Die degradierten CIOs

Mein Interview mit dem Harvey Nash-Geschäftsführer Udo Nadolski über den sinkenden Einfluss der IT-Chefs in Unternehmen hat ja zu einigen Ausschlägen in den Fachmedien geführt. Hier die kurze Version als Audioaufzeichnung:

Es ist ja schon erstaunlich, dass die Bedeutung der Informationstechnologie für die Arbeitswelt steigt und der der Stellenwert der CIOs sinkt: So schreibt die SZ: „Der technische Fortschritt kennt kein Pardon, und die IT-Firmen sind dank ihrer Produkte Vorreiter in der Arbeitswelt. Erst durch die neuen Kommunikationsmittel ist Mobilität effizient geworden. Während die Erreichbarkeit früher dort vorbei war, wo das Telefonkabel endete, spielt dies keine Rolle mehr“.

Einfache industrielle Arbeiten werden in Deutschland kaum noch nachgefragt. Entsprechend hoch müsste die Bedeutung der IT-Chefs in den Unternehmen sein, da die postindustrielle Gesellschaft ihre Innovationen und ihren Fortschritt zunehmend aus der Informationstechnologie bezieht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, wie eine weltweite CIO-Umfrage des Beratungshauses Harvey Nash belegt: „67 Prozent der befragten CIOs geben zu Protokoll, dass das Innovationspotenzial der IT nicht abgerufen wird. Die Relevanz der CIOs hat in den vergangenen Jahren gelitten. Die IT-Chefs werden zu Dienstleistern in der eigenen Organisation degradiert. Besonders während der Rezession ist die Zahl der CIOs, die direkt an den Vorstandschef berichten, drastisch zurückgegangen. So langsam kehrt sich dieser Trend um. Auch von den CIOs werden in den nächsten Jahren verstärkt wieder Innovationen für das Kerngeschäft gefordert. Das wandelt sich allerdings nur sehr langsamt“, so Udo Nadolski, Geschäftsführer von Harvey Nash in Düsseldorf. Der komplette Artikel über das Nadolski-Interview ist in Service Insiders erschienen. Aber einen wichtigen Punkt möchte ich an dieser Stelle hervorheben, der sich mit der Schuld der IT-Industrie beschäftigt:

Die Anbieter von Informationstechnologie seien an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig, sagte mir Nadolski in dem Telefoninterview. Es gehe selten um die Kernthemen der Anwender, sondern fast nur um so genannte Prozessoptimierung, Kosteneffizienz und Einsparpotenziale. „Die IT-Branche versucht, ihre eigenen Businessmodelle durchzusetzen und ist sehr selbstverliebt, wenn dem CIO im Anwenderunternehmen souffliert wird, was interessant und wichtig ist“, kritisiert der IT-Kenner Nadolski. Als Beispiel führt er den inflationär von der IT-Industrie verwendeten Begriff „Unified Communications“ an. Das werde als das glückseligmachende Medium der Zukunft angepriesen. Viele CIOs seien auf diesen Zug aufgesprungen und propagieren das im eigenen Unternehmen, ohne aber den Tauglichkeitstest gemacht zu haben. Die IT-Anbieter seien also an der Degradierung der CIOs nicht ganz unschuldig. IT-Chefs sollten vielleicht weniger auf diese Einflüsterungen hören, empfiehlt der Harvey Nash-Chef.

Bingo! Das habe ich im vergangenen Jahr in einer Titelgeschichte für die absatzwirtschaft beleuchtet: absatzwirtschaft März 2010

Obsessionen für technische Perfektion sind ja schön und gut. Am Ende des Tages ist der Markterfolg entscheidend und nicht die Selbstverliebtheit von Ingenieuren. In vielen IT-Unternehmen sind Marketing, Management und Führung immer noch viel zu herstellerorientiert“, kritisiert Peter B. Záboji vom After Sales-Unternehmen Bitronic. Wenn sich Bastler, Ingenieure, Programmierer etwas ausdenken, seien sie ausschließlich an den Eigenschaften ihrer Spielzeuge interessiert. „Der mögliche Benutzer ist für sie nur ein störender Ignorant“, so die Erkenntnis des keinesfalls technikfeindlichen Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger. Was sich in Büros und Wohnzimmern abspiele, sei grotesk. Rechner, Drucker, Netzgeräte, Scanner und Brenner würden jeweils das Studium einer hundertseitigen Betriebsanleitung erfordern. Vielleicht liege es an den berufsbedingten Schauklappen nach dem Motto: Chacun devient idiot à sa façon – jeder macht sich auf seine Weise zum Idioten.

Hier noch ein paar Veröffentlichungsergebnisse der Service Insiders-Meldung:

Innovationspotenzial der IT liegt brach.

IT-Chefs auf Sinnsuche.

CIOs auf dem absteigenden Ast.

CIOs immer unwichtiger.

Bedeutung der IT-Chefs gesunken.