Wir brauchen mehr Freiheitsgeist in der Ökonomik. So habe ich das in einem Beitrag zum Buch von Axel Gloger über die Leere in der BWL formuliert. Für die VWL gilt ja ähnliches.
Gloger bringt in seinem Opus die klassische Bildung ins Spiel. Etwa den Lehrplan des St. John’s College in Santa Fe als Vademekum gegen die Stoff-Huberei in BWL und VWL. In der Leseliste findet man Homers „Odyssee“, die „Nikomachische Ethik von Aristoteles“, Machiavellis „Fürst“ und Thomas Hobbes’ „Leviathan“. Dante, Molière, Leibniz, Kafka, Kant, Goethe, Plato und Einstein sind die Wegbegleiter der Studierenden und nicht die technokratischen Schwurbeleien in den üblichen Lehrbüchern der Wirtschaftswissenschaft.
Nun geht wohl auch die Uni Düsseldorf einen interessant Weg – das berichtet die FAZ. Ob das zu mehr Freigeist führt, muss man mal abwarten. Aber die ersten Ansätze sind schon vielversprechend.
Es sei ungewöhnlich, dass VWL-Erstsemester ein Lehrbuch für Philosophen mit dem recht sperrigen Titel „Logik: Grund- und Aufbaukurs der Aussagen- und Prädikatenlogik“ studieren. “Hier in Düsseldorf tun sie es nun. Sie büffeln Semantik und Beweistheorie, diskutieren über logische und unlogische Aussagen, sezieren Beispielsätze”, so die FAZ. Es geht um den Bachelor-Studiengang „Philosophy, Politics and Economics“, der in diesem Wintersemester in Düsseldorf gestartet ist.
“Geplant war, 50 Studierende im Jahr aufzunehmen, jetzt sitzen viermal so viele in den Vorlesungen. Sie hören eine bunte Mischung: Praktische und Theoretische Philosophie, Logik, Politikwissenschaft, Methoden der Sozialwissenschaft. Und natürlich Ökonomie (Mikro, Makro und Statistik). In den späteren Semestern kommen Vorlesungen über Entscheidungs- und Spieltheorie, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsethik, Internationale Beziehungen, Organisationen und Strukturen hinzu”, schreibt die FAZ.
Es werde immer gefordert, dass Entscheider in Unternehmen und Politik nicht eine rein ökonomische Perspektive einnehmen, sagt der Düsseldorfer Philosophieprofessor Gottfried Vosgerau gegenüber der FAZ, der den neuen Studiengang mitbetreut. Wirtschaft isoliert ohne Politik und Gesellschaft könne man nicht denken. Wer über die neoklassischen Modelle der VWL sinniert und beispielsweise in der Mikroökonomie über eine Nutzenfunktion stolpert, sollte zumindest mal was über Utilitarismus und Thomas Hobbes gehört haben. Oder über Kant als Antipode der Nützlichkeitsfraktion – also das Spannungsfeld von Nützlichkeitsethik und Pflichtethik.
Welche wirtschaftspolitischen Konsequenzen ergeben sich denn aus dem kategorischen Imperativ von Kant?
Warum verweigern Ökonomen Antworten auf normative Fragen – etwa bei der Verteilungsgerechtigkeit?
Warum sind Ökonomen wie Hans-Werner Sinn und Ernst Fehr realpolitisch auf dem Holzweg, wenn sie analytisch kaltschnäuzig über die Notwendigkeit von flexiblen Arbeitsmärkten in Europa reden?
Warum ist es fragwürdig, wenn vermeintliche “Wirtschaftsethiker” den Mindestlohn spieltheoretisch beleuchten?
Warum sollten Makroökonomen mal in den Logik-Büchern im Sachregister unter T wie Tautologien nachschlagen?
Sie könnten natürlich auch im neuen Schumpeter-Band reinschauen (Schöpferische Zerstörung und der Wandel des Unternehmertums) 😉

Warum sollten VWL-Prognostiker wie Sinn die so genannten DSGE-Modelle unter Z wie Zirkelschluss diskutieren?
Alles Fragen, die ich übrigens in meinen Wirtschaftsethik-Lehrveranstaltungen an der Hochschule Fresenius in Köln diskutiere.
Was da in Düsseldorf auf die Beine gestellt wird, geht in die richtige Richtung.