
Die Corona-Pandemie und ihre Folgen, die Länge und Tiefe des Lockdowns und die richtige Impfstrategie beherrschen auch die wirtschaftspolitischen Debatten. Andere Ereignisse von bahnbrechender ökonomischer Bedeutung werden so dieser Tage leicht übersehen.
Aber: Der Bundestag hat nach fast drei Jahren politischer Diskussionen so etwas wie eine Revolution im Kartellrecht beschlossen: Durch die zehnte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen kann das Bundeskartellamt nun großen digitalen Plattformen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb – das sind primär die sogenannten Gafa-Konzerne Google, Amazon, Facebook, Apple – viel leichter klare Ansagen machen.
“Müssen bisher mühselig Markt für Markt die Wettbewerbsverhältnisse analysiert werden, um dann zu ermitteln, ob irgendwo ein Fehlverhalten der Plattform vorliegt, wird der Spieß nun umgedreht. Das Bundeskartellamt kann großen Plattformen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von vornherein untersagen. Sollte das Verhalten doch wettbewerbskonform sein, liegt es nun an der Plattform, den Gegenbeweis anzutreten. Das spart viel Zeit, und man muss nicht erst warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, um Rettungsaktionen einzuleiten. Mit dieser Modernisierung des Kartellrechts ist Deutschland Vorreiter, auch wenn wir sonst in vielen Bereichen der Digitalisierung hinten dran sind. Die EU-Kommission hat erst im Dezember mit dem ‘Digital Markets Act’ erste Vorschläge für ähnliche Änderungen des Europarechts vorgelegt. Bis die umgesetzt werden, dürften aber mindestens drei weitere Jahre vergehen. Daher ist es gut, dass Deutschland bei der Digitalisierung nun wenigstens im Kartellrecht vorangeht”, kommentiert Professor Justus Haucap den Beschluss des Bundestages.
Was bedeutet das für den Mittelstand, für die Wirtschaft in Europa und Deutschland, für die Wettbewerbspolitik? Wir diskutieren das am Donnerstag im DigitalXAdhoc-Format mit Justus Haucap. Er ist seit 2009 Professor für Volkswirtschaftslehre und war von Jahresbeginn 2015 bis Ende 2018 Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist Gründungsdirektor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) und war von 2008 bis 2012 Vorsitzender der Monopolkommission. Seit 2019 ist er federführender Herausgeber der Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Mitdiskutieren über die Chat- und Kommentarfunktonen von YouTube, Facebook und Co.
Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen.