Kleiner Scherz. Gemeint ist natürlich der von Honoratioren ersehnte Musentempel namens “Festspielhaus”, der die Herzen des Abo-Publikums förmlich zur Raserei bringen soll. Zum 250. Geburtstag von Beethoven sollte das Prachtstück fertig werden – mit privater Finanzierung.
Nun hat die Bonner Kulturverwaltung einen niederschmetternden Sachstandsbericht vorgelegt, der die Freunde des Festspielhauses überhaupt nicht erfreut.
Für mich ist das keine Überraschung. Es reicht halt nicht aus, nette PR-Kampagnen zu starten – ohne die Bonner Bürgerschaft im Ganzen einzubeziehen.
Es sind Ehrgeizlinge wie IHK-Präsident Wolfgang Grießl, die sich wohl ein Denkmal setzen wollen. Magere fünf Millionen Euro sind bislang durch die Grießl-Initiative “5000×5000” zusammengekommen. Die IHK betont übrigens, dass dieses Unterfangen das Privatvergnügen von Herrn Grießl ist. Warum wird er dann im Zusammenhang mit der Initiative stets als IHK-Präsident tituliert?
Mitte Juni wollen sich die unter dem Dach des Verbandes Dehoga organisierten Bonner Hoteliers und Gastwirte zu Details über einen geplanten “Beethoventaler” äußern, berichtet der General Anzeiger.
Sie wollen sich “äußern” – aha.
Die Baukosten sind also noch nicht einmal in Ansätzen gedeckt. Und was passiert eigentlich, wenn wir in der Beethovenstadt ein ähnliches Debakel wie mit der Elbphilharmonie erleben? Zahlt das dann Herr Grießl aus seiner Privatkasse oder lassen die Festspielhausfreunde in ihren Reihen eine Kollekte kreisen?
Zu Beginn der Planungen vor sieben Jahren ging Hamburg von mickrigen 77 Millionen Euro aus – ja, Ihr habt richtig gehört, liebe Festspielhausfreunde in Bonn. Da klingeln jetzt zu recht Eure Ohren. Denn der neue Beethoven-Tempel wird auch nur mit schlappen 80 Millionen Euro projektiert. Und auch die Argumente für das musische Millionen-Grab dürften den Bonnerinnen und Bonnern bekannt vorkommen. Da war von “Leuchtturmarchitektur”, von wirtschaftlichen Impulsen, neuen Arbeitsplätzen sowie von dem vielzitierten und vielbeschworenen “Bilbao-Effekt” die Rede.
Man sollte sich also schleunigst von den Wolkenkuckucksheim-Planungen der Festspielhausfreunde verabschieden und sich auf die Sanierung der Beethovenhalle konzentrieren. Aber auch da hat man wertvolle Zeit verplempern lassen. Zudem: Selbst ein neues Festspielhaus macht aus Bonn noch kein Bayreuth oder Salzburg. Da fehlt es der Stadt an Programmatik. Siehe: Bonn und Beethoven: Kulturpolitischer Provinzialismus.
Alles schön dokumentiert im Sachstandsbericht der Kulturverwaltung.
Hier ist übrigens der Sachstandsbericht in ausführlicher Form: http://www2.bonn.de/bo_ris/daten/o/pdf/13/1311801.pdf
Schön und gut. Aber die miserable Akustik der Beethovenhalle wird man nicht so einfach wegsanieren können. Mal abgesehen von der unpraktisch gestalteten Gastronomie.
Die Halle mag zu ihrer Zeit eine brauchbare Mehrzweckhalle gewesen sein. Als Konzerthaus der Beethovenstadt Bonn ist sie unwürdig – und schreit nach einer mutigen Veränderung. Dass das provinziell-spießige Bonn seit Jahren nicht in der Lage ist, beschämt.
Wäre dann folgende Meldung nach Deinem Geschmack?
Dem Musikleben ist ein neues Zentrum entstanden, ein hegender Raum für das Werk Beethovens und aller Musik vor ihm und nach ihm. Bonn als Stadt am Rhein, als Universitätsstadt und ehemalige Bundeshauptstadt hat einen Mittelpunkt menschlicher Begegnung gefunden, der den viel beklagten Abstand zwischen dem alten und dem neuen Bonn spürbar schmaler werden ließ. In gemeinsamem Stolz, in Bewunderung und Anerkennung des Bauwerkes treffen sich die Bürger dieser Stadt und ihre Gäste, schwindet die Furcht vor Enge und Beschränktheit. Die einen haben Vertrauen zur eigenen Fähigkeit gewonnen, die anderen trauen nun der Stadt besondere Leistungen zu. Der neu errichtete Musiktempel ist ein architektonisches, musikalisches, wenn nicht politisches Ereignis. Zu rühmen ist die kommunale Großtat und der planerische Mut, mit der man Bonn vom Adjektiv ‚provinziell‘ befreit. In anderen Städten ist man das Wagnis nicht eingegangen, einen avantgardistischen Bauentwurf zu wählen und auch kommunalpolitisch gegen Widerstände durchzusetzen. Von Experten wird vor allem die raumakustische Planung des neuen Konzertsaales gepriesen. So ist alle wissenschaftliche Sorgfalt aufgewendet worden, die einem solchen weit wirkenden Zentrum der Musikpflege zukommt. Entstanden ist einer der modernsten und akustisch einwandfreisten Konzertsäle, von dem sich die Beethovenstadt Bonn im deutschen Musikleben eine beträchtliche Rangerhöhung verspricht. Die ersten Akustikproben brachten glänzende Ergebnisse. Jeder der 1420 Plätze, im Parkett wie auf den Rängen, ist mitten im Schallgeschehen: die dynamischen Schwankungen sind, welchen Standort man im Raum auch immer einnimmt, kaum merklich. Andererseits ist aber auch dafür gesorgt, dass die Akustik nicht nur für eine bestimmte Art von Musik, etwa für romantische Klangmassen, vorzüglich ist, sondern ebenso der klaren Linearität eines barocken oder auch modernen Werkes gerecht wird.
Ich habe deinen Artikel im European gelesen und ja: Von mir aus ist auch die Beethovenhalle mal mit dem Ziel gebaut worden, Bonn aus der kulturellen Provinz zu holen. Dass das (zumindest, was Musik angeht) nicht gelungen ist, steht aber wohl außer Frage.
Ich stimme zu, dass für eine bedeutende Musikszene (und ich beschränke mich jetzt nur auf klassische Musik) gute Orchester, mutigen Intendanten und nicht zuletzt auch Geld wichtig sind – aber man braucht eben auch einen Raum, in dem das zusammenkommen und etwas großes schaffen kann.
Es war nicht nur ein Ziel, sondern Realität – wenn man sich die Beethovenhalle in der ursprünglichen Form anschaut. Aber ein Haus runterzuwirtschaften und ex post schlecht zu reden und die Ursachen auszublenden, ist nicht redlich. Was jetzt mit dem Festspielhaus abläuft, bewegt sich auf dem Niveau eines Kleinkindes.
Als ich neulich in Valencia war und mir dort die Ciudad de las Artes y de las Ciencias angeschaut habe, war ich ziemlich beeindruckt und bin gerne durch die Anlage spaziert, dort entlang gejoggt, habe in benachbarten Einkaufszentren eine ganze Stange Geld gelassen. Die Ciudad soll insgesamt 1,3 Milliarden Euro gekostet haben – und sich selbst wohl nicht mehr amortisieren. Auf der anderen Seite hätte ich Valencia – so schön die Stadt auch ist – sonst wohl niemals besucht. Ebensowenig wohl wie Bremerhaven, gäbe es dort nicht die neue Promenade mit Auswanderermuseum und Klimahaus.
Soll heißen: Ich kann deinen Unmut nachvollziehen, gerade auch vor dem Hinblick des WCCB. Aber eine Stadt braucht ein Wahrzeichen, einen Magneten um Besucher anzuziehen. Welches soll das in Bonn bisher sein? Post-Tower? Auch nur ein Hochhaus, in das du nichtmal rein darfst. Das Münster? Eine alte Kirche, wie sie beinahe jede größere Stadt. Beethovenhaus? Langweilige Touri-Falle.
Die Elbphilharmonie, die du als Beispiel herausgreifst, ist leider ein besonders krasses Beispiel, wenn nicht sogar nach BER das krasseste. Problem war damals eine völlig amateuerhafte Prognostizierung der Kosten, noch bevor die Planung überhaupt stand. Ich hab da in diesem Winter eine Führung mitgemacht. Alleine die Deckenkonstruktion der Festspielhalle kostet rund 15 Millionen. Ernsthaft konnte man da niemals von 77 Mio ausgehen. Ernsthaft hat das aber auch kein Bauherr so beziffert. Es war eine Zahl, die damals von der Politik in den Raum gestellt wurde, die niemals realistisch war, die aber heute von der Presse immer wieder aufgegriffen wird. Sicherlich auch nicht gerade zu Unrecht!
Ich habe aber ein wenig die Hoffnung, dass man aus diesen krassen Baufehlern gelernt hat, dass Baukosten heute zumindest ein wenig realistischer eingeschätzt werden können. Vielleicht bliebe es da nicht bei 80 Mio für das Festspielhaus, vielleicht würden es am Ende 120, 150 Mio. Blöde und, nein, auch keine Peanuts, aber kein Wasserloch wie BER, Elbphilharmonie oder Ciudad. Es kann auch nicht sein, dass man nur wegen erbärmlicher Planungen anderer jetzt nie wieder ein Großprojekt in Angriff nimmt. Die Beethovenhalle ist nicht mehr zeitgemäß, fast schon ein Schandfleck und die Akustik – pbiel schreibt es oben sehr treffend – lässt sich nicht einfach so schönsanieren.
Wenn man da ein Geschenk der Wirtschaft nicht annimmt, die einen Großteil der Finanzierung tragen würde, dann ist das in meinen Augen ein Versäumnis. Gerade in Hinblick auf geplante Festivitäten zu Beethovens Geburtsjahr. Ja, ein Risiko, ja, Folgekosten dürfen nicht unterschätzt werden, ja, die kommunalen Kassen sind leer und es gibt Bedürftige noch und nöcher. Aber wie will Bonn da jemals wieder raus kommen, wenn nicht mit ein paar neuen Impulsen? Was hat man für Touristen denn sonst zu bieten als “Was mit Beethoven”? Und wenn man da so eine Chance verstreichen lässt, dann ist das trotz berechtigter Bedenken schon enttäuschend.
Das Festspielhaus für ein überschaubares Abo-Publikum als neues Wahrzeichen der Stadt? Wir müssten in Bonn insgesamt erst einmal ein ernstzunehmender Standort für die Beethoven-Forschung werden. Das waren wir wohl nie so ganz und werden es mit solchen Planungsfantasien auch nicht. Die Beethoven-Halle ist in den 60er Jahren von Fachleuten der Musikszene wegen der Akustik abgefeiert worden. Dann wirtschaftete man die Halle über Jahrzehnte runter und beklagt nun ihren nicht mehr repräsentativen Charakter für musikalische Darbietungen. Baukulturell ist das eine Sauerei. Man sollte an die alten Pläne der Beethovenhalle anknüpfen, den früheren Klangkörper wieder herstellen und das Haus sanieren, ohne weitere Zeit für Hirngespinste zu verplempern. Und Geschenk? Die Betriebskosten waren nie gegenfinanziert.