Millionen, Billionen, Trillionen, Quintillionen – wenn es um Datenmengen geht, scheint keine Zahl mehr zu groß. Getreu dem Motto „Viel hilft viel“ hoffen viele Analysten, aus immer besseren Daten der Vergangenheit Aussagen für die Zukunft treffen zu können. Doch das wahre Leben könnte diese Hoffnungen zerstäuben. Ob Business Intelligence, Big Data oder Data Mining. Es geht um die Illusion der rationalen Entscheidungsfindung. Vielleicht erleben wir die letzte Schlacht des Controllings, um in den Zeiten des Kontrollverlustes die alte Logik des Industriezeitalters in die vernetzte Welt zu retten, um neue Übersichtlichkeit im chaotischen Universum des Cyberspace zu schaffen. Vielleicht rühren daher der Wunsch nach Rückgewinnung der Deutungshoheit und die Sehnsucht nach maschinengesteuerten Entscheidungen auf dem Fundament der Ratio.
Nachzulesen in der Frühjahrsausgabe der Zeitschrift GDI Impuls mit dem Schwerpunkt „Big Data – Rohstoff oder Müll? Eine Reise zu den Minen und Raffinieren der Datenzeit“.
Daten bleiben scheu und grausam, sagt etwa Nikolas Bissantz, Gründer und Mehrheitsgesellschafter von Bissantz & Company, im Interview mit GDI-Impuls.
„Es ist schwierig, aus ihnen zu lernen und noch schwieriger, das Gelernte umzusetzen.“
Gute Manager müssten in der Lage sein, das Modell zu hinterfragen, das der Analyse zugrunde liegt.
„Zaubertricks, die wir nicht durchschauen, sind sympathisch – im Varieté. Im Business nicht“, erklärt Bissantz.
Big Data sei ein Sammelbegriff für mehrere Phänomene und gleichzeitig ein verkäuferischer Geniestreich. Im Moment werde mehr Zeit in die Speicherung als in die Analyse von Daten gesteckt.
Derzeitig dehnen fast alle Business Intelligence-Unternehmen ihr Angebot auf das Thema Big Data aus, um damit ein Schlagwort mit hoher Aufmerksamkeit zu bedienen, weiß der IT-Personalexperte Karsten Berge von SearchConsult in Düsseldorf.
„Viele Kandidaten auf dem Personalmarkt, die aus dem Vertrieb oder der Beratung kommen, positionieren sich für Big Data-Stellenangebote, ohne genau zu wissen, was sie dabei erwartet. Ein Manager aus dem Verkauf, der in ein Unternehmen gewechselt ist, um Big Data abzudecken, stellte fest, dass er etwas zu euphorisch war und die internen Voraussetzungen beim neuen Arbeitgeber alles andere als positiv waren. Es gab noch keine Kunden und man arbeitete hoch defizitär“, so Berge.
Das bestätigt auch Marco Ripanti von Ekaabo.
„Viele Unternehmen in Deutschland haben zur Zeit einfach nur das Bedürfnis, irgendwie dabei sein zu müssen. Und da wird dann auf alten Technologien einfach das Etikett ‚Big Data draufgeklebt. Das ist sehr bedauerlich. Viele Kunden, die sich diese Systeme zulegen, wissen überhaupt nicht, was sie damit anfangen sollen. Ich habe noch bei keinem Anwender gesehen, dass auf Grundlage von Datenerkenntnissen wirklich logische Schlussfolgerungen gezogen werden. Da wäre mehr zu machen“, so Ripanti in Bloggercamp TV.
Zudem könnten Einzelentscheidungen nicht determiniert werden. Das sei eine Illusion:
„Egal, was in die Rechnung einbezogen wird, um beispielsweise das Wahlverhalten vorherzusagen, man darf den Faktor Zeit nicht unterschätzen. Es gibt eine Vielzahl von Verlautbarungen auf Facebook, mit denen ich definitiv nichts mehr am Hut habe. Das hat mit meinen heutigen Interessen überhaupt nichts mehr zu tun. Und diesen Cut schafft kein Big Data-System“, erklärt Ripanti.
Bauchentscheidungen, das belegen die Forschungsarbeiten von Professor Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, können nach wie vor die raffiniertesten Computerstrategien in den Schatten stellen. Business Intelligence und Big Data werden die Intuition nicht überflüssig machen.
Siehe auch:
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