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Putin, NATO und die schwindende Deutungshoheit der Massenmedien: Organisiert Gegenöffentlichkeit!

Die Masterarbeit meiner lieben Frau schreit nach einer Buchveröffentlichung!

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In Heft 8 der Schrift „Digitalkompakt“ beschäftigen sich die Medienexperten der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) mit dem Schwerpunkt „Die vernetzte Öffentlichkeit“. Die Vorahnungen der Kanzlerin finden in den Kommunikationswissenschaften eine erste Bestätigung. Die etablierten Player der Öffentlichkeit, allen voran Journalisten und Politiker, seien durch die rasante Verbreitung sozialer Netzwerke in Zugzwang geraten:

„Wenn Medienkonsumenten und Wahlbürger sich zunehmend in ihren ‚persönlichen Öffentlichkeiten‘ aufhalten und sich dort so viel Zeit und Energie konzentriert, muss jeder, der ihre Aufmerksamkeit erringen möchte, auch dort Präsenz zeigen“, so die LfM.

Aber das ist dann eher die Perspektive der etablierten Medien, um wieder Bodenhaftung zu bekommen. Soziale Netzwerke stehen vor allem für eine fundamentale Veränderung der öffentlichen Sphäre. Öffentliche und individuelle Kommunikation verschwimmen. Und ob ich nun mit meiner eigenen Teilöffentlichkeit wenige oder sehr viele Menschen erreiche oder nicht, vorher war es schlicht unmöglich, ohne großen Aufwand eine eigene Öffentlichkeit herzustellen, die über den Nachbarzaun reichte. Die neuen Beteiligungs- und Vernetzungsmöglichkeiten verändern die Bildung öffentlicher Meinung, konstatiert die LfM und fragt sich, wie eine Gesellschaft angesichts der Inflation persönlicher Öffentlichkeiten noch zu kollektiv verbindlichen Entscheidungen kommen könne. Ohne die Gatekeeper in den Massenmedien gibt es also keine verbindlichen Entscheidungen mehr? Wie oft rauscht der einheitliche Medientenor an der Wahrheit vorbei? Wie oft lassen sich die etablierten Medien an der Nase herumführen, etwa bei der vermeintlichen Karstadt-Rettung durch den selbst ernannten weißen Ritter Nicolas Berggruen? Oder bei der Kriegspropaganda von NATO und Bundesregierung Ende der 1990er-Jahre? Es gab schon häufig ein kollektives Versagen der klassischen Medien. Jüngst zu beobachten in der Ukraine-Krise, in der die öffentlichen-rechtlichen Sender keine gute Figur machen:

So kündigte am 20. Mai 2014 die Tagesthemen-Moderatorin Caren Miosga einen Beitrag an, in dem Demonstrationen gegen die Abspaltung der Ostukraine gezeigt wurden. Zu denen hatte der Oligarch Rinat Achmetow aufgerufen. Der Beitrag behauptet eine massenhafte Teilnahme, blieb aber bei den Bildern eigenartig zurückhaltend. Mit Grund, wie sich Tage später erwies:

„Ein Video, das auf der Plattform YouTube hochgeladen worden war, zeigte im Stadion nur einige Hundert Demonstranten. Kameraperspektive und Bildausschnitt waren in dem ARD-Beitrag so gewählt worden, dass es nach einer hohen Beteiligung aussah. Ich habe per E-Mail Redaktion und Beteiligte damit konfrontiert, ohne Ergebnis. Doch ich wollte der ARD eine Chance geben. Schließlich hätte ja auch das Video manipuliert sein können. Erst nachdem keine Reaktion erfolgte, entschloss ich mich zu einer offiziellen Beschwerde“, begründet der Kommunikationswissenschaftler Stefan Slaby, der von 1986 bis 1989 im Fernmeldezentrum des NATO-Hauptquartiers SHAPE im belgischen tätig war, seine Protestnote an den NDR-Rundfunkrat.

Warum haben die Tagesthemen denn keine Totale gewählt, wenn sie die Chance dazu hatten, fragt sich Slaby. Das wäre für die Redaktion doch ein schlagender Beweis für Achmetows Erfolg gewesen und niemand hätte gezweifelt. Aber nichts davon. „Tage später verkaufte uns die Tagesschau um 17:30 Uhr den Abschuss eines syrischen Kampfhubschraubers aus dem Vorjahr als Militäraktion in der Ukraine. Auch hier sorgte ein YouTube-Video für Aufklärung. Am 30. Mai 2014 musste die Redaktion aufgrund der überwältigen Beweislast zurückrudern. Das verdanken wir nicht der Einsicht der ARD, sondern der ausgezeichneten Arbeit der Person, die das Video hochgeladen hat“, erklärt Slaby im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Hintergrund“.

Lassen sich solche Vorfälle nur gelegentlich nachweisen, so ziehen sich nach seiner Auffassung einseitige, pro-ukrainische, anti-russische Beiträge durch die ganze Berichterstattung.

„Und das behaupten nicht Verschwörungstheoretiker, sondern sogar einige Redakteure der ARD selbst. Mittlerweile breiter bekannt sind die Kritik im NDR-Medienmagazin ZAPP und die Schelte der ehemaligen Moskaukorrespondentin Gabriele Krone-Schmalz. An Korrespondenten wie Golineh Atai prallt das ab. Diese Journalisten weisen alles von sich und blocken sogar Kritiker auf Twitter. Und diese Missachtung der Beitragszahler, schlimmstenfalls ihre Diffamierung als ‚Putin-Versteher‘, ist meines Erachtens typisch für das Verhalten vieler Medienvertreter. Beim ZDF haben Anke Gellinek, Die Anstalt und Maybrit Illner dankenswerterweise für nachdenkliche Zwischentöne gesorgt. Auch in den Printmedien gab es das eine oder andere Fragezeichen. Der Tenor war aber auch hier von der taz bis zum Spiegel erschreckend tendenziös“, kritisiert der frühere NATO-Mitarbeiter.

Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Auflösung des Warschauer Paktes sind dem westlichen Verteidigungsbündnis die Feinde abhanden gekommen.

„Die Reaktion war eine Neudefinition des Auftrags. Der wurde, wie es manchmal so schön heißt, an die Herausforderungen einer multipolaren Welt ‚angepasst‘. Nun standen die Terrorbekämpfung, Schutz vor Proliferation, Stabilisierungseinsätze und die Osterweiterung auf der To-Do-Liste. Mit wandelnden Aufgaben ändert sich auch die Kommunikationspolitik einer Institution. Und das beobachten wir im Moment. Die Tonality ist alarmistischer geworden und folgt oft der aggressiven Linie der USA“, bemerkt Slaby und verweist auf die Bemerkungen der NATO über die vermeintlich Bedrohung Polens oder des Baltikums durch Russland: „Das trägt nicht zur Entspannung bei. Ich hätte nie gedacht, dass so eine schrille Art der politischen Kommunikation 100 Jahre nach Ausbruch des 1. Weltkrieges möglich ist. Und die Medien gehen sogar noch einen Schritt weiter.“

Am besten könne man das an dem NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen festmachen.

„Dieser Mann hat scheinbar vergessen, dass er nur Generalsekretär ist. Er war ja selbst an der Entstehung des Strategischen Konzepts der NATO 2010 beteiligt. Und das sieht vor, mit Russland zu kooperieren. Und was passiert? Rasmussen heizte nach meinem Verständnis die Krise verbal ständig weiter an, ruft zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft auf, äußert sich zu Truppenverlegungen ins Baltikum. Der müsste eigentlich deeskalieren und tut das Gegenteil. Deswegen fragten sich erfahrene Köpfe wie Egon Bahr, warum diesen Mann eigentlich niemand zurückpfeift. Rasmussen kommuniziert teilweise wie ein militärischer Oberkommandierender, der er nicht ist! Und die Medien greifen das auf, statt es zu kritisieren“, urteilt der Kommunikationswissenschaftler.

Die Medien seien keine neutralen Beobachter, sie werten, sie manipulieren und dienen damit politischen Entscheidern. Wie Uwe Krüger aus Leipzig in seiner wichtigen Arbeit über Journalisten und Eliten erklärt habe, liegt die Ursache in einer ungesunden Nähe vieler Journalisten zu den Institutionen, die sie eigentlich kritisieren sollen. Die Mainstream-Medien, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die sogenannte Qualitätspresse missbrauchen ihre Deutungshoheit. Das Publikum müsse genauer hinschauen, protestieren und kritisieren. Ein „Weiter so“ könne es nicht mehr geben. Die Ukraine-Berichterstattung wertet Slaby medienpolitisch als Zeitenwende.

Wenn Mediennutzer autonomer durch den Nachrichtenstrom surfen und eine Gegenöffentlichkeit organisieren, kann das für die Meinungspluralität nur nützlich sein.

„Sie werden zunehmend selbst zum ‚Gatekeeper‘ von Informationen, selektieren und empfehlen Informationen aktiv weiter und orientieren sich auch bei ihrem Medienkonsum am Verhalten und den Hinweisen befreundeter Nutzer. Damit verändert sich die Verbreitungsdynamik von Nachrichten in der Gesellschaft, Freunde und Bekannte bekommen mehr Einfluss auf die Wahrnehmung der Welt als früher und laufen klassischen Autoritäten der öffentlichen Sphäre möglicherweise den Rang ab“, schreibt die LfM.

Vielleicht sollten wir noch rebellischer werden!

Siehe auch:

NATO sucht den Super-Gegner.

Der 11. September und die Entkernung unseres Staatsmodells.

Facebook-Debatte, die Mirko Lange angestoßen hat.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

2 Kommentare zu "Putin, NATO und die schwindende Deutungshoheit der Massenmedien: Organisiert Gegenöffentlichkeit!"

  1. Hat dies auf http://www.ne-na.de rebloggt.

  2. Gegenöffentlichkeit ist wichtig und richtig, wenn sie an Fakten interessiert ist und nicht unter dem Deckmantel “Gegenöffentlichkeit” eigene Ideologien verbreitet.

    Daher lohnt auch ein Blick auf diejenigen, die Gegenöffentlichkeit in der aktuellen Ukraine-Russland-Krise betreiben:

    Das Hintergrund-Interview mit Stefan Slaby und auch einige seiner anderen Argumente aus dem obigen Text werden hier detailliert analysiert: http://deutsche-truther-trolls.blogspot.de/2014/09/stefan-slaby-alias-publizistikon.html

    Auch das Zapp-Interview mit Gabriele Krone-Schmalz sollte man sich detaillierter anschauen. Interessant ist auch die Biografie von Krone-Schmalz. Eine Analyse gibt es “zufällig” hier: http://deutsche-truther-trolls.blogspot.de/2014/09/gabriele-krone-schmalz-wie-objektiv-ist.html

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  1. Wehren wir uns! - Brillenträger

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