
In der externen Kommunikation wird wird häufig mit abstandhaltenden Mogelpackungen der Sprache geblendet. Das schrieb ich vor knapp 20 Jahren: „Wettbewerbstool mit Fokussierung der Komponenten der Implementierungsbreite“, meldet ein Unternehmen der Informationstechnik. Fünf Euro fürs „Phrasenschwein“ wären für solche verbalen Quälereien noch die geringste Strafe. Für „variable Sequentierungsstrukturen und deren hardwareunterstützte Realisierung“ legen sich selbst Fachidioten die Karten. Harmlos klingt da noch der tägliche Wortschwall von adretten Vorstandschefs: Man müsse sich neu aufstellen, umstrukturieren, aufs Kerngeschäft fokussieren, Synergien nutzen, effizient und effektiv an dem Alleinstellungsmerkmal seiner eigenen semantischen Verblödung arbeiten. Schon vor Jahren legte ein Beamter des US-Geheimdienstes eine verdienstvolle Reihe sorgfältig recherchierter Schlüsselworte zusammen – eine multifunktionale Anleitung für das inhaltsleere Wortgeklingel von Managern. Man springt beliebig von links nach rechts über die Spalten und erwirbt den Ruf einer zitierfähigen Autorität.
Von „konzentrierte Führungs-Ebene“ bis „ambivalente Interpretations-Kontingenz“. Die Liste ließe sich auch berufsspezifisch erweitern, um den „ganzheitlichen Ansatz“ der „synthetischen Prozess-Kommunikation“ zu untermauern und die „systematische Prozessanalyse von CRM- Maßnahmen auf die „zielgruppenspezifische Evaluationspräzision“ im Bereich und auf Ebene der „Cross-Selling-Aktivitäten“ zu integrieren. Wem das noch nicht reicht, kann jetzt auf einen inhaltsschweren Werkzeugkasten des Publizisten Andreas Rother zurückgreifen.
Die inflationären Satzgirlanden des Marketing-Dummdeutsch bekommen mit der Anleitung des früheren „Division Managers“ der Gesellschaft für Konsumgüterforschung (GfK) den nötigen programmatischen Tiefgang. Das Rother im „Bereich“ Kommunikationsforschung tätig war, darf in dem redundanten Werbejargon des Verlages nicht fehlen. Unverzichtbar ist der Hinweis auf dem Waschzettel von „Redline Wirtschaft“, dass der Autor ein Baukastensystem mit „elf klassischen Plots“ liefert, aus denen problemlos die Darstellung des eigenen Unternehmens gebastelt werden kann. Nun sucht der Verlags-Senior-Manager für „External Affairs“ sicherlich für die Buchvorstellung von „Unternehmensphilosophie in Textbausteinen“ noch eine feine „Location“, um das Publikum eventmäßig zu beglücken und mit Finger Food und Soft-Drinks bei Laune zu halten. Im Direct-Mailing findet man auch einen Hinweis auf einen anderen Mega-Seller: „Troubleshooting im Projektmanagement“. Erst mir der dualen Rezeption performt man das globale „Corporate Image“ für die ersehnte Business- Power.
„Die einzelnen Steine unseres Baukastens enthalten alle Elemente, die wir für eine schicke Selbstinszenierung benötigen. Was am Ende dabei herauskommt, ist ein veritables Drama in drei Akten“, schreibt Rother.
Präambel, Schauplatz, Held, Mission, Vision, Entwicklung, Aktionen gehören dabei zum unternehmerischen Schauspiel. Der frühere Marketingmann will die Kunst vermitteln, wie man eine simple Botschaft möglichst hochtrabend klingen lässt und kann dabei wohl auf seine Powerpoint-Präsentationen als GfK-Division-Manager zurückgreifen. Wer sich dem unternehmensphilosophischen Schnellkurs unterziehen möchte, kommt an einer Selbstfindung nicht vorbei. Zählt man zu den Forschernaturen, Draufgängern, tapferen Helden, harten Jungs, Schlaumeiern, Kämpfern, Außenseitern, Evolutionären, Schwärmern, Sinnsuchern oder Gipfelstürmern?
Hier entscheidet sich die sprachliche Ausformung. Auch diese Aufteilung ist ziemlich blödsinnig. Beim Durchblättern in den verschiedenen Typologien ergeben sich beliebig sinnlose Kombinationen, die lächerlich sind aber nicht, wie vom Autor beabsichtigt, laute Lachattacken bewirken. So kommt der Naturforscher zu folgendem Leitbild: „Klare Ziele verlangen sachgemäßes Management. Nur wer handelt, kann seine Ziele erreichen und Akzeptanz seiner Produkte und die Zufriedenheit seiner Kunden nachhaltig sichern. Wir sind ein handelndes Unternehmen. Die Erreichung unserer Ziele entscheidet über den Erfolg jedes Einzelnen. So bleiben sie uns ständiger Antrieb für außerordentliche Leistungen zum Wohle unserer Kunden“.
Für den „Schlaumeier“ bietet Rother die Empfehlung unter der Überschrift „Hauen Sie auf die Pauke“: „Wir glauben an unsere Ziele. Wir sind überzeugt von unseren Ideen. Sonst hätten wir auch keinen Erfolg damit. Nur wenn wir von unseren Produkten überzeugt sind, können wir auch unsere Kunden überzeugen. Das ist nicht immer leicht. Aber es lohnt sich. Für alle“. So geht das über 311 Seiten weiter. Sehr lustig soll auch die „Satzluftpumpe“ am Ende des Buches sein – eine „Toolbox“. Tools dürfen in keiner Unternehmensdarstellung fehlen. Für „schnell“ findet man „beschleunigt“, „rasch“, zügig“, „dynamisch“, „umgehend“, „zusehends“, „schleunigst“ oder „zielstrebig“. Im Nachwort macht Rother dem Leser in selbstironisch verbrämter Weise ein Angebot: „Hallo Leser! Jetzt haben wir so viele Seiten miteinander verbracht – wollen wir nicht ‚du’ zueinander sagen? Okay, ich mach’s!“
Nein, Rother, lassen Sie es sein. Auch das ist nicht witzig – den verbalen Dünnpfiff der Unternehmen überbieten Sie mit gebündelter Langeweile. Dabei stehen im Literaturverzeichnis so hoffnungsvolle Titel, die leider auf den Buchautor nicht oder in anderer Form abfärben: „Dummdeutsch“ von Eckhard Henscheid oder „Erkenntnis für freie Menschen“ von Paul Fey- erabend. Geheimnisvoll bis unerklärlich sind die biografischen Angaben über Rother auf dem Klappentext: Er „ist“ Dozent für Marktforschung/Marketing und freier Autor, u.a. für media & marketing, (das kann hinhauen) und für Die Woche – schreibt er fürs Archiv der eingestellten Wochenpostille? Für die TV- Formate „Was guckst du?“ und „Olm!“ soll Rother ebenfalls tätig sein – als Coach, Lean- Manager, Media-Planer, Controller, Consulter oder gar als Gagschreiber? Der Leser wird mit überflüssigen Fragen allein gelassen.
Geschrieben 2003. Viel hat sich ja nicht geändert.