Glück und Zufall bringen keine Schlagzeilen im Fußball @DFB_Team

Nur allzu gern versuchen wir krampfhaft, den Faktor Glück zu ignorieren und für unser Tun eine gehörige Portion Kausalität schlichtweg zu erfinden. Wenn ein durchschnittlicher Golfer bei einem zweitägigen Turnier einen überdurchschnittlichen Start hinlegt, gehen wir davon aus, dass er auch am zweiten Tag eine gute Leistung zeigt. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings hoch, dass er wohl eher wieder ein normales Ergebnis bringt, weil das außerordentliche Glück des ersten Tages nicht anhalten wird. Für Sportreporter sind das keine Neuigkeiten.

Was Daniel Kahneman als Regression zum Mittelwert bezeichnet, bringt keine Schlagzeilen. Die Headline muss daher anders lauten: „Der Golfer zeigte Nerven und konnte dem Druck nicht standhalten“. Oder: „XY ist kein Siegertyp“. Oder auch: „Der Gegner zermürbte den Champion des ersten Tages“. Mit folgender Schlagzeile geben wir uns nicht zufrieden: „Der Golfer hatte ungewöhnlich viel Glück“. Da fehlt die kausale Kraft, die unser Intellekt bevorzugt. Ähnlich ist es mit der deutschen Fußballnationalelf. Zweimal rausgeflogen in WM-Vorrunden, schon ist das Wehklagen großen. Beispiel aus der taz: „Manchmal entwickelt der Fußball eine infernalische Kraft. Er schleift Gewissheiten, scheint die alte Welt aus den Angeln zu heben und eine neue Ordnung zu schaffen, von der keiner wusste, dass sie in dieser Form existiert.Auch Bundestrainer Hansi Flick war diese Parallelwelt nur aus Erzählungen bekannt, bis er vom großen Scharfrichter Fußball bitter lernen musste, dass Deutschland keine Turniermannschaft mehr ist und auch kein Team, das automatisch in die K.-o.-Runde einer WM einzieht. Warum? Weil es eben so ist.“ Der Marsch der 2006er-Crew sei zu Ende, laber-sülz. Freunde und Freundinnen des Fußballs, schaut Euch doch die Bilanz von Flick als Bayern-Trainer an. Glück und Pech sind konstante Faktoren im Spiel, neben Können, Taktik, Kraft, Kondition, Psychologie und dergleichen. Es wird im Weltfußball mittlerweile hoch professionell gearbeitet. Da können auch Ausrutscher mal passieren.

Kausale Geschichten erfinden

Wir suchen krampfhaft nach einer eindeutigen Beziehung von Ursache und Wirkung, tappen damit aber in die Falle ungerechtfertigter kausaler Schlüsse. Glück oder Zufall passen nicht zur Attitüde der Welterklärer. Das gilt auch für Rückschaufehler. Ex post ist man immer schlauer und erkennt Gründe, die vorher niemanden interessierten. So erhielt am 10. Juli 2001 die CIA Informationen, wonach El Kaida einen größeren Angriff gegen die USA plane. Der damalige CIA-Direktor George Tenet unterrichtete nicht George Bush, sondern die Sicherheitsberaterin Rice.

Als das nach den Anschlägen auf das World Trade Center publik wurde, schrieb der Washington-Post-Chefredakteur Ben Bradlee: „Es erscheint mir selbstverständlich, dass man eine solche Nachricht, die Geschichte schreiben wird, direkt dem Präsidenten mitteilt.“ Was für ein Schlaumeier. Am 10. Juli wusste niemand, dass diese Neuigkeit Geschichte schreiben würde. Den gleichen Mumpitz fabrizieren jeden Tag neunmalkluge Börsenanalysten, die in ihren Ex-post-Kommentaren immer schon alles wussten, aber eben erst im Nachgang des Geschehens. Niemand würde sich vor die Kamera der einschlägig bekannten Börsensendungen stellen und sagen, dass man schlichtweg keine Peilung hat, warum es zu irgendwelchen Schwankungen an den Finanzmärkten kam.

Eine weitere Methode der Wahrheitskonstrukteure ist die ständige Wiederholung von Aussagen, um Menschen dazu zu bringen, falsche Aussagen zu glauben. Das erzeugt Vertrautheit, die sich nur schwer von der Wahrheit unterscheiden lässt. Man reduziert damit die kognitive Beanspruchung des Publikums und zahlt auf das Konto der Bequemlichkeit ein.

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