rotte- oder Mieteprozess der technischen Kompostierung tatsächlich im gewünschten Ausmaß erfolgt. Im Unterschied zu ‚biologisch abbaubar’ wird für ‚kompostierbar’ ein Zeitrahmen vorgegeben. Es fehlt nun an der Glaubwürdigkeit, dass biologisch abbaubare Kunststoffe auch kompostierfähig sind. Zusätzlich werden BAW-Verpackungen wie herkömmliche Kunststoffverpackungen von automatischen und mechanischen Sortierschritten erkannt und als Fremdstoff aussortiert. Das gilt nicht nur für die Kompostierung sondern auch für Biogasanlagen. Schließlich bleibt die Müllverbrennungsanlage als einzige derzeit praktikable Entsorgungsschiene übrig. Die Ergebnisse unserer Ökobilanz von verschiedenen Getränkebechern zeigen deutlich, dass die Rohstoffbereitstellung und die Becherherstellung beim PLA Becher (biologisch abbaubarer Einwegkunststoffbecher) rund 95 Prozent der gesamten Umweltbelastung ausmachen.

NeueNachricht: Ist die Kompostierung von Bioplastik überhaupt sinnvoll? Was sagen die Kompostbetreiber?

Pladerer: Von den Kompostwerken wird die Annahme von biologisch abbaubaren Kunststoffen zur Zeit nicht akzeptiert. Sie haben eine längere Verweilzeit und einen zu hohen Störstoffanteil.

NeueNachricht: Was halten Sie von der vom Bundestag und der Bundesregierung beschlossenen Novelle der Verpackungsverordnung, biologisch-abbaubare Verpackungen von Verwertungspflichten freizustellen? Welche Wirkung wird das auf die Verpackungsindustrie haben?

Pladerer: Die Novellierung der deutschen Verpackungsverordnung ist aus ökologischer Sicht nicht nachvollziehbar und es gibt für den Gesetzgeber keine Rechtfertigung, biologisch abbaubare Verpackungen von den Entsorgungspflichten und damit von den Kosten zu befreien. Wie oben angeführt, landen biologisch abbaubare Kunststoffe in den Öfen der Müllverbrennungsanlagen – und diese brennen auch nicht ‚gratis’. Aus meiner Sicht ist die Reaktion der Verpackungsindustrie natürlich verständlich, da unterschiedliche Entsorgungskosten auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen können. Ökologische Lenkungsmaßnahmen über Entsorgungskosten sind prinzipiell zu begrüßen.

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Filmregisseur Donnersmarck: „Der Einfallslose fordert nicht heraus“ – Marktforschung und das Gefängnis des Unternehmergeistes

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Sicherheit ist kuschelig und im Marketing meist ein Kissen mit daunenweicher Füllung aus Zahlen, vorzugsweise gewonnen von Marktforschern. Im Fachmagazin „absatzwirtschaft“ wurden die Grenzen dieser Erbsenzähler aufgezeigt. „Die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen die ‚Mafo’ keinen Millimeter weiterhalf, wo Überzeugung, Mut und Willenskraft gefragt waren. Als Beleg für diese These muss man nicht ständig den Walkman von Sony bemühen, den sich kein Mensch in einer Befragung wirklich gewünscht hätte, oder Henry Fords visionäre Demokratisierung des Automobils, die, hätte er dem Volk aufs Maul geschaut, wohl über die Züchtung schnellerer Pferde nicht hinausgekommen wäre“, so der frühere absatzwirtschaft-Chefredakteur Christoph Berdi. Der Oscar-prämierte Regisseur Florian Henckel von Donnersmark fasst es im Titel-Interview in Worte: „Je konkreter man sich die Dinge vorstellt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie eintreffen“.

Der Macher von „Das Leben der anderen“, mit einem Einspielergebnis von über 70 Millionen Dollar, glaubt fest daran, dass kreative Produkte nicht vorher im Markt empirisch ermittelt werden können. Das Problem ist einfach: Dem Publikum fehlt für wirklich Neues einfach die Vorstellungskraft. Marktforschung, so das Plädoyer von Berdi, dürfe deshalb nicht das Gefängnis des Unternehmergeistes sein. Bestätigt wird diese provokative These auch durch psychologische Studien: „Gute Intuition ignoriert Informationen”, erklärt Gerd Gigerenzer. Wer intuitiv sein wolle, dürfe sich keine Gelegenheit geben, über sein Handeln nachzudenken. Auf diesen Trick griff beispielsweise der kanadische Starpianist Glenn Gould zurück, über den Gigerenzer in seinem Buch “Bauchgefühle” berichtet: Als Gould kurz vor einem Konzert einmal nichts zustande brachte, weil er nervös versuchte, sich auf die Musikstücke zu konzentrieren, schaltete er kurzerhand Staubsauger, Fernseher und Radio in seiner Wohnung ein. Er nahm sich selbst die Möglichkeit, auf seine Spielweise zu achten, und plötzlich gingen ihm die Stücke wie traumwandlerisch von der Hand.

„Rasches Handeln und spontane Entscheidungen sind vor allen Dingen in turbulenten und unübersichtlichen Zeiten für Unternehmen wichtig. Da helfen die Rationalitätsmythen von Controlling-Freaks und Statistikbesessenen nicht weiter. Die können eigentlich nur im nachhinein Dinge erklären. Ihre Prognosekraft hat den Wert von Tageshoroskopen“, kritisiert Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash. Neue Produkte, Märkte oder Trends könne man nicht am Reißbrett entwerfen. „Die Bedürfnisse der Verbraucher von heute sind kein aussagekräftiger Indikator für die Produkte von morgen. Deshalb brauchen Unternehmen mutige Mitarbeiter, die Erwartungen durchbrechen und etwas tun, womit zuvor niemand gerechnet hat“, erläutert Nadolski. Bei Kinofilmen sei es nach Erfahrungen von Donnersmarck nahezu unmöglich, im Vorhinein zu wissen, was Zuschauer sehen wollen: „Wusste ich, bevor er gemacht wurde, dass ich einen Film über einen Wetterreporter in einer Kleinstadt sehen wollte, die von einem Murmeltier besessen ist? Natürlich nicht. Das Interessante ist doch gerade, überrascht zu werden“.

Deshalb seien die Untersuchungen, die versuchen herauszufinden, was die Leute wollen, sinnlos oder sogar kontraproduktiv, weil die Menschen nur das beschreiben, was sie sowieso schon kennen. „Damit gerät man in eine Unoriginalitätsspirale“, betont Donnersmarck im Gespräch mit „absatzwirtschaft“. In der Werbewirkungsforschung würden die Probanden häufig für das Langweilige und Einfallslose votieren, weil es einen nicht herausfordert oder beunruhigt. Die TV-Werbung für Zahnpasta oder Kaffee sei dafür ein Beleg. „In jeder Forschungs-, Entwicklungs- und Kreativabteilung müssen deshalb Spinner, Quertreiber und intellektuelle Narren sitzen, die sich nicht von den verknöcherten und stumpfsinnigen Hierarchien abschrecken lassen“, fordert Personalexperte Nadolski. Innovationen konnten sich in der Wissenschaftsgeschichte und auf Märkten häufig nur durch Außenseiter durchsetzen. Die Kreativität und das Spielerische der Ideenfindung stehe im Widerspruch mit den Beharrungskräften des etablierten Managements, das mit den Erfolgen von gestern groß geworden sei.

Multisensorische Werbung für alle Sinne: Akustische Markenführung immer wichtiger

Die akustische Markenführung gewinnt an Bedeutung. Werbung und Marketing haben längst erkannt, dass Werbebotschaften verstärkt auch über den Klang einer Erkennungsmelodie oder über die Stimme der Werbebotschaft vermittelt werden. Die akustische Markenführung – im Fachjargon auch Sound Branding genannt – ist nach Expertenmeinung ein wichtiges Marketinginstrument, das zur Unverwechselbarkeit einer Marke beiträgt. Man denke nur an das fünftönige Audiologo der Deutschen Telekom, die Erkennungsmelodie der Tagesschau oder die frühere Coca-Cola-Hymne „First time“ von Robin Beck. „Es gibt in der Markenführung den Trend zum Multi-Sensorischen. Das heißt, die Marke wird mit allen Sinnen wahrgenommen. Mit Klang verstärken wir die visuellen Eindrücke massiv und reichern sie überdies mit Gefühlen an“, so Soundspezialist Carl-Frank Westermann, Creative Director Sound Branding bei MetaDesign in Berlin. Bisher hätten sich Marken vorwiegend visuell dargestellt. Klangdesign sei zwar nur ein kleiner Teil der gesamten Kommunikationspalette, der aber in den nächsten Jahren wichtiger werde.

Sound Branding werde hier zum Differenzierungsmerkmals. Qualitativ hochwertige Systeme vermitteln dabei den Eindruck, dass sich das Unternehmen Mühe gibt, seine Kunden erreichen zu wollen. „Wenn sich Marken des Mediums Stimme bedienen, sollten sie diese auch entsprechend attraktiv gestalten“, so Westermann. Der Stimme als Corporate Voice kommt nach seiner Ansicht eine wichtige Rolle für die Schaffung einer ganzheitlichen Markenstrategie zu. Die Entwicklung von Sprachanwendungen sollte man dabei nicht Technikern alleine überlassen, sondern stärker bei den Markenstrategen ansiedeln, was auch von Branchenexperten so gesehen wird: „In Sprachdialogsystemen tragen Stimme und eingesetzte Sounds ganz entscheidend zum Gesamteindruck und Wohlbefinden des Anrufers im Dialog bei. Sie geben dem Dialogsystem eine Persönlichkeit und bestimmen damit, wie sich das System dem Anrufer präsentiert oder wie es vom Nutzer wahrgenommen wird – zunächst unabhängig vom Dialog“, resümiert Lupo Pape, Geschäftsführer von SemanticEdge in Berlin. Auf den wachsenden Bedarf an professionellen Sounddesignern hat man unter anderem an der Universität der Künste in Berlin mit der Einrichtung des international einzigartigen Masterstudiengang „Sound Studies – Akustische Kommunikation“ reagiert. Carl-Frank Westermann lehrt hier akustische Kommunikation. Für die Allianz-Versicherungsgruppe hat er in den letzten Jahren „Vertrauen zum Klingen gebracht“, für die Lufthansa „einfühlsame, zuverlässige, anmutige und souveräne“ Klänge entwickelt.