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Wichtiges Opus, leider zelebrieren unsere Meinungsbildner in Politik und Wirtschaft immer noch das Bild von der Industrienation Deutschland. Die haben nichts begriffen. Wir erleben immer mehr eine Entmaterialisierung – auch wenn Produkte nach wie vor wichtig sind. Aber man kann das sehr schön an seinem eigenen Verhalten festmachen. Ich habe in den letzten Jahren in meinem Bonner Lieblingsladen für Musik keine einzige CD mehr gekauft. Ähnliches wird jetzt mit den Videotheken passieren. Die werden in ihrer jetzigen Form nicht überleben. Was wir brauchen: Eine Support Economy! Die Buchautorin Shoshana Zuboff hat vor einigen Jahren dafür den Begriff „Support Economy“ geprägt als neue Stufe der Kundenorientierung. Nach ihrer Erkenntnis streben die Menschen heute nicht mehr nach Massenprodukten, sondern nach Unterstützung für viele Lebensbereiche, kurz: nach Lösungen für ihre Probleme. In der Support Economy stehe der Kunde deshalb nicht nur am Anfang statt wie bisher am Ende der Wertschöpfungskette, sondern im Mittelpunkt eines Wertschöpfungsnetzes. Dazu brauche es all die Managementfähigkeiten, die zwar gepredigt werden, deren Dimension aber noch nicht richtig begriffen wurde: Kundenorientierung, Motivationsfähigkeit, sensibler Umgang mit Mitarbeitern, Hinhören statt Hierarchiedenken.

Kunden wollen nach ihren Bedürfnissen befragt werden; sie erwarten einen Mentalitätswandel als Fundament für den Übergang zur Support-Ökonomie. Konsumenten seien es Leid, um Interessen kämpfen zu müssen. Ein Anrufer bei der Hotline eines Internetproviders will nicht vor endlosen Selektionsmöglichkeiten seines Tastentelefons gestellt werden, sondern eine schnelle Antwort auf seine Frage. Ein Kunde der Deutschen Bahn will schlicht die günstigste Fahrkarte von A nach B für seine Wunschreisezeit, ohne sich in Sonder-, Wochenend-, Abend- oder sonstige Tarife hinein studieren zu müssen. Diese Individualisierung des Konsums bedeutet das Ende des Massenkonsums, in dem der Einzelne aus einem vorhandenen Angebot auswählt, zugunsten eines neuen Marktes, in dem die einzelnen Kunden im Mittelpunkt stehen. Zuboff weiss, was Menschen wollen: „Sie wollen individualisierte Anwaltschaft und Unterstützung, um ihr Leben nach ihren Vorstellungen leben zu können.“

Führt man den Gedanken der Support Economy weiter, wird über den Erfolg von Produkten und Dienstleistungen letztlich im Kopf des Konsumenten entschieden. Es kommt deshalb besonders darauf an, Wahrnehmung und Einstellung von bestehenden und potenziellen Kunden genau zu analysieren. Wird dieses aus Kosten- oder Ressourcengründen vermieden, entsteht häufig Overengineering: Das angebotene Produkt oder die Dienstleistung weist eine andere Beschaffenheit oder Anwendungsmöglichkeit auf, als der Kunde letztendlich haben oder nutzen will. Was er tatsächlich haben will, ist die spezielle Fähigkeit eines Dienstleisters, seine Probleme für ihn zu lösen.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

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