
In der Deutschland AG funktioniert das klassische Unterstützer-Netzwerk noch außerordentlich gut. Man trifft sich in lauschigen Eckchen in Kitzbühel, Davos, St. Moritz, auf Sylt oder kraxelt vier Tage mit Ex-McKinsey-Chef Herbert Henzler in den Alpen herum. Da laufen die Deals und Absprachen. Da werden Wechsel besprochen und eingeleitet, da sichern sich die Top-Manager ihre Karriere ab.
Darüber recherchierte ich in meiner Zeit als Chefredakteur eines Wirtschaftsmagazins für Vorstände und Aufsichtsräte. Ihr erinnert Euch vielleicht noch an meine Aktionen in dieser Publikation, die beispielsweise Sina Trinkwalder zur CEO des Quartals kürte. Im Vordergrund meines Beitrags stand der Top-Manager Kaspar Rorsted, der sich bei meinen Analysen und Hintergrundgesprächen mit Kennern der Konzernszene als Avantgarde der Wechselkünstler herausstellte mit fragwürdigen Eigenschaften.
In der Deutschland AG reloaded hat sich Rorsted frühzeitig etabliert. Das ist ihm als Vorstandschef eines erfolgreichen DAX-Konzerns relativ leicht gefallen. Er nutzt die informellen Runden, die von der Öffentlichkeit abgeschottet werden. Es soll intim zugehen. Ein Rückzug in die Privatheit, der ausschließlich über persönliche Kontakte läuft. Etwa in der alpinen Seilschaft von Herbert Henzler. Im elitären Männerzirkel der so genannten „Similauner“ kraxeln unter Führung von Reinhold Messner Manager wie Hubert Burda und – welch ein Zufall – der frühere adidas-Chef Herbert Hainer. Wen fand man im Aufsichtsrat des Sportartikel-Herstellers? Ex-Henkel-Personalvorstand Kathrin Menges. Weitere Verbindungslinien zur Arbeitnehmerseite oder zu Finanzberatern kann man über Google recherchieren.
Netzwerke und Vitamin B für das berufliche Fortkommen zu nutzen, ist völlig in Ordnung. Nur sollten die Protagonisten der informellen Deutschland AG die Schwächen von geschlossenen Zirkeln nicht unterschätzen.
Netzwerktheorie
Problematisch wird es, wenn es keine Auffrischungen mehr gibt und keiner neuer Geist nachrückt. In der Organisationstheorie ist das gut erforscht. Geschlossene Netzwerke punkten bei Kooperationen und Verlässlichkeit. Sie sind stabiler, aber auch inflexibler. „Einer durch ein festes Normungefüge abgesicherten, verlässlichen Kooperation steht somit der Nachteil mangelnder Anpassungsfähigkeit gegenüber“, erklären die Wissenschaftler Mark Ebers und Indre Maurer. Die Beharrungskräfte der Netzwerk-Akteure können negative Auswirkungen haben. Empirische Studien belegen, dass es Führungskräften in solchen Formationen nicht gelingt, neue Tätigkeitsfelder zu erschließen. Hier sind Netzwerke mit offenen und losen Verbindungen überlegen.
Rorsted bekommt in der aktuellen Ausgabe des Manager Magazins keine guten Noten: Bei adidas sei intern sogar von einem Kulturkampf die Rede, den Rorsted losgetreten habe. “Zahlreiche lang gediente Topleute suchen deshalb das Weite oder werden hinausgemobbt. Sportsmann Rorsted pflegt eine raue Spielweise – bei Adidas, das immer als Wohlfühlunternehmen galt, greift das Foulspiel um sich.”
Bei Innovationen, der vielleicht wichtigsten Quelle für die Attraktivität einer Marke, zeige Rorsteds Bilanz keinerlei Aufhellung. “An einem Nachfolger für die erfolgreiche, aber schon ältere (und mit der BASF entwickelte) Sohlentechnik Boost forschen sie in Herzogenaurach noch immer vergeblich”, schreibt das Manager Magazin.
“Während Investoren in Rorsted eine Art Jürgen Klopp (53) sehen, der von Erfolg zu Erfolg federt (den Coach des FC Liverpool hat Rorsted im Sommer als Markenbotschafter verpflichtet), erleben ihn Führungskräfte mehr wie einen José Mourinho (57). Der Trainer von Tottenham Hotspur hetzt Freund und Feind oft mit Einschüchterungen und Tobsuchtsanfällen übers Feld. Seit dem Abgang des selbstbewussten Liedtke dominiert Rorsted seine Vorstandskollegen nach Belieben – mal mit stahlharten Vorgaben, mal indem er sie vor Zeugen runterputzt.”
Was für ein treffender Vergleich.