Die deutsche Justiz hat ein Sprachproblem, konstatiert mein The European-Kollege Heinrich Schmitz. Als Strafverteidiger wird er das gut beurteilen können. Aber nicht nur die Judikative leidet unter diesem Mangel – auch der Gesetzgeber erweist sich als semantischer Tiefflieger. Darauf verweist Clemens Stroetmann, ehemaliger Staatssekretär im Bundesumweltministerium:
“Es gibt Gesetze, die werden novelliert, bevor die Grundfassung im Gesetzblatt steht.”
Bei der Verpackungsverordnung, die er in seiner Amtszeit über lange Jahre begleitet hat, ist nicht nur das Regelwerk brüchig, sondern sogar die Grammatik. Man könnte als Experte noch so kluge Vorschläge machen und in Anhörungen vortragen, das würde alles ins Leere laufen. So war es bei der fünften Novelle und so wird es wohl auch bei der sechsten Novelle über die Bühne gehen. Die Tatsache, dass eine Verordnung der Bundesregierung es mittlerweile auf mindestens fünf Rechtskommentare gebracht habe – und wir reden hier nicht über das Grundgesetz, sondern nur über eine Rechtsverordnung – sei für sich genommen ein Alarmsignal, so Stroetmann in einer Rede, die er vor fünf Jahren hielt.
“Formulierung nicht geglückt” tauche in den Kommentaren zur Verpackungsverordnung häufig auf. “Wer sich in den Rechtswissenschaften auskennt, weiß, dass das eine Maulschelle ist”, sagt der Ex-Staatssekretär.
Bislang sei es nicht gelungen, in fünf Novellen die Strukturprobleme beim Recycling von Verpackungsabfall zu lösen. Dazu zählt Stroetmann den freien Fall der Mehrwegquote und die Verweigerung von Unternehmen, sich an den Kosten des Recyclings zu beteiligen – also das Trittbrettfahrer-Problem. Von den Novellen hätte man eigentlich lernen können, was funktioniert und was funktioniert nicht. Bislang sei das nicht gelungen und werde wohl auch in Zukunft nicht gelingen, so Stroetmann im Jahr 2009. Seine Skepsis bewahrheitet sich. Jetzt wird erst einmal eine sechste Novelle vorgelegt und direkt eine siebte Novelle hinterher geschoben.
Im ersten Schritt wird die Richtlinie 2013/2/EU der EU-Kommission vom 7. Februar 2013 zur Änderung von Anhang I der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Verpackungsrichtlinie) in deutsches Recht umgesetzt. Durch die Richtlinie wird die Beispielliste der Verpackungsrichtlinie für die Verpackungsdefinition geändert. Mit der Verordnung soll die Richtlinie 1:1 umgesetzt werden. Zugleich erfolgt mit der Verordnung eine von der Kommission gerügte fehlende Klarstellung zum Begriff der Transportverpackung in der Verpackungsverordnung. Danach will man dann auf die Vorschläge der NRW-Landesregierung eingehen und die Frage der Beteiligung an den Entsorgungssystemen für Verkaufsverpackungen auf die Tagesordnung der Umweltpolitik setzen. Eigenrücknahmen von Verpackungen sollen nicht mehr möglich sein und so genannte Branchenlösungen stärk eingeschränkt werden – also etwa die Rücknahmemöglichkeiten in Schnellrestaurants.
Trittbrettfahrer, die sich an den Kosten des Verpackungsrecyclings seit nunmehr zwei Jahrzehnten nicht beteiligen, wird es freuen. Sie werden auch künftig nicht zur Kasse gebeten. Bei den Direktimporteuren, den Winzern, Bäckern, Fleischern, dem Direktvertrieb und bei Großmärkten sind bislang alle Maßnahmen gescheitert, die Firmen ins Boot zu holen. Die machen bislang gar nichts, noch nicht einmal Eigenrücknahmen oder Branchenlösungen. Es sind Totalverweigerer und sie werden es bleiben, wenn man dem NRW-Modell folgt.
Siehe auch:
Hat dies auf http://www.ne-na.de rebloggt.