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Die Ablenkungsmanöver des Vatikans: Wie man der Kritik ausweicht

Verschwiegene Gemeinschaft

Über Wochen ist nun nicht mehr über die jüngste Skandalgeschichte der katholische Kirche disputiert worden. Es ging nur noch um den Nachfolge von Papst Benedikt. Ein raffinierter Ratzinger-Schachzug, den Vera Bunse so kommentiert:

“Das haben sie fein ausgekaspert im Vatikan. Ging auch ganz fix. Der Neue ist 76, gilt als Held der Armen, ‘fährt sogar mit dem Bus’, oh heiliger Bimbam, und hatte anscheinend während der Diktatur in Argentinien interessante Bekanntschaften. Und er ist Jesuit, was an sich schon eine längere Geschichte ist, erst recht im Zusammenhang mit dem Papsttum. Der Papstname – ein echter Coup – passt zumindest zu einem Teil des Bildes: Offiziell ist Franziskus von Assisi als der spartanische Heilige bekannt. Tatsächlich soll er ein ziemlicher Eiferer gewesen sein. Aber, wie gesagt, es ging sehr fix. Ratzinger mit seinem Rücktritt hat sie eiskalt erwischt, also gab es nur eine kurze Vorbereitungszeit für das Konklave.”

Mit seiner Einstellung zur Homo-Ehe kann man den neuen Papst nicht als Reformer werten. Kann überhaupt einer aus der diesem Machtkartell wirklich reformorientiert sein?

Über das strategische Manöver des Ex-Papstes, der ja weiterhin mit “Euer Schein Heiligkeit” angeredet werden möchte, habe ich mich kürzlich ausgelassen: Über den Papst-Rücktritt und das Ablenkungsstrategem: Der listige Ratzinger.

Der Sinologe und Strategem-Experte Professor Harro von Senger hat meinen Text kritisch unter die Lupe genommen.

“Ein Strategem des Vatikans (ohne Nennung eines Papstes) erwähne ich in ‘Strategeme Band 2’ S. 242 (‘21.17 Wie man der Kritik ausweicht’). Papst Johannes Paul II erwähne ich in demselben Buch auf S. 169 (‘20.6. Im Spielsalon Quartier bezogen’).

Dem zurückgetretenen Papst habe ich vor Jahren einen Brief geschrieben und ihn auf Matthäus 10.16 aufmerksam gemacht. Darauf bekam ich ein Antwortschreiben aus dem Vatikan, wonach der Papst das Schreiben zur Kenntnis nehmen werde. Ich stellte im ersten Band seiner Jesus-Bände fest, dass hinten im Index mit all den in dem Band zitierten Bibelstellen Mattäus 10:16 nicht aufgeführt war. Die späteren Bände habe ich nicht mehr überprüft. Ich habe mich mit dem zurückgetretenen Papst zu wenig befasst, als dass ich über ihn strategemische Spekulationen anstellen wollte, meine Sachkenntnis ist zu geringfügig.

Nur zwei, drei Bemerkungen zu Ihrem Text

Zu: Einen Backstein hinwerfen, um einen Jadestein zu erlangen. Kerngehalt: Gib-nimm-Strategem. Wurm-Fisch- oder Köder-Strategem. Die Rücktrittsbegründung von Ratzinger wäre da so ein Fall. Er sei zur Gewissheit gelangt, dass seine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben. Wer sollte es da wagen, zu widersprechen oder andere Motive zu unterstellen.

Dieser Passus ist annehmbar, nämlich ein wenig zurückhaltend, nicht so affirmativ wie andere Stellen Ihres Artikels. Die Aussage ‘….wäre da so ein Fall’ gefällt mir gut.
Meines Erachtens ist es übrigens weniger Strategem Nr. 17 als vielmehr Nr. 19: Niemand hat infolge der Rücktrittsbegründung noch den Antrieb, die Lust oder die Energie, etwas anzuzweifeln.

Zu: Man könnte auch von einem Wortschwall sprechen

Nach meiner Erinnerung hat der Papst nur eine ganz dürre, kurze Rücktrittserklärung abgegeben, den Eindruck eines ‘Wortschwalls’ hatte ich nicht. Um nicht gegen sich selbst das Strategem Nr. 19 anzuwenden, das dann allerdings ein Schildbürgerstreich wird, sollte man Übertreibungen meiden.

Auf jeden Fall wären die Strategeme, die Sie bei dem Papst zu entdecken glauben – und sie sagen es ja auch im Schlusssatz – wohl eher alles taktische Strategeme und nicht solche strategischer (also auf langfristige Wirkung angelegte) oder gar supraplanerischer (mega-langfristiger) Natur. Sollte Langfristiges angestrebt sein, wären diesbezügliche Überlegungen interessant, aber derartige Überlegungen könnte kompetent nur ein Insider anstellen.”

So ganz falsch lag ich mit meiner Einschätzung wohl nicht. Wichtig ist der Hinweis von Professor Senger auf das strategische Dauerspiel des Vatikans: “Wie man der Kritik ausweicht”. Auszug aus dem zweiten Strategem-Band:

“Die objektive Mangelhaftigkeit einer Institution wird Individuen zur Last gelegt. So wird ohne Verbesserung des Wesens der Schein einer Verbesserung erschlichen. Die Personen, die Werkzeuge werden geopfert, und darauf wird die Aufmerksamkeit gelenkt. Die Sache, die Institution, bleibt ungeschoren.”

Ein langfristiger Plan liegt dem Handeln von Ratzinger nicht zugrunde.

Mit dem Rücktritt als Papst hat Ratzinger ein Opfer auf sich genommen, um zumindest temporär die Weltöffentlichkeit mit der Neuwahl des Papstes zu beschäftigen und nicht mehr die tiefe Krise der katholischen Kirche als Institution zu thematisieren. Dieser Schachzug wird sich aber sehr schnell verbrauchen.

So sollten wir uns stärker mit Artikel 140 des Grundgesetzes beschäftigen und renovieren. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen darf nicht über das Regelwerk des Rechtsstaates gestellt werden. Vor allem, wenn es um Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen geht, die zu rund 90 Prozent mit Steuergeldern finanziert werden – nicht zu verwechseln mit der Kirchensteuer.

So sollten konfessionelle Schulen der staatlichen Aufsicht unterliegen. Auch wenn es um disziplinarische Belange geht, wie bei den Missbrauchsfällen am Collegium Josephinum in Bonn. Hier hat die Bezirksregierung Köln nur Anhörungsrechte, kann aber keine personellen Entscheidungen treffen – etwa bei der Suspendierung eines Lehrers oder Schulleiters. Siehe auch die Äußerungen von Jürgen Domian über Kirchenmitarbeiter und Streik.

Siehe auch:

Schon wieder ein Übergangspapst.

Die Vorherrschaft der katholischen Kirche in unseren Medien ist unerträglich.

Überraschung! Katholische Kirche wählt alten, konservativen weißen Mann zum Papst.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

5 Kommentare zu "Die Ablenkungsmanöver des Vatikans: Wie man der Kritik ausweicht"

  1. Wir sind alle Übergangs-Päpste.

  2. Unfehlbarkeit ist doch was herrliches.

  3. Herrlich! “Grundlage theologisch begründeter Unfehlbarkeit ist hier nicht der MENSCH, sondern GOTT, der einem Menschen die Unfehlbarkeit aus BESTIMMTEN GRÜNDEN verleiht.” Oha! Über die Gründen wäre ich sehr interessiert…

  4. Da sind ja die klerikalen Denker und Lenker schön aus dem Schneider.

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