Plädoyer für Verkehrszählungen an Gelben Tonnen: Wo sind die Recyclingpreller?


Der DSD-Konzern mit dem Grünen Punkt als Erkennungszeichen erzielt 2010 einen Überschuss nach Verlusten in Vorjahren, berichtet der Fachdienst Euwid. Die Müllsammler weisen einen Jahresüberschuss von 14,4 Millionen Euro aus bei einem Umsatz von 592 Millionen Euro. „Der Verzicht auf Marktanteile sei teilweise durch um 8 bis 10 Prozent höhere Lizenzentgelte ausgeglichen worden. Das geht aus dem EUWID vorliegenden Jahresabschluss des Unternehmens hervor. Wesentliche Gründe für das gesteigerte Ergebnis seien das stark verbesserte Bruttoergebnis und geringere Abschreibungen auf den Firmenwert. Zudem sei die außerordentliche Belastung durch die Abschreibung aus der Clearingstellenabrechnung für das Jahr 2008 weggefallen. DSD rechnet auch weiterhin mit einem harten Wettbewerb, jedoch nicht mit der flächendeckenden Feststellung eines weiteren Systembetreibers in diesem Jahr“, schreibt Euwid. Das wird doch vor allen Dingen die neuen Eigentümer des DSD-Konzerns erfreuen: Das Management unter Führung von Stefan Schreiter und die britische Private Equity-Gesellschaft Solidus Partner. Siehe auch: Der Grüne Punkt und die Heuschrecken.

Interessant auch der ARD-Film „Müll-Geschäfte“ (so ab der Minute 4:30 lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen in diesem ARD-Film).

Na dann müssen wir ja nicht mehr die Kollekte kreisen lassen nach den Horrorgeschichten, die man in den vergangenen Jahren so gehört hat. Nach der Lektüre der Frühjahrsausgabe des DSD-Kundenmagazins machte ich mir ernsthaft Sorgen, ob die Manager des Grünen Punktes noch das Licht am Ende des grausamen Recyclingpreller-Tunnels jemals wiedersehen können. Da schlug mir die Überschrift entgegen: „Noch sind Betrüger im Markt“. Gemeint sind wohl jene dunklen Gesellen, die sich an den Lizenzgebühren für die Entsorgung der gebrauchten Verpackungen trickreich vorbeimogeln und das Müllsammel-Regime in schwere Depressionen stürzen. Entsprechend wehklagend verlangte DSD-Chef Schreiter von den Vollzugsbehörden ein entschlossenes Handeln im Kampf gegen die Betrüger. Es könne doch nicht angehen, dass das DSD sich für hohe Verwertungsstandards und einwandfreie Mengenmeldungen ins Zeug legt und die Recyclingpreller ungeschoren davonkommen.

Nur, wer sind denn die Betrüger? Die werden in der Regel nicht konkret benannt. Da wird es den Müllpolizisten schwerfallen, eine Fahndungsliste zu erstellen oder Aktenzeichen XY ungelöst einzuschalten, um in Deutschland an der Gelben Tonnen-Front endlich wieder für Sauberkeit, Ordnung und Anstand zu sorgen.

Auch ein weiteres Rätsel sollte so langsam mal aufgeklärt werden. Es geht um die so genannte Eigenrücknahme des Handels. In diesem Modell werden die Verpackungen direkt im Laden gesammelt. Im vergangenen Jahr sollen es rund 125.000 Tonnen gewesen sein, die nicht den Weg in Gelbe Tonnen und Säcke fanden. Aber genau da vermutet DSD-Chef Schreiter diese Verpackungen, folgt man einem Bericht der FAZ. Diese Mengen würden in Gelben Tonnen landen, aber als Eigenrücknahme klassifiziert, um Gebühren zu prellen.

Wie schafft der DSD-Chef das bloß? Zählt er die Folien, Tüten, Blister und Flaschen, die man in Sortieranlagen des DSD findet, aber eigentlich als Eigenrücknahme klassifiziert wurden? Kann man überhaupt in dem groben Mengengerüst der Materialfraktionen Weißblech, Verbundverpackungen, Alu und Plastik erkennen, woher das Zeug kommt? Werden die gepressten Ballen wieder zerlegt und gezählt? Rund 40 bis 50 Prozent der Mengen in Gelben Tonnen und Säcken sind Fehlwürfe und Nichtverpackungen. Unheimlich viele Verpackungen werden zu Hause und unterwegs in normale Mülltonnen geworfen und landen in der Müllverbrennungsanlage.

Vor Jahren kamen Wissenschaftler der TU-Berlin daher zu einem klaren Urteil: Handel und Industrie seien logistisch und technisch gar nicht in der Lage, bei der haushaltsnahen Sammlung eine Identität zwischen der in Verkehr gebrachten und zurückgenommenen Verpackung zu organisieren. Aber vielleicht organisiert der DSD-Chef mal so eine Art Verkehrszählung an Gelben Tonnen, um die Recyclingpreller zu schnappen. Sachdienliche Hinweise von besorgten Mülltrennungsbürgern nimmt bestimmt jede örtliche Polizeidiensstelle entgegen oder auch nicht.

Siehe auch:
Nietzsche und die ewige Wiederkunft des Gelbe Tonnen-Streites.

Die Mülltonnen-Verschwörung: Warum kleine grüne Männchen Gelbe Tonnen durchwühlen und Gelbe Säcke aufschlitzen.

Neues vom Müllschwund und von der Zertifikatsbürokratie der Entsorgungswirtschaft

In einem Beitrag für NeueNachricht haben wir jetzt nachgelegt und die Hintergründe des angeblichen Müllschwundes unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten analysiert. Bstimmten Lobby-Kreisen geht es wohl um noch etwas ganz anderes. Die aufwändigen Zertifizierungsprozeduren und Sicherheitsleistungen, die der BDE für die Organisation der Mülltrennung verlangt, stellen eine hohe Hürde für den Eintritt neuer Wettbewerber in den Markt dar. Gleichzeitig ermöglichen sie es den etablierten Unternehmen, ihre Deutungshoheit über die Umsetzung der Verpackungsverordnung zu wahren. Stefan Schreiter, der Geschäftsführer des zertifizierten Marktführers, des Ex-Monopolisten DSD GmbH, hat erst kürzlich die wachsende Eigenrücknahme von Leichtverpackungen durch den Handel als „Betrugsmodell“ hingestellt. Alternativen kann der Marktführer offenbar nur als „Wettbewerbsverzerrung“ wahrnehmen.

Der Wettbewerbsrechtler Professor Hans-Peter Schwintowski von der Freien Universität Berlin weist darauf hin, dass nach europäischem Recht regulierende Eingriffe in Märkte grundsätzlich nur dann zulässig sind, „wenn der Wettbewerb auf dem Markt messbare Funktionsdefizite aufweist.“ Das gelte auch für die Einführung von Zertifizierungssystemen mit Strafandrohung, selbst wenn diese formal auf freiwilliger Basis erfolgen. „Reglementierungen dieser Art sprechen eigentlich immer dafür, dass irgendeiner der Marktteilnehmer seine besondere Finanzkraft nutzen will, um die anderen mittel- und langfristig vom Markt zu verdrängen“, meint Professor Schwintowski. Bleibt also die Frage, ob der vom BDE verfochtene Eingriff in den Markt allein wegen statistischer Ungereimtheiten gerechtfertigt ist.

Hier geht es zur kompletten NeueNachricht-Story.

Rädelsführer, Trittbrettfahrer, Dumpingpreis-Recycling und illegale Entsorgungspraktiken: Entsorgungskonzern mit dem Anfangsbuchstaben „R“ „redet Verpackungsverordnung in den Boden“

Tonnen-Mysterium
Tonnen-Mysterium

Neun so genannte Duale Systeme sind in Deutschland mittlerweile für die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungsabfall zuständig. Mit der fünften Novelle der Verpackungsverordnung wollte der Gesetzgeber für Klarheit sorgen in Fragen der Kostenbeteiligung von Handel und Konsumgüterindustrie für die Abfallentsorgung über Gelbe Tonnen und Säcke. Den Erfolg der Novelle will der neu gegründete Bundesverband Duale Systeme Deutschland (BDSD) sicherstellen. Allerdings regt sich Widerstand. „Wir verstehen nicht, dass es Mitbewerber gibt, die einen Marktanteil von unter zwei Prozent haben und der Öffentlichkeit weismachen wollen, dass dieser Markt im Chaos enden wird“, kritisierte BDSD-Präsident Raffael A. Fruscio nach der Gründungsversammlung in Köln.

Neuer Bundesverband will für Klarheit beim Verpackungsrecycling sorgen
Neuer Bundesverband will für Klarheit beim Verpackungsrecycling sorgen
Dieser „Rädelsführer“ würde die Öffentlichkeit verunsichern. „Wir haben keine Schwächen bei der Entsorgung von Verpackungsabfall. Allerdings müssen sich alle Systempartner, die ihre Arbeit über eine Clearingstelle koordinieren, an die Einhaltung des Vertrages halten, der von allen neun Dualen Systemen unterzeichnet wurde. Hier gibt es Spielregeln, die man nicht rückwirkend außer Kraft setzen kann“, erlärte Fruscio. Grund für den Ärger ist die Jahresabrechnung 2008. Die Dualen Systeme müssen ihre kalkulierten Marktanteile für die Kosten des Sammelsystems im voraus bezahlen. Kommt es am Jahresende zu Abweichungen zwischen Kalkulation und Endmenge, greift ein kompliziertes System von Ausgleichs- und Strafzahlungen. Zurzeit steht eine Summe von mehr als 40 Millionen Euro im Raum. Den größten Anteil müsse diesmal die Firma Eko-Punkt tragen. Doch die wehrt sich dagegen. Für den BDSD, der nach eigenen Angaben mit seinen drei Mitgliedsfirmen zur Zeit 75 Prozent des Marktes repräsentiert, ist das nicht hinnehmbar: „Ich bin lange genug im Geschäft und habe in den vergangenen Jahren vom Clearingstellen-Ausgleich profitiert und müsse jetzt auch zahlen“, sagte BDSD-Präsident Fruscio, der zudem geschäftsführender Gesellschaft von Redual ist.

Man werde mit aller Kraft dafür sorgen, dass ein stabiler Markt durch diese Verweigerungshaltung nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Eko-Punkt lehne nach Aussagen von Fruscio eine Mitgliedschaft im neugegründeten Verband ab. Zu den Rädelsführern zählt er einen der größten Entsorgungskonzerne mit dem Anfangsbuchstaben „R“ der davon beseelt sei, die fünfte Novelle in den Boden zu reden, um eigene Interessen nach vorne zu schieben. Kritisch sieht der BDSD die Tendenz zum „Lizenzdumping“. So gebe es Unternehmen, die für 500 Euro pro Tonne die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Plastikabfall anbieten. „Duale Systeme könnten für diesen Preis ihre Leistungen nicht anbieten. Wir kennen unsere Einkaufspreise, das ist nicht machbar“, stellte Fruscio fest. Sein Verband werde bei der Konsumgüterindustrie für Aufklärung sorgen und für Verständnis werben, dass man auf diesem Preisniveau Entsorgungsverträge nicht abschließen könne.

Mehr Klarheit müsse es auch bei den Branchenlösungen geben, die den Verpackungsabfall direkt im Geschäft zurücknehmen und sich nicht an den Kosten der haushaltsnahen Abfallsammlung beteiligen. Hier wolle der BDSD sicherstellen, dass hinter den Branchenlösungen auch wirklich Entsorgungsleistungen stehen und kein reiner Handel mit Wiegescheinen, wie es in der Vergangenheit leider häufig der Fall war. So etwas müsse man verhindern und notfalls öffentlich anprangern. Nach seriösen Schätzungen dürfe der Markt für Branchenlösungen nur bei rund 150 Millionen Euro pro Jahr liegen. Die Marktgröße für die haushaltsnahe Sammlung bezifferte der neue Verband auf 1,1 bis 1,3 Milliarden Euro.

„Auch das phantasievolle Umdeklarieren von Verkaufsverpackungen zu Transportverpackungen schädige die Dualen Systeme. Das ist besonders in der Non-Food-Branche zu beobachten“, monierte Fruscio. Hier gebe es ein eingeschliffenes Falschwissen der Industriepartner.