#Notizzettel: Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten – Gespräch mit @GrimmVeronika

Was im Jahresgutachten des Sachverständigenrats so drin steht:

In der Vergangenheit wurden Lieferketten häufig primär auf Kosten- und Zeiteffizienz optimiert („Just in time“), weniger jedoch auf ihre Resilienz gegenüber krisenbedingten Unterbrechungen, Produktionsengpässen und Materialknappheiten geprüft. Diese Probleme traten in der Corona-Krise und seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine jedoch vermehrt auf. Probleme in einzelnen Wertschöpfungsstufen haben sich dabei schnell auf die gesamte Lieferkette übertragen (Wellbrock, 2022). Entsprechend sind sowohl wirtschaftliche Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten als auch die Fragilität internationaler Lieferketten ins politische und unternehmerische Bewusstsein gerückt.

Angesichts zunehmender geopolitischer Risiken dürften diese Herausforderungen auf absehbare Zeit relevant bleiben. Demnach stellt sich die Frage nach einer geeigneten Strategie zur Reduzierung wirtschaftlicher Abhängigkeiten, die mit einer Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz einhergeht. Resilienz sollte dabei als die Fähigkeit verstanden werden, negative Auswirkungen von Schocks abzufedern und nach einem adversen Schock schneller zum ursprünglichen Wachstumspfad zurückzukehren; sie ist keine vollständige Vermeidung von Risiken. Kurzfristig kann ein resilienter Wachstumspfad größeren zyklischen Schwankungen ausgesetzt sein als ein risikominimierender Pfad. In der langen Frist bietet er aber ein höheres Wachstumspotenzial.

In der Diskussion um die Verringerung von Abhängigkeiten und die Stärkung der Resilienz von Lieferketten steht häufig die geografische Diversifizierung der Bezugsquellen an oberster Stelle (Baur et al., 2022). Verschiedene Analysen zeigen, dass diversifizierte Wertschöpfungsketten wesentlich zur Abfederung von Schocks und zur schnelleren Erholung der Wirtschaft beitragen (D’Aguanno et al., 2021; OECD, 2021b).

So einfach ist das nicht, gs:

Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Diversifizierung von Lieferbeziehungen bei den Unternehmen. Unternehmen können eine Diversifizierung einerseits durch die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen von verschiedenen Anbietern erreichen. Andererseits können sie, sofern sie als multinationale Unternehmen international aufgestellt sind, eine Diversifizierung durch Ansiedlung der Produktionsstandorte in verschiedenen Regionen erreichen. Letztere Option könnte, wenn sich die Standortbedingungen in Deutschland verschlechtern, einen Abbau der lokalen Arbeitsplätze zugunsten anderer Standorte zur Folge haben und aus nationaler Sicht politisch wie wirtschaftlich unerwünscht sein. Es ist daher zentral, geeignete wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu setzen, die einen Verbleib internationaler Produktionsstätten im Inland für betroffene Unternehmen wirtschaftlich attraktiv machen, ohne dabei privatwirtschaftliche Risiken staatlich abzusichern.

Wertschöpfungsketten zu diversifizieren, impliziert jedoch keine zwangsläufige Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland oder in benachbarte Länder („Nearshoring“ oder „Reshoring“).

Eine Simulationsstudie des ifo Instituts (Fuest et al., 2022) zeigt, dass sowohl „Reshoring“ als auch „Nearshoring“, also die Rückverlagerung in EU-Mitgliedstaaten, die Türkei oder Nordafrika, negative Folgen für die Wirtschaftskraft Deutschlands hätten. Kürzere Wertschöpfungsketten und lokale Produktion sind auch nicht unbedingt weniger anfällig für Störungen (Qiang et al., 2021). Eine Entkopplung der europäischen Wirtschaft vom Rest der Welt würde neben wirtschaftlichen Verlusten auch mit einem Verlust an Macht und Einfluss einhergehen, der geopolitische Krisen sogar noch verstärken könnte (Grimm, 2022a).

Aufgrund der geopolitischen Spannungen brachte US-Finanzministerin Janet Yellen das Prinzip des „Friendshoring“ ins Spiel (Yellen, 2022). „Friendshoring“ bezeichnet die Verlagerung von Handelsbeziehungen weg von strategischen Konkurrenten hin zu Partnern, die die eigenen, in diesem Falle demokratischen Werte und Prioritäten teilen (James, 2022). Es steht damit im Gegensatz zu dem lang gehegten Paradigma „Wandel durch Handel“. Aus Sicht vieler mittel- und osteuropäischer Partner markiert der russische Angriffskrieg aber ein Scheitern dieser Außenpolitik, die davon ausging, dass durch Handels- und Finanzbeziehungen andere Staaten in eine stabile internationale Ordnung eingebunden und von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie überzeugt werden können (von Ondarza und Overhaus, 2022).

Handelsbeziehungen können jedoch auch dann zur Stabilität beitragen, wenn sie keinen Wandel hin zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bei den Handelspartnern auslösen.

GS: Wandel durch Handel verändert zudem auch das Meinungsklima in autoritären Staaten – siehe die Metropolen in China, Gaming-Szene etc.

Trotz aller Beispiele für ein Scheitern wirtschaftlicher Verflechtungen als Mittel zur Aufrechterhaltung des Friedens zeigen Jackson und Nei (2015), dass die Entwicklung des Multilateralismus in der Vergangenheit militärische Konflikte abgewendet hat. Eine teilweise Rückkehr zum Protektionismus durch Friendshoring birgt das Risiko, den Abbau wirtschaftlicher Beziehungen zu „unfreundlichen“ und „unentschlossenen“ Staaten, die sich (noch) keinem Block zuordnen lassen, von demokratischen Staaten ungewollt voranzutreiben.

GS: Henry Kissinger sagte einmal: In der Außenpolitik gibt es keine Freunde, sondern nur Interessen.

Darüber hinaus gibt es selbst zwischen strategischen Partnern keine Garantie für fortwährende Verlässlichkeit, da politische Ereignisse zu raschen Verän- derungen der innen- und außenpolitischen Haltung führen können. Beispielhaft dafür steht der überraschende Rückzug der USA aus politischen Absprachen und völkerrechtlichen Verträgen sowie aus etablierten Organisationen und Koopera- tionsforen unter der Regierung Trump (Schaller, 2019). Das Konzept von Friend- shoring ist außerdem kontraproduktiv, wenn es um die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter oder die Bekämpfung globaler Herausforderungen, wie etwa Pandemien oder den Klimawandel, geht (Europäische Kommission, 2021d).

Regierungen können die unternehmerische Risikovorsorge unterstützen, indem sie gezielt strategische Allianzen schließen. Im Fall von Lieferkettenunterbrechungen könnten sich somit beteiligte Staaten aushelfen. Ein geeignetes Rahmen- werk zur Bildung strategischer Allianzen, das neue Märkte zur Diversifizierung der Bezugsquellen und einen fairen und ausgewogenen Zugang zu kritischen Gü- tern eröffnen kann, bietet das multilaterale, regelbasierte Handelssystem (Europäische Kommission, 2021e). Auf europäischer Ebene ausverhandelte Handelsabkommen sollten deshalb zeitnah ratifiziert und derzeit laufende Verhandlungen zügig abgeschlossen werden. Dies gilt vor allem im Hinblick auf Handelsabkommen mit Afrika und Lateinamerika, deren Vorkommen kritischer Rohstoffe besonders hoch eingeschätzt werden. Trotzdem wurden Abkommen mit diesen Staaten oftmals zurückgestellt oder ihre Ratifizierung steht noch aus. Um die Diversifizierung der Lieferbeziehungen umfassender und schneller zu stärken, sollten mögliche Synergieeffekte genutzt werden. So gibt es beispielsweise neben der Beschaffung von Energieträgern oft Optionen, im Bereich kritischer Rohstoffe oder auch allgemein mit Blick auf Handelsabkommen gemeinsam Fortschritte zu erzielen, wie dies jüngst anlässlich des Besuchs des Bundeskanzlers in Kanada diskutiert wurde (Krapp et al., 2022).

Im Bestreben Unternehmen bei der Diversifizierung ihrer Beschaffungsstrategie zu unterstützen, könnten Regierungen die an wesentlichen Wertschöpfungsketten beteiligten lokalen und internationalen Akteure kartieren sowie Informationen über potenzielle Konzentrationen und Engpässe sammeln und mit beteiligten Akteuren austauschen (OECD, 2021b). WAS HEISST DAS KONKRET?

Die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA im Rahmen des Trade and Technology Council ist in dieser Hinsicht ein richtiger Ansatz. Sie zielt auf eine stärkere Belastbarkeit internationaler Lieferketten ab, etwa durch ein gemeinsames Frühwarn- und Überwachungssystem für Halbleiter-Wertschöp- fungsketten (Europäische Kommission, 2022c). Hat bislang wohl noch nicht so richtig funktioniert, oder?

Darüber hinaus arbeitet die Europäische Kommission an der Entwicklung eines Systems zur Überwachung von Lieferketten (Supply Chain Alert Notification, SCAN), das bei Politik und Wirtschaft zum besseren Verständnis der Lieferkettenstörungen führen kann (Amaral et al., 2022).

Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten

In einer vergleichenden Analyse der US-amerikanischen und europäischen Pläne zur Sicherung des Rohstoffzugangs findet Ruiz Guix (2021) zahlreiche Gemeinsamkeiten, die das Potenzial für eine Zusammenarbeit böten. Dies gelte etwa beim Erstellen eines Forschungs- und Entwicklungsplans für Bereiche wie Recycling, beim Setzen von Nachhaltigkeitsstandards und der geologischen Kartierung sowie bei der Diversifizierung des Handels, der Festlegung von Prioritäten für internationale Investitionen und beim Ausbau der Lagerhaltung kritischer Rohstoffe (Reisch, 2022). Einen geeigneten Rahmen dafür könnte der Zusammenschluss der USA mit der Europäischen Kommission im Rahmen der Mineral Security Partnership bieten.

Wichtiges Fördermittel-Thema!!!

Investitionsgarantien des Bundes für ausländische Direktinvestitionen (ADI) deutscher Unternehmen in unsicheren Staaten zur Rohstoffversorgung sinnvoll. Allerdings werden diese Garantien bisher zumeist nicht in Industrien nachgefragt, die der Rohstoffförderung nahestehen (BMWK, 2022a). Hier besteht in erster Linie die Notwendigkeit, dass deutsche Unternehmen vermehrt (auch in Verbindung mit Joint Ventures) in die Rohstoffförderung eintreten. Der Staat könnte aktiv auf die Möglichkeit der Investitionsgarantie hinweisen. Ein Vorbild kann das dänische Trade Council sein, das aktiv und passiv verschiedene Dienstleistungen anbietet, die dänische Unternehmen unterstützen sollen, Exportmärkte zu erschließen. Eine Strategie des Trade Council ist, Unternehmen direkt zu kontaktieren, zu beraten und die Dienstleistungen anzubieten (Buus et al., 2021; Ministry of Foreign Affairs Denmark, 2022).

Ausbau europäischer Produktions- und Lagerkapazitäten:

Die seit der Corona-Pandemie vermehrt auftretenden Störungen internationaler Lieferketten sowie die Verstärkung geopolitischer Spannungen haben eine öffentliche Diskussion über die Notwendigkeit inländischer Kapazitäten ausgelöst. Das betrifft einerseits den Ausbau strategischer Lagerhaltung. Andererseits wird vermehrt ein Ausbau europäischer Produktionskapazitäten gefordert, sei es im Bereich der Halbleiter oder im Bereich der kritischen Rohstoffe. In den meisten Fällen wäre der Ausbau inländischer Kapazitäten, beispielsweise durch eine Rückverlagerung ausländischer Produktionsstätten ins Inland, zwar mit hohen Kosten verbunden. Trotzdem kann er in einzelnen Fällen zur Wahrung der strategischen Autonomie geboten sein, die nicht durch Schwachstellen internationaler Lieferketten beziehungsweise Entscheidungen einzelner Unternehmen beeinträchtigt werden sollte.

Seit den 60er Jahren geht die Fertigungstiefe in Deutschland zurück. Soll das umgekehrt werden?

Eine Verstärkung der Lagerhaltung strategisch wichtiger Produkte kann staatlich oder privat ausgestaltet werden. Aktuelle Störungen der Versorgung mit Gas zeigen, dass bei systemischen Krisen und in stark politisch beeinflussten Sektoren ein aktives staatliches Risikomanagement erforderlich ist (Fuest, 2022). Auf EU- Ebene wurden daher im Jahr 2022 für Gasspeicher konkrete Bevorratungsvorga- ben eingeführt, die sicherstellen sollen, dass Anbieter bis zum 1. November 2022 einen Füllstand von mindestens 80 % (beziehungsweise 90 % ab 2023) erreichen (Europäisches Parlament und Europäische Union, 2022).

Nach derzeitiger Gesetzgebung ist die Lagerhaltung in Deutschland allerdings steuerlich nachteilig, da sie das Umlaufvermögen erhöht und erst die Nutzung der Rohstoffe zu einem Betriebsausgabenabzug berechtigt. Dieser Nachteil könnte durch eine Anpassung der Steuergesetzgebung beseitigt werden, etwa durch eine Rohstoffbevorratungsrücklage, die sich nach den Anschaffungskosten der Rohstoffe bemisst und zu einem sofortigen Betriebsausgabenabzug berechtigt (Wachter et al., 2022b, 2022a). Was sagt der Bundesfinanzminister?

Sofern kritische Rohstoffe im Inland verfügbar sind, könnte der heimische Abbau eine Alternative zur Diversifizierung sein.

Welche Rohstoffe sind das??????

Sinnvoll wäre dieser Vorschlag: Statt wie noch 2020 rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Energie auszugeben, liegt der Anteil heute bei zehn Prozent.

Bereits vor Jahren hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) das Schiefergaspotenzial in Deutschland auf 1000 Milliarden Kubikmeter beziffert. Eine Menge, die für zehn Jahre unseren Gasbedarf vollständig deckt. 

Im Bereich der kritischen Rohstoffe ist dementsprechend eine Abwägung zwischen dem Abbau heimischer Vorkommen zur Sicherung des Bedarfs einerseits und mangelnder Rentabilität sowie Umweltschutzbedenken andererseits notwendig (Flach et al., 2022). Das Argument mangelnder Rentabilität muss insbesondere dann hinterfragt werden, wenn internationale Rohstoffpreise das Resultat gezielter drittstaatlicher Eingriffe sind. Der Abbau und die Weiterverarbeitung heimischer Rohstoffe könnten nicht nur den Standort Europa stärken; sie könnten außerdem unter den in Europa üblichen Umwelt- und Sozialauflagen erfolgen, die in Drittstaaten nicht immer gegeben sind.

Mit Blick auf die Versorgungssicherheit wäre es hilfreich, deutsche und europäische Vorkommen kritischer Rohstoffe zu identifizieren. Dies könnte etwa durch das im Rahmen des EU Critical Raw Material Act geplante Netzwerk europäischer Rohstoffagenturen geschehen. Angestrebte Nutzungsänderungen der identifizierten Flächen, etwa von einer Brachfläche zur gewerblichen oder privaten Nutzung, sollten daher immer auch mit Blick auf die Rohstoffversorgung besonders geprüft werden. Darüber hinaus sollten die möglichen Folgen eines lokalen Rohstoffabbaus gegenüber globalen Folgen des Abbaus in Drittstaaten mit weniger strengen Umweltauflagen abgewogen werden. Gegebenenfalls müssten dann in Europa bestehende Umweltauflagen angepasst werden.

Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren könnte die unternehmerische Bereitschaft, in Rohstoffvorhaben zu investieren, erhöhen (Kullik, 2019). Dazu sollten die Verfahren aus einer Hand erbracht und in Behörden mit ausreichend starker personeller Ausstattung und Sachkompe- tenz gebündelt werden (Wachter und Hillmann, 2022). Gleichzeitig könnten langfristige Abnahmeverträge durch privatwirtschaftliche Unternehmen mit Ungebundenen Finanzkrediten oder ähnlichen Instrumenten unterstützt werden.

Im öffentlichen Diskurs finden die Chancen und Risiken des heimischen Rohstoffabbaus in Deutschland bislang wenig Beachtung. Mangelnde öffentliche Kommunikation über die Notwendigkeit und Folgen der Förderprojekte kann jedoch die gesellschaftliche Akzeptanz für heimische Rohstoffförderung und -verarbeitung schmälern, weshalb beteiligte Akteure, etwa Investoren oder die lo- kale Regierung, eine transparente Informationsstrategie verfolgen sollten. Die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung könnte zudem erhöht werden, indem sie an den Gewinnen aus der Rohstoffförderung beteiligt wird. In Portugal wurde dafür eigens das Bergbaugesetz geändert: Gewinne aus dem Bergbau, die bisher allein dem Gesamtstaat zuflossen, werden nun bis zur Hälfte mit der lokalen Bevölke- rung geteilt (Handelsblatt, 2022). Ein ähnliches Modell wie in Portugal könnte, neben der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, die lokale Akzeptanz zu erhöhen.

Da ehemalige Kohlebergbauregionen besonders geeignet sind für den Abbau von Batterierohstoffen, bietet es sich an, die bestehenden Kompetenzen der lokalen Fachkräfte durch gezielte Aus- und Weiterbildung zu stärken (Europäischer Ausschuss der Regionen, 2021). Mögliche negative Folgen für die Umwelt nach Beendigung der Abbautätigkeiten könnten bereits vor Beginn des Abbaus finanziell abgesichert werden und die Nachnutzung der Flächen in enger Abstimmung von Behörden, Rohstoffunternehmen und Kommunen zügig erfolgen (Umweltbundesamt, 2022; Wachter und Hillmann, 2022).

Auch die europäische Recyclinginfrastruktur für kritische Rohstoffe kann stärker als Instrument zur Verringerung von Importabhängigkeiten genutzt werden. Diese Zielsetzung wurde im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft als Baustein des European Green Deal formuliert (Europäische Kommission, 2020e) und auch die Bundesregierung nennt Recycling als einen wichtigen Baustein in ihrer Rohstoffstrategie (BMWi, 2019). Sie sollte insbesondere bei ressourcenintensiven Wirtschaftsbereichen wie der Textil-, Bau-, Elektronik- und Plastikindustrie intensiviert werden, um höhere Wiederverwertungsquoten innerhalb von Wirtschaftsbereichen zu erreichen und Kosten der Beschaffung durch kurze Recyclingwege zu verringern. Seltene Erden etc. – wäre machbar. Siehe digitaler Produktpass.

Recycling ist aber noch keine umfassende Lösung für alle Rohstoffe. Bislang ist bei vielen Rohstoffen keine Wiederverwertung ohne Qualitäts- oder Reinheitsverlust möglich. Auch kann aufgrund des gegenwärtig erzielbaren, eher niedrigen Wirkungsgrades beim Recycling im Verhältnis zu den für die Produktion benötigten Mengen nur wenig Material in den Produktionsprozess zurückgeführt werden, sodass Primärrohstoffe weiterhin benötigt werden (BGR, 2021).

Daher sind eine Weiterentwicklung und erweiterte Förderung der Recyclingwirtschaft in Europa geboten.

Mit entsprechenden Innovationen kann die Recyclingwirtschaft über die bisher gut funktionierende Wiederverwertung von Metallen hinaus einen großen Beitrag zum Ausbau der innereuropäischen Beschaffung von Rohstoffen leisten: Zum einen kann die Abhängigkeit von Drittstaaten verringert werden, zum anderen würde eine Recyclingwirtschaft nach europäischen Richtlinien zu höheren Sozial- und Umweltstandards führen als es in Drittstaaten gegenwärtig der Fall ist (UBA, 2019).

Infokasten im Jahresgutachten:

Recycling in Deutschland

Recycling von Rohstoffen bezeichnet deren Rückgewinnung aus Abfällen und die Rückführung in den Produktionsprozess. Im Gegensatz zu Primärrohstoffen, die hierzulande nicht vorkommen, können aus dem Recyclingprozess gewonnene Sekundärrohstoffe auch heimisch produziert werden. Wenngleich ein Recycling bislang nur in begrenztem Rahmen möglich ist, ist es ein sinnvoller Ansatz, eine weitere Diversifizierung bei der Beschaffung von Rohstoffen zu erreichen, und ein Weg zu nachhaltiger Produktion.

Deutschland ist ein Vorreiter in der Herstellung und Verwendung von Sekundärrohstoffen. Beispielsweise wurden im Jahr 2020 rund 44 % der deutschen Kupferproduktion und 45 % der Rohstahlproduktion aus Sekundärrohstoffen gewonnen. Allerdings sind verschiedene Stoffe unterschiedlich gut recycelbar. Metalle verändern ihre chemische Struktur in der Verarbeitung nicht, sind also gut recycelbar. Andere Stoffe wie etwa Gips verändern in der Verarbeitung ihre chemische Struktur und lassen sich nicht wieder in den Ausgangsstoff umwandeln. Allerdings gibt es Möglichkeiten, aus verarbeiteten und veränderten Stoffen Substitute zu den eigentlichen Rohstoffen herzustellen, Beispiele sind Recyclingglas und Baustoffe. (BGR, 2021)

Mit der momentan verfügbaren Technologie lässt sich noch kein genügend hoher Wirkungsgrad erzielen, sodass keine Primärrohstoffe mehr nötig wären. Auch sind viele grundsätzlich gut recycelbare Stoffe, insbesondere Seltene Erden, in so geringen Mengen und starken Legierungen verbaut, dass die Sammlung des Schrotts und die Weiterverarbeitung momentan noch zu sehr hohen Kosten führt (Wilts et al., 2014; BMWi, 2019; BGR, 2021).

Des Weiteren bestehen wettbewerbspolitische Hemmnisse beim Ausbau der Recyclingindustrie. Zumindest bis in die Mitte der 2000er-Jahre war die internationale Recyclingwirtschaft de facto monopolisiert und eine kompetitive Marktstruktur bildet sich nur langsam heraus (OECD, 2006; Wilts et al., 2014; Di Foggia und Beccarello, 2021). Es besteht daher die Notwendigkeit, dass Wettbewerbsorgane wie die Generaldirektion für Wettbewerb und Kartellrecht der Europäischen Kommission oder das Bundeskartellamt eine Unterdrückung des Marktein- trittes von Wettbewerbern durch bestehende Unternehmen verhindern.

Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung nimmt Recycling schon in großem Umfang auf und adressiert viele der bislang hemmenden Punkte. Sie identifiziert drei Bereiche, die zu effizienten Recyclingprozessen führen: Alte, nicht mehr nutzbare Produkte müssen als Abfälle und Schrotte intensiv gesammelt und sortiert werden, die Recyclingtechnologien müssen weiterentwickelt werden, sodass der Wirkungsgrad des Recyclings und der Qualitätsgrad der gewonnenen Sekundärrohstoffe steigen und die Nachfrage nach recycelten Rohstoffen muss gelenkt werden (BMWi, 2019). So sollen Forschung und Entwicklung in der Aufbereitungstechnik gefördert werden, die insbesondere im Recycling von seltenen Erden zu höheren Wirkungsgraden führen können (BMWi, 2019).

Die Bundesregierung hat im Rahmen der Rohstoffstrategie eine Dialogplattform „Recyclingrohstoffe“ zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung geschaffen, die die Versorgung Deutschlands mit Sekundärrohstoffen verbessern soll (BMWi, 2019; BGR, 2022).

Im Hinblick auf die Förderung des Übergangs zur Elektromobilität beim Individualverkehr muss zudem eine spezifische Recyclinginfrastruktur für Elektrofahrzeuge, insbesondere für die verbauten Batterien, geschaffen werden. Das BMWK hat im Jahr 2022 ein Projekt zum „Batterie-Ökosystem“ gefördert, das in einem Konsortium, unter anderem aus Automobilunter- nehmen, die vollständige Wertschöpfungskette der in Elektrofahrzeugen verbauten Batterien verfolgen soll (BMWK, 2022c). Eine Ausweitung dieses Projektes, um eine Wiederverwertungs- struktur für Elektrofahrzeuge aufzubauen, ist in der mittleren Frist geboten; dazu sollte der Pro- jektpartnerkreis um Recyclingunternehmen erweitert werden.

Auf europäischer Ebene existieren Bestrebungen das Recycling zu intensivieren und bis zum Jahr 2030 verbindliche Zielgrößen zu setzen (Europäisches Parlament, 2021b, 2021c). Eine konkrete, EU-weite Strategie fehlt aber bislang. Allerdings gibt es bereits vielfältige Start-up- Unternehmen beispielsweise zum Recycling von Elektrofahrzeug-Batterien und Baustoffen (Concular, 2021; Circunomics, 2022). Eine EU-weite Plattform zum Austausch dieser Unterneh-men könnte ermöglichen, frühzeitig vielversprechende Technologien zu erkennen und geeig- nete Fördermöglichkeiten zu entwickeln, ohne den wettbewerblichen Innovationsprozess zu verzerren.

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