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Wie Wolfgang Michal und Vera Bunse bei Carta abserviert wurden

Bei den neuen Carta-Machern fehlt wohl die Orientierung

Bei den neuen Carta-Machern fehlt wohl die Orientierung

Das sehr ambitionierte Medienprojekt Carta durchlebt derzeit ein höchst unrühmliches Ende, was aus einem offenen Brief des von mir sehr geschätzten Kollegen Wolfgang Michal hervorgeht. Sein Schreiben ist eine Replik auf einen Brief der Carta-Vereinsvorsitzenden Tatjana Bode, das am 10. September veröffentlicht wurde. Wolfgang Michal ist nach eigenen Angaben über den Inhalt nicht informiert worden und tauchte nicht unter den Adressaten auf.

Es gehe im jetzigen Konflikt mitnichten nur um „Teile der Redaktion“, die mit dem Übernahmecoup durch den Förderverein nicht einverstanden waren.

“Die komplette Redaktion war damit nicht einverstanden. Und die Redaktion bestand bei Carta praktisch immer nur aus zwei Personen: Vera Bunse und mir. Es geht auch nicht um einen internen Kindergarten-Konflikt nach dem Motto: Der hat mir mein Schäufelchen weggenommen! Bei Carta geht es um die Verteidigung der redaktionellen Unabhängigkeit, also darum, ob die Website carta.info weiter eine journalistisch ausgerichtete Plattform bleibt oder sich zu einem weitgehend intransparenten Projekt eines kleinen Berliner ‘Netzwerker’-Klüngels entwickelt. Für Letzteres gibt es Anzeichen. Anfang Juli legte mir der im Mai neu gewählte Carta-Vereinsvorstand einen neuen Redaktionsleiter-Vertrag für die Website vor, der in wesentlichen Punkten von meinem bisherigen Vertrag abwich. Ich sollte Veröffentlichungen auf Carta künftig mit allen Herausgebern und dem Fördervereins-Vorstand abstimmen. Darüber hinaus enthielt der Vertrag zahlreiche Aufgaben, die mit der Tätigkeit einer Redaktionsleitung nichts zu tun haben, etwa die Arbeit für den Förderverein und die Abtretung meiner Autorenrechte. Ich habe das nicht unterschrieben”, schreibt Michal.

Artikel abstimmen mit allen Herausgebern und dem Fördervereinsvorstand? Das ist wohl ein schlechter Scherz und kommt einem Maulkorb gleich.

“Anfang September wurde ich dann mit der Berufung eines neuen Herausgebers durch den Förderverein (der gar nicht zuständig ist) konfrontiert. Zuständig sind die Gesellschafter der Carta Unternehmergesellschaft (UG), die als Verlag im Impressum steht. Gesellschafter sind Tatjana Brode und ich. Bislang wurden alle wichtigen Fragen einvernehmlich zwischen uns entschieden. Nach der putschartigen Übernahme der Website durch den Förderverein am 11. September präsentierte sich der Verein dann auf der Website großspurig als ‘nichtkommerzielles Netzwerk'”, erläutert Michal.

Das Vorgehen des Fördervereins-Vorstands sei ein doppelter Rechtsbruch.

“Der Verein Carta e.V. wurde als Förderverein erst nach der UG gegründet. Er hat derzeit zehn Mitglieder. Zu den jährlichen Treffen kommen vielleicht vier oder fünf (die sich dann gegenseitig in den Vorstand wählen). Laut Satzung hat der Verein den Zweck, ‘qualitativ hochwertige Publikationen im Internet’ sowie ‘einen offenen Meinungsaustausch’ und ‘das demokratische Engagement’ der Bürger zu fördern. Er soll ‘Vortrags-, Diskussions- und Bildungsveranstaltungen’ durchführen. Von der Führung oder Herausgabe der Website carta.info ist nirgends die Rede. Obwohl der Carta e.V. also kein Trägerverein ist, behauptet der neue Vorstand dies unablässig und leitet aus dieser Selbst-Inthronisierung seine Entscheidungsbefugnisse ab. Das ist rechtswidrig. Der Carta e.V. ist nicht berechtigt, die inneren Angelegenheiten der Website zu regeln oder sich in Redaktionsfragen einzumischen. Logischerweise darf er dann auch vertraglich keine Zensurinstanz für sich beanspruchen. Ich habe die Absurdität des Vorhabens jedem einzelnen Mitglied des Vorstands geduldig dargelegt. Sie wollten es nicht einsehen. Darunter litt die Carta-Redakteurin Vera Bunse, die gern mit mir weiterarbeiten wollte, aber aufgrund der monatelangen Hängepartie praktisch Alleinredakteurin war. Die Mitglieder des Vereinsvorstands halfen ihr nicht. Dem Vorstand war die prekäre Situation egal. Er fuhr in Urlaub, ohne das drängende Problem zu lösen. Vera Bunse hat das Ihrige dazu schon gesagt.

Wolfgang Michal hat den Weg des offenen Briefes wählen müssen, weil er bei Carta durch Passwortänderung ausgesperrt wurde. Spricht nicht für eine ausgeprägte Disputationskultur der Berliner Netzwerk-Riege. Das riecht eher nach intriganter Hinterzimmer-Kungelei. Beiträge von mir werden ab sofort auf Carta nicht mehr erscheinen. Vera Bunse und Wolfgang Michal haben in den vergangenen Jahren mit wenigen Finanzmitteln eine Plattform für höchst anspruchsvolle Debatten fernab der Content-Marketing-SEO-Social-Media-Klickraten-Trällerei geschaffen. Beiden bleibe ich verbunden. Carta selbst wird wohl in die Bedeutungslosigkeit absinken.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

3 Kommentare zu "Wie Wolfgang Michal und Vera Bunse bei Carta abserviert wurden"

  1. Christoph Kappes dichtet dazu. Allerdings aus der anderen Position …

    http://christophkappes.de/das-projekt/

  2. Nun ja, etwas kurzatmig.

  3. Na, dann geht es wohl mit Carta bergab. Anspruch und Wirklichkeit der “Netzwerker” klaffen meilenweit auseinander. Schade.

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