
Am 19. November stellte ich folgende Fragen an die Pressestelle des Bundeswirtschaftsministeriums: “Die Soforthilfen wurden bekanntlich im Konjunkturpaket durch Überbrückungshilfen abgelöst, die zudem kleine und mittlere Unternehmen bis 249 Beschäftigten sowie große Unternehmen ohne Zugang zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) einbeziehen. ‘Die Anzahl der eingegangenen Anträge bleibt bisher, wie bei den Soforthilfen, deutlich hinter den Erwartungen zurück. Von den bereitgestellten 25 Milliarden Euro wurden bis zum 27. Oktober lediglich 1,2 Milliarden Euro abgerufen‘, teilt der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten mit. Warum ist das so? Die fünf Weisen bemängeln bürokratische Hürden. Mit der Einführung der zweiten Phase der Antragstellung wurden die Anforderungen gelockert, was zu höheren Abrufquoten bei kleineren und mittleren Unternehmen führen dürfte, so der Sachverständigenrat.
In welcher Weise wurden die Anforderungen gelockert und welche Pakete sind in welcher Form abrufbar? Was müssen KMUs beachten?”.
Soweit meine Anfrage. Im Nachgang des Interviews mit Professor Achim Truger vom Sachverständigenrats wollte ich noch etwas zum Status quo der Corona-Hilfen schreiben.
Die Antwort des Ministeriums:
“Die Bundesregierung hat ein umfangreiches Hilfsprogramm aufgelegt. Und die Hilfen kommen auch an. Dass der zur Verfügung stehende Finanzrahmen bislang nicht ausgeschöpft wurde, ist aus unserer Sicht kein Zeichen dafür, dass die Hilfen nicht ankommen. Die Corona-Krise ist noch nicht überwunden, einige Branchen sind von den fortdauernden Beschränkungen weiter stark betroffen. Es ist daher gut, dass wir weitere Mittel zur Verfügung haben, um diese Unternehmen zu unterstützen. Inzwischen wurden in den Corona-Hilfsprogrammen bereits über 71 Mrd. Euro bewilligt wurden. Im Programm Soforthilfe wurden in den Monaten März bis Mai 2020 Liquiditätshilfen in Höhe von 13,8 Mrd. Euro an rund 1,8 Mio. Soloselbstständige und kleine Unternehmen ausgereicht. Im Rahmen des Überbrückungshilfeprogramms I für kleine und mittelständische Unternehmen wurden ca. 127.600 Erstanträge im Volumen von rund 1,5 Milliarden Euro gestellt und etwa 1,4 Milliarden Euro bewilligt. Das Überbrückungshilfeprogramm II ist am 21. Oktober 2020 gestartet. Dort wurden bislang über 27.000 Anträge gestellt. Was verbessert sich bei der Überbrückungshilfe II? Bei der Überbrückungshilfe II wurden vom Bundeswirtschaftsministerium in Abstimmung mit dem BMF und natürlich auch unter Einbindung der Länder und Verbände folgende Verbesserungen vorgenommen:
- Flexibilisierung Eintrittsschwelle: Bisher: Unternehmen, die unmittelbar vom Lockdown im April/ Mai durch hohe Umsatzeinbußen von mind. 60 % betroffen waren. Künftig: Unternehmen erfasst, auch wenn sie im April/ Mai noch Auftragspolster hatten und corona-bedingten Einbruch erst später erfahren.
- Anpassung der Fördersätze: Bisher: Fördersätze zwischen 40 und 80 % und Deckelung für Kleinunternehmen auf 9.000 Euro (bis 5 Beschäftigte) und 15.000 Euro (5 bis 10 Beschäftigte). Künftig: KMU-Deckelbeträge werden ersatzlos gestrichen und die Fördersätze gestaffelt auf bis zu 90% erhöht. Untergrenze, ab der Unternehmen Förderung erhalten können, von 40 % auf 30 % Umsatzeinbruch abgesenkt.
- Personalkosten werden in der Überbrückungshilfe mit einer Pauschale erstattet. Diese wird von 10 % auf 20 % (der förderfähigen Fixkosten) erhöht. Damit machen wir es Unternehmen leichter, Beschäftigte aus der Kurzarbeit zu holen und den Geschäftsbetrieb wieder aufzunehmen.
- Neuer Punkte Außengastronomie: Außengastronomie wird in den Wintermonaten zunehmend eine Rolle spielen und kann eine Möglichkeit sein, den Betrieb trotz steigender Infektionszahlen aufrechtzuerhalten. Deshalb fördern wir mit der Überbrückungshilfe II künftig auch Maßnahmen zur temporären Verlagerung des Geschäftsbetriebs in die Außenbereiche. Damit kann die Anschaffung von Außenzelten, Wärmestrahlern, etc. künftig bezuschusst werden. Schon bisher fördern wir mit der Überbrückungshilfe die Umsetzung von Hygienemaßnahmen (z.B. Desinfektionsmittel, Luftfilteranlagen). Mit der neuen Regelung zur Außengastronomie vervollständigen wir unser Maßnahmenpaket, damit Gastronomie auch in Zeiten der Pandemie möglich bleibt. Die konkrete Zulassung des Aufstellens von elektrischen Wärmestrahlern oder anderen Gegenständen ist kommunal unterschiedlich geregelt. So verlangen in Berlin einige Bezirke eine Genehmigung für das Aufstellen von Wärmestrahlern, in anderen Ländern gibt es hierfür keine Vorgaben. An dieser Frage der „Genehmigung für die Aufstellung“ ändert sich durch die Überbrückungshilfe II selbstverständlich nichts. Es geht bei der Überbrückungshilfe II um eine Kostenposition, die geltend gemacht werden kann.”
Soweit die Antwort auf meine Presseanfrage. Wir wissen ja, das weitere Hilfen nötig waren und sind. Passiert ist in Wirklichkeit wenig. Das schilderte sehr eindrücklich der Bonner Unternehmer Jörg Haas in unserer Sendung #DigitalXAdhoc.
Entsprechend kritisch sind die Reaktion in Politik und Wirtschaft:
“Es wurde eine Bazooka versprochen, aber aktuell ist es noch eine Steinschleuder ohne Stein”, sagt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Der Bund habe seit November bei den Hilfen “gar nichts auf die Kette gekriegt”, betont CDU-Chef Armin Laschet.
Die Spurensuche beginnt Ende Oktober 2020, schreibt das Handelsblatt: “Merkel und die Ministerpräsidenten hatten gerade den ‘Lockdown light’ verkündet, für vier Wochen sollte die Gastronomie schließen. Altmaier und Scholz traten gemeinsam vor die Presse und kündigten “zeitnahe und unbürokratische” Hilfen an. Doch deren Umsetzung erwies sich als kompliziert. Denn im Finanzministerium hatte man sich ein neues Konzept ausgedacht: Unternehmen sollten mit den sogenannten Novemberhilfen den ausgefallenen Umsatz erstattet bekommen, bis zu 75 Prozent des Umsatzes im Vorjahresmonat. Die Auszahlung der Hilfen sollte über die Länder laufen. Diese verzichteten allerdings darauf, selbst ein Antragssystem zu entwickeln. Einigen war noch die scharfe Kritik wegen Betrügereien im Frühjahr in Erinnerung. Also sollte der Bund übernehmen. Das Wirtschaftsministerium schlug vor, die Finanzämter mit der Abwicklung zu beauftragen. Das Finanzministerium lehnte den Vorstoß mit den Ländern, die für die Steuerverwaltung zuständig sind, ab. Diese seien dazu nach ‘fachlicher Prüfung’ nicht in der Lage”, so das Handelsblatt.
So war also wieder Altmaier in der Verantwortung. “Vom Bundeswirtschaftsministerium wurde ein IT-Unternehmen beauftragt, ein Antragssystem zu programmieren, auf das dann die Länder zur Auszahlung der Hilfen zugreifen können. Doch es war schnell zu erkennen, dass die ursprüngliche Hoffnung, noch Ende November Hilfen berechnen und auszahlen zu können, sich nicht erfüllte”, führt das Handelsblatt weiter aus.
Erst seit dem 10. Februar steht das Antragssystem auf der Website des Bundeswirtschaftsministeriums. Es war wohl frühzeitig klar, dass es zu diesen Verzögerungen kommen wird. Dann würde ich Presseanfragen anders beantworten.
Morgen nun hat Altmaier mehr als 40 Verbände zu einem Wirtschaftsgipfel eingeladen, um die aktuelle Lage der Wirtschaft, die Beschlüsse von Bund und Ländern, die Wirtschaftshilfen und mögliche Öffnungsperspektiven zu diskutieren. Das wird kein einfaches Unterfangen für den Wirtschaftsminister: So fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) einen transparenten und fairen Plan zur Wiedereröffnung aller Geschäfte. Zudem setzt sich der Verband für Änderungen bei den staatlichen Corona-Hilfen ein.
„Die Politik muss jetzt das liefern, was sie schon lange zugesagt hat: einen fairen und sich an transparenten Kriterien orientierenden Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown. So wie in den letzten Monaten kann es nicht mehr weitergehen. Da muss mehr Berechenbarkeit rein“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Der Einzelhandel habe in den letzten Monaten bewiesen, dass er auch bei Inzidenzen von über 50 oder 35 mit seinen funktionierenden Hygienekonzepten sicherstellen könne, dass der Einkauf nicht zum Hotspot werde. Deshalb habe sich die Branche einen Stufenplan mit dem Ziel der Wiedereröffnung verdient.
„Unsere weiter von Schließungen betroffenen Handwerksbetriebe brauchen dringend Perspektiven durch einen konkretisierten, inzidenzbasierten Öffnungsplan“, betont ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer gegenüber Lilly von Consbruch vom RedaktionsNetzwerk Deutschland.
„Der Wirtschaftsgipfel darf sich nicht als geschlossener Wirtschaftszirkel erweisen, sondern muss sicherstellen, dass die Erfahrungen und Anliegen der Wirtschaft in der Kanzleramtsarbeitsgruppe berücksichtigt werden, die den Öffnungsplan erarbeitet. Unsere weiter von Schließungen betroffenen Handwerksbetriebe brauchen dringend Perspektiven. Um planen zu können, brauchen unsere Betriebe eine inzidenzbasierte Öffnungsstrategie. Dafür muss schnellstmöglich ein Öffnungsplan her, der die Schwellenwerte konkretisiert und in dem festgelegt wird, ab welchen Werten und unter welchen Bedingungen unsere Betriebe ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Notwendig ist eine Corona-Ampel, die inzidenzbasiert grünes Licht für Öffnungen gibt.”
Kosmetikern und vielen anderen Gewerken des Handwerks, die für weitere Wochen ohne Öffnungsperspektive dastehen, müssten jetzt schnellstmöglich die staatlichen Hilfen ausgezahlt werden. “Wir sehen hier weiter zentralen Nachbesserungsbedarf bei der Überbrückungshilfe III und drängen darauf, dass nun endlich auch die Starthilfe für die Soloselbständigen kommt! Und unsere Forderung nach einem um zwei, besser drei Jahre verlängerten Verlustrücktrag als DIE zielgerichtete, schnelle und passgenaue Hilfe bleibt bestehen”, resümiert Wollseifer.