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Lage in China: Die Innovationskraft der Unternehmerinnen und Unternehmer entfaltete sich in einem eher schwachen regulatorischen Umfeld – Jetzt regiert wieder die erstickende Dominanz ideologischer Großsysteme

photo of chinese temple
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stone communist monument with crowd of people
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Der Wissenschaftler Jin Guantao reibt sich an der erstickenden Dominanz ideologischer Großsysteme in China. Ob klassischer Konfuzianismus oder sinisierter Marxismus: Die staatlich verordneten Orthodoxien bildeten seiner Ansicht nach “ultrastabile Strukturen”, indem neue Denkströmungen permanent oberflächlich integriert und als Teil des Bestehenden ausgegeben wurden. Als Herrschaftsideologie prägten sie die Ausbildung der gesellschaftlichen Eliten und sorgten für Kontinuität auch über politische Verwerfungen hinweg.

In zahlreichen Akademien, Vortragsreihen und Schriften suchten Intellektuelle nach Antworten auf die Frage nach dem Verhältnis von Tradition und Moderne. Neo-autoritäre Denker wie Xiao Gongqin (1946) betonten, dass sich wirtschaftliche Entwicklung und ein autoritäres System keineswegs ausschließen müssten, sondern dass gerade das Beispiel Singapurs sogar die Vorzüge dessen aufzeige, was in den 1990er Jahren als “asiatische Werte” debattiert werden sollte. Hieran hatten auch Teile der Parteiführung erhebliches Interesse, indem hierarchische Strukturen, Kollektivismus und zentrale Kontrolle als Kernelemente chinesischer Kultur in den Mittelpunkt gestellt wurden. Mit Wang Huning (1955), einem damaligen akademischen Shooting-Star aus Shanghai, stieg ein Vertreter dieser neo-autoritären Strömung bis in den Ständigen Ausschuss des Politbüros auf. Heute ist er das Mastermind hinter dem offiziellen Parteidiskurs “nationalen Wiedererstarkens”, mit dem eine Brücke zwischen Marxismus, Konfuzianismus und Nationalismus geschlagen wurde.

Ein starker Staat, der öffentliche Meinungen etwa mittels der maoistischen Massenlinie unmittelbar aufgreift, gilt hier als Garant sozialer Gerechtigkeit. Die Grenze zwischen der Neuen Linken und neo-autoritären Strömungen ist in den letzten Jahren zunehmend fließend geworden. So treten einige Vertreter, die vormals zum Spektrum der Neuen Linken gezählt wurden, nunmehr offensiv als Staatsapologeten auf. Hier sind insbesondere die Texte von Hu Angang und Hu Lianhe zur Verschmelzung der ethnischen Gruppen Chinas, Chen Duanhongs Lob für die Unterdrückung der Hongkonger Proteste sowie Jiang Shigongs Ode auf die Ära Xi Jinping zu nennen. All das steckt in dem gerade veröffentlichten Opus von Daniel Leese und Ming Shi: Chinesisches Denken der Gegenwart. Beleuchtet werden zentrale Debatten in China, die in der westlichen Öffentlichkeit nicht einmal in Ansätzen zur Kenntnis genommen werden.

Wie vertragen sich der Neo-Autoritarismus und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in China? Das ist das Thema meiner New-Management-Kolumne: Angeblich werden wir vom Reich der Mitte bei Digitalisierung, E-Mobilität und KI-Forschung überrollt. Da überschätzen Innovationsforscher Dietmar Harhoff, der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger und viele andere Protagonisten die Innovationskraft der kommunistischen Staatsbürokraten in Peking. Das hat der Sinologie-Professor Daniel Leese bei einer Tagung der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung gut zum Ausdruck gebracht. Es ging um Alexis de Tocqueville und den Meisterdenker der KP-China Wang Huning. Der Modernisierungspfad sei eher die Schwäche des chinesischen Staates, sagt Leese: „Die Innovationskraft der Unternehmerinnen und Unternehmer entfaltete sich in einem eher schwachen regulatorischen Umfeld, die die Politik der 1980er und 1990er Jahre maßgeblich geprägt hat.“

Wer Internet-Unternehmer in den Knast steckt, kann wohl kaum innovativ sein. Staatsbürokraten wie der Diktator Xi Jinping sind wenig geeignet, Sprunginnovationen anzustoßen, zu planen oder am Markt durchzusetzen. Sie spionieren und schikanieren ihr Land eher mit Überwachungsterror und hausmeisterlich brüllenden Drohnen. Wir sollten uns vor dem Wettbewerb der politischen Systeme nicht fürchten. Zentralistisch miserabel gesteuerte Staatsbürokratien sind völlig ungeeignet für den Innovationswettbewerb.

Mit den Texten von Wang Huning und Co. werde ich mich intensiver auseinandersetzen.

Siehe auch: Das heimliche Mastermind hinter Chinas Konfrontation mit den USA

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

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