Über den Teufelskreis des Staates im Digitalen @lisapaus

Wohin geht die Reise beim digitalen Staat?

„Kein Geld für Digi Investitionen führt zu schlechter Planung von Digitalen passgenauen Lösungen für Verwaltung“, moniert die Bundestagsabgeordnete Lisa Pause. Sie hat recht.

Das ist in der Tat ein Teufelskreis. Ständig wird auf Digital-Gipfeln und sonstigen Anlässen betont, wie wichtig die Führungsrolle der öffentlichen Hand beim Einsatz von Informationstechnologien und digitalen Diensten sei.

Schon vor rund 20 Jahren wollte man in der Bundesregierung unter Gerhard Schröder den aktivierenden Staat an die Stelle des schlanken Staates setzen und die Verwaltungsmodernisierung vorantreiben. Ein wesentlicher Punkt war, alle onlinefähigen Dienstleistungen des Bundes im Internet anzubieten – den Bürgerinnern und Bürgern, der Wirtschaft und anderen Verwaltungen. Das Ärzteteam am Kabinettstisch verabreichte der maroden und teuren Bundesverwaltung eine Therapie: Internet-Technologie als Allheilmittel gegen Lähmungserscheinungen und unterentwickelten Kommunikationsfähigkeiten. BundOnline 2005 hieß der Heilplan. Rund 18 Modellprojekte erhielten Finanzspritzen in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe, um den Patienten Leben einzuhauchen. Dazu kamen noch hochbezahlte Strategieberater, die sich im Bundesinnenministerium die Klinke in die Hand gaben.

Einige Projekte wie das Förderportal oder der Liegenschaftsnachweis fristeten schon beim Start ein Mumiendasein. Andere dümpelten Jahre vor sich hin. Kaum ein Projekt erreichte die erhoffte Nutzerfrequenz. Von einer digitalen Führungsrolle des Bundes konnte und kann keine Rede sein.

Die unterschiedlichen Kabinett-Ärzteteams haben bei den Online-Initiativen etwas Wesentliches vergessen: Wo krankt der Patient und welche Therapie macht Sinn? Wer braucht die Internetdienstleistungen des Bundes, was muss getan werden, damit sie auch genutzt werden und wie können Doppelentwicklungen vermieden werden? Ohne Anamnese gibt es keine erfolgreiche Medikation.. Die verstorbenen Patienten des BundOnline-Projektes wurden in aller Stille zu Grabe getragen und die Todesursache lautet in allen Fällen „ärztliches Versagen“. Das beruht nicht auf der Unfähigkeit der einzelnen Ministerien, die Projekte sinnvoll zu planen und umzusetzen, sondern an der bürokratischen Verwaltung. Die notwendige Kooperation der Ministerien scheitert an dem Gezerre um Zuständigkeiten, Kompetenzgerangel oder schlichtweg an lethargischen Oberamtsräten:

Da braucht man sich nur das Verteidigungsministerium anschauen. Die schreiben seit Jahren lieber wöchentlich lange Berichte, warum sie etwas nicht können, statt es einfach zu tun. Die Hausleitungen der Ministerien sind dabei erstaunlich leidenschaftslos. Die Ressorts lassen sich nicht gerne etwas von einem anderen Haus sagen. Das nennt man dann Ressortbefindlichkeit. Und die Hausleitungen kümmern sich um das Tagesgeschäft, wenig um die digitalen Themen.

Um die Ressorts zu sinnvollen Kooperationen zu bewegen, sind in der Vergangenheit Kabinettsbeschlüsse erlassen worden, die in den wenigsten Fällen tatsächlich umgesetzt wurden. Am grünen Kabinettstisch haben die Damen und Herren so lange an den Vorlagen herumgefingert, bis jeder Beschluss so viele Schlupflöcher geboten hat, dass sich letztlich keiner daran halten musste. Beispiel für die Schlupflochformulierungen: „Das Projekt ist einzuführen, es sei denn wirtschaftliche, technische oder organisatorische Gründe sprechen dagegen“. Um eine ordentliche Digital-Strategie des Bundes zu etablieren, muss man die Projektverantwortlichen der einzelnen Häuser stärken. Dazu gehören ressortübergreifende Kompetenzen. Und diese können nur durch einen entsprechenden Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht werden, der ohne Schlupflöcher verpflichtend ist. So und nicht anders funktioniert Verwaltung.

Die Analysen stammen übrigens von einer Expertin, die im Bundesinnenministerium tätig war.

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