In einer Pressemitteilung befördert das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie einen Gedanken zutage, den ich im vergangenen Jahr in einer Session des Nachhaltigkeitscamps in Bonn diskutiert habe: Wie man Produkte mit Öko-Intelligenz aufladen kann.
Eine Studie des Bundesumweltministeriums geht davon aus, dass die Kreislaufwirtschaft von der Digitalisierung besonders profitieren würde – gleichzeitig zeigt sie, dass das Thema bisher aber kaum systematisch angegangen wird. Dr. Henning Wilts, Leiter des Geschäftsfeldes Kreislaufwirtschaft und Dr. Holger Berg, Projektleiter im Geschäftsfeld Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie widmen sich daher dieser Thematik und arbeiten an einer “Circular Economy Literacy”, die den Weg in die digitale und ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft ebnen soll. Im neu erschienen Positionspapier “in brief” des Wuppertal Instituts gehen die beiden Autoren ausführlich auf das Thema ein.
Obwohl das Optimierungspotenzial groß sei, ist die Realität noch weit von sogenannten geschlossenen Kreisläufen entfernt. Aus Abfällen gewonnene Sekundärrohstoffe – Rezyklate genannt – werden bislang weit unterhalb der möglichen Mengen in Produktions- und Nutzungsprozesse zurückgeführt. Das bedeutet Werteverlust, macht abhängig von volatilen Rohstoffmärkten, verringert die Ressourcenproduktivität und erhöht die Umweltverschmutzung. Die Studie “Die Digitalisierung in der GreenTech-Branche” im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) verweist darauf, dass kein Umweltleitmarkt so stark von der Digitalisierung profitieren könnte wie die Kreislaufwirtschaft und gleichzeitig kein Sektor bisher so schlecht aufgestellt sei.
Unternehmen setzen noch zu häufig auf Primärmaterialien statt auf recycelte Rohstoffe zurückzugreifen – obwohl diese eigentlich günstiger sein könnten. Ein entscheidender Grund sind fehlende Informationen: Wo und wann Abfälle anfallen, die sich als Rezyklate einsetzen lassen, ist deutlich ungewisser als bei Primärmaterialien, wie etwa im Bergbau. Zudem hängt der Wert von Abfällen maßgeblich davon ab, wie diese Abfälle zusammengesetzt sind und was über sie bekannt ist: Was sind teuer zu entsorgende gefährliche Abfälle, was kann sinnvoll recycelt werden?
“Um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft besser zu koordinieren, braucht es zwingend eine bessere Abstimmung von Stoff- und Informationsflüssen, um diesen Problemen zu begegnen”, sagt Wilts.
Informationen über Mengen und insbesondere Qualitäten von Produkten und den in ihnen enthaltenen Rohstoffen müssten erhoben werden und erhalten bleiben.
Viele dieser Informationsdefizite waren bisher nicht zu lösen. Die Forscher Wilts und Berg gehen aber davon aus, dass die Digitale Transformation die Lösung liefern könnte, weil sie aus mehreren Gründen eine Informationsrevolution ist und daher das Bindeglied zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft werden kann.
Lösungsansätze müssen über reine Entsorgungslösungen hinausgehen, viel früher im Produktionsprozess ansetzen und auch stärker als bisher Konsumentscheidungen einbeziehen. Oberstes Ziel: Abfälle weitgehend vermeiden und eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Dazu arbeitet das Wuppertal Institut an einer Circular Economy Literacy. Darin evaluieren Wilts und Berg im neu gegründeten Geschäftsfeld Kreislaufwirtschaft wie solche umfassenden Veränderungsprozesse möglich und in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Ihre Projekte sollen die verschiedenen Akteure zusammenbringen und eine strategische Zielvorstellung für eine digitalisierte Kreislaufwirtschaft in NRW, Deutschland und Europa vorgeben. Alle wollen Digitalisierung, alle wollen Kreislaufwirtschaft – aber was ist die gemeinsame Vision und wie kommen wir dahin?
Meine Überlegung: Wenn es gelingt, dass alle Gegenstände des Alltags im „Internet der Dinge“ digital vernetzt werden, könnte man sie auch mit ökologischer Intelligenz aufladen. Dann würden sie über ihre Herkunft und Ökobilanz informieren sowie Empfehlungen über eine sinnvolle Weiterverwendung zum Ende ihres Lebenszyklus geben. So fänden die Produkte allein ihren Weg von der Produktion bis zum Kunden – und wieder zurück zum Recycling oder zur Wiederverwendung. Dann würden 99 Prozent der mobilen Endgeräte nicht mehr in der klassischen Müllentsorgung verschwinden, sondern spezialisierten Logistikern signalisieren, wo man sie findet und wie man ihre verborgenen Schätze aus Gold, Platin, Kupfer, Aluminium und seltenen Metalle heben kann.
Siehe auch: Studie – Deutschland auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft?
Hat dies auf http://www.ne-na.me rebloggt.